Zucker: Psychoaktive Wirkung und Suchtpotenzial

Heißhunger auf Schokolade oder der Gier nach Kartoffelchips sind Gelüste, die viele Menschen kennen. Lange Zeit wurde dies von der Wissenschaft als unbedenklich abgetan, doch die Meinungen ändern sich. Studien an Ratten zeigten, dass zuckerhaltige Getränke und fettreiche Snacks typisches Suchtverhalten auslösen können. Doch welche Auswirkungen hat Zucker wirklich auf unseren Körper und Geist?

Tierversuche und ihre Aussagekraft

In einer Studie wurden männliche Ratten in drei Gruppen eingeteilt und erhielten unbegrenzten Zugang zu Standard-Laborfutter. Zwei der Gruppen hatten zusätzlich entweder eine Stunde oder 18 bis 23 Stunden lang Zugang zu fettreichen Lebensmitteln. Es zeigte sich, dass die Ratten, die fettleibig wurden, eine geringere Anzahl bestimmter Dopamin-Rezeptoren im Belohnungszentrum des Gehirns aufwiesen.

Kritiker bemängeln jedoch, dass diese Tierversuche auf extremen Ernährungssituationen beruhen und sich nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen lassen. Dies trieb den Ehrgeiz der Forscher jedoch weiter an. Die National Library of Medicine listet seit Jahresbeginn zahlreiche wissenschaftliche Studien und Artikel zum Thema Nahrungsmittelsucht.

Zucker als Suchtmittel?

Die Hirnforscherin Dr. Nora D. Volkow vom Nationalen Institut für Drogenmissbrauch (NIDA) in den USA bemerkte, dass Nahrungsmittelsucht, ähnlich wie Nikotinsucht, zu Entzugssymptomen führen kann. Diese würden zwar nicht bewusst wahrgenommen, führten aber dazu, dass Betroffene immer wieder zu Schokolade oder Limonade greifen. Dieser Prozess trage maßgeblich zum rasanten Anstieg von Übergewicht und Fettleibigkeit bei.

Im Jahr 1886 suchte der US-amerikanische Apotheker John Pemberton nach einem Heilmittel gegen seine Morphin-Abhängigkeit und entwickelte schließlich Coca-Cola, ein Getränk, das ursprünglich Kokain enthielt und als Wundermittel gegen verschiedene Beschwerden vertrieben wurde. Heute, über 130 Jahre später, trägt Coca-Cola dazu bei, dass sich Adipositas und Diabetes weltweit zu einer Epidemie entwickeln. Obwohl das Getränk kein Kokain mehr enthält, könnte der hohe Zuckergehalt ebenfalls abhängig machen.

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Zuckerunverträglichkeiten und ihre Folgen

Experten schätzen, dass ein erheblicher Teil der Reizdarm-Patienten an Zuckerunverträglichkeiten leidet. Zu diesen Zuckern zählen Fruktose und Sorbit, die häufig in industriell gefertigten Lebensmitteln verwendet werden. Auch Laktose, der Milchzucker, kann dem Darm Probleme bereiten. Viele Betroffene haben eine lange Odyssee hinter sich, da Ärzte die Dimension der Zuckerunverträglichkeit oft nicht richtig erkennen.

Bei einer Fruktoseintoleranz kann der Dünndarm den Fruchtzucker nicht richtig aufnehmen, wodurch er in den Dickdarm gelangt, wo er von Bakterien vergoren wird. Dies führt zu Blähungen, Durchfall und Reizdarmsymptomen. Studien deuten zudem auf einen Zusammenhang zwischen Fruktoseunverträglichkeit und Depressionen hin, da Fruchtzucker den Stoffwechsel der Aminosäure Tryptophan beeinträchtigt, die für die Bildung des Glückshormons Serotonin benötigt wird.

Die Allgegenwärtigkeit von Zucker

Die problematischen Zuckerstoffe sind heute in fast allen industriell gefertigten Nahrungsmitteln zu finden, nicht nur in süßen Produkten. Milchzucker steckt im Milchpulver, Fruktose wird industriell aus Mais hergestellt. Unser Geschmacksempfinden hat sich verändert und ist weniger süß-empfindlich geworden. Obstsorten werden mit einem höheren Fruchtzuckergehalt gezüchtet.

Früher nahmen wir täglich etwa fünf Gramm Fruchtzucker über unsere Lebensmittel auf, heute sind es rund 15 Gramm. Wir lieben den Geschmack von Zucker so sehr, dass es uns schwerfällt, auf ihn zu verzichten. Die Lebensmittelindustrie profitiert davon, da wir immer mehr zuckerhaltige Produkte kaufen möchten. In den USA werden bereits so große Mengen kalorienreicher Nahrungsmittel produziert, dass jeder Amerikaner täglich 3900 Kalorien zu sich nehmen könnte.

Die versteckten Zuckerfallen

Viele Produkte werden als "fettarm" beworben, doch enthalten stattdessen eine große Menge Zucker. Zucker und Süßungsmittel auf Maisbasis sind billig herzustellen, weshalb die Lebensmittelindustrie sie verschwenderisch einsetzt. Von stark gezuckerten Nahrungsmitteln und Getränken können wir Unmengen essen und trinken, ohne uns satt zu fühlen. Im Durchschnitt nehmen wir täglich eine Zuckermenge zu uns, die 31 Teelöffeln entspricht, was etwa 500 zusätzlichen Kalorien entspricht.

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Zucker verbirgt sich oft hinter anderen Namen, die wir nicht unbedingt mit Zucker in Verbindung bringen. Der Durchschnittsbürger würde nicht vermuten, dass sich hinter Begriffen wie Dextrose oder Maltodextrin Zucker verbirgt. Zucker ist nicht nur in Süßwaren enthalten, sondern auch in Nudelsauce, Ketchup und Brot. In fettarmen Produkten wird Zucker oft als Geschmacksträger eingesetzt.

Zucker als Droge?

Eine Studie des American College of Neuropsychopharmacology ergab, dass Zucker im Gehirn ähnliche Reaktionen auslöst wie Morphine, Kokain und Nikotin. Der Kauf eines Schokoriegels ist demnach keine freie Entscheidung, sondern die Folge einer Sucht. Im Gegensatz zu Alkohol oder Zigaretten wird Zucker bereits Kindern frühzeitig in Form gesüßter Tees und Babynahrung verabreicht, wodurch der Geschmackssinn auf Zucker trainiert wird.

Zucker kann bei manchen Kindern zu Hyperaktivität führen. Eine Studie ergab, dass Kinder mit gesunder Ernährung bessere Noten aufwiesen als Kinder, die sich hauptsächlich von hellem Brot und Süßigkeiten ernährten. Zudem erhöht der regelmäßige Verzehr von Limonade das Erkrankungsrisiko für Diabetes und kann die Lebenszeit verkürzen. Zucker stört die Verdauung, fördert Pilzbefall im Darm und schwächt das Immunsystem.

Wege aus der Zuckersucht

Es ist nicht einfach, das Konsumverhalten rund um den Zucker zu verändern. Proteinreiche Mahlzeiten und Ballaststoffe können helfen, Hungerattacken vorzubeugen und den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Synthetische Süßstoffe sind kein gesunder Ersatz für Zucker, da sie oft das Verlangen nach Süßem noch mehr steigern. Natürliche Süßstoffe sind eine bessere Alternative.

Die psychoaktive Wirkung von Zucker

Der Illustrator Serge Seidlitz erläutert die Wirkung von Zucker und anderen psychoaktiven Substanzen auf unser Gehirn. Zucker aktiviert ein Belohnungssystem im Gehirn, das uns dazu auffordert, mehr davon zu essen. Die Großhirnrinde entscheidet dann, ob sie diesem Drang nachgibt.

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Drogenkonsum bei Diabetes

Drogen sind ein Tabuthema, doch der illegale Drogenkonsum nimmt in Deutschland zu. Verschiedene Substanzen können sich auf eine bestehende Stoffwechselerkrankung wie Diabetes mellitus auswirken. Aufputschende Drogen wie Amphetamine, Metamphetamine und Kokain kurbeln den Stoffwechsel an und mobilisieren die körpereigenen Blutzuckerreserven, was bei Typ-1-Diabetikern zu einer gefährlichen Hyperglykämie führen kann. Durch Drogenkonsum wird die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme vernachlässigt, was zu einer Hypoglykämie führen kann.

Die Rolle von Neurotransmittern

Dr. Swen Hesse untersucht die Vorgänge im Gehirn von krankhaft Übergewichtigen und beschäftigt sich mit den Veränderungen bestimmter Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin. Diese Neurotransmitter steuern Appetit, Sättigung und die Nahrungswahl. Stress und Tageslicht haben ebenfalls Einfluss auf unseren Appetit. In der dunklen Jahreszeit steigt der Konsum von Süßigkeiten, da Zucker das stimmungsaufhellende Serotonin freisetzt.

Zuckersucht: Fakt oder Mythos?

Die Menschheit hat ein Problem: Sie wird immer dicker. Übergewicht trägt zu lebensverkürzenden Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs bei. Der Hauptgrund für Übergewicht ist eine unausgeglichene Energiebilanz. Studien zufolge können schmackhafte Speisen das Belohnungssystem in unserem Gehirn ähnlich aktivieren wie Drogen.

In Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass Ratten und Mäuse unter bestimmten Bedingungen ein suchtähnliches Verhalten zeigen, wenn sie Zugang zu Zucker haben. Es gibt Belege für Kontrollverlust, Craving, Konsum trotz schädlicher Folgen, Toleranzentwicklung und Entzugssymptome. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen, die argumentieren, dass süchtiges Verhalten nur unter sehr speziellen Bedingungen nachgewiesen werden konnte.

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