Nancy M. Johnson: Wie eine Hausfrau die Eisherstellung revolutionierte
Lange Zeit war Eiscreme ein Luxus, den sich nur die Reichen leisten konnten. Die Herstellung war zeitaufwendig und teuer. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich dies dank der Erfindung einer amerikanischen Hausfrau: Nancy M. Johnson. Am 9. September 1843 erhielt Nancy M. Johnson (1794 bis 1890) das Patent auf eine handbetriebene Eismaschine.
Der Weg zum Eis für alle
Wer heute in eine Eisdiele geht, hat die Qual der Wahl: Birne, Erdbeere, Karamell, Schokolade oder doch lieber etwas Exotischeres wie Kokosnuss oder Cranberry-Macadamia? Die lange Liste der Sorten zeigt, wie „normal“ es geworden ist, die kühle Erfrischung an jeder Ecke kaufen zu können. Kaum vorstellbar, dass dieses Dessert einst der Oberschicht vorbehalten war. Dass sich das änderte, ist unter anderem Nancy M. Johnson zu verdanken: Sie entwickelte eine Maschine, die das Herstellen von Eiscreme revolutionierte.
Die Eisherstellung vor Johnson
Bis dahin war der Standardprozess so: Zunächst wurde ein „Pot Freezer“, eine doppelwandige Konstruktion, außen mit gewöhnlichen Eiswürfeln gefüllt. Anschließend wurden in die innere Metallschüssel die Zutaten für die Eiscreme gefüllt. Diese Mischung musste von Hand gerührt werden. Zwar funktionierte die Herstellungsweise relativ gut und hatte sich in den vergangenen knapp zwei Jahrhunderten bewährt, doch benötigte man Stunden dafür. Entsprechend teuer verkauften Köche das Eis.
Johnsons bahnbrechende Erfindung
Genau hier setzte Johnson an. Die 1794 geborene Hausfrau aus dem amerikanischen Philadelphia setzte ebenfalls auf mehrere Schichten: Die äußere Schale enthielt neben dem Eis auch Salz, das den Schmelzpunkt senkte. Dadurch konnten die Zutaten im Inneren leichter den Gefrierpunkt erreichen. Noch heute setzen viele Tipps in sozialen Netzwerken auf genau diesen Trick. Nun ging es darum, immer wieder die obere Schicht der Milch, die bereits gefroren war, abzukratzen, bis die gesamte Portion gefroren war.
Diesen Prozess automatisierte Johnson: An die Außenseite ihrer Maschine setzte sie eine Kurbel, mit der Nutzer eine Art Spachtel mit Löchern, genannt „Dasher“, im Inneren antreiben konnten. Zahnräder übertrugen die Bewegung und reduzierten die benötigte Kraft. Der „Dasher“ mischte die Zutaten, wobei gleichzeitig die Temperatur des Gemischs sank. Sobald die Eiscreme servierfertig war, stellte der Mechanismus die Bewegung ein.
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Vorteile der Johnson-Eismaschine
Mit Johnsons Erfindung konnte auch die benötigte Menge von Eis und Salz deutlich reduziert werden, was die Herstellung ebenfalls günstiger machte, denn damals griffen Köche hauptsächlich auf natürliches Eis zurück, das ihnen mit Lieferwagen zugestellt werden musste. Und auch der Geschmack verbesserte sich, denn durch den regelmäßigen Rührprozess wurde das Dessert cremiger.
Patent und Vermarktung
Johnson ließ ihre Erfindung unter der Nummer 3254 patentieren. Da sie nicht die Möglichkeit hatte, das Gerät selbst zu vermarkten, verkaufte sie die Rechte an William G. Young aus Baltimore. Einer Todesanzeige für die Erfinderin im „Lafayette Advertiser“ zufolge erhielt Johnson für den Verkauf 1500 Dollar. Anderen Quellen zufolge bezahlte Young nur 200 Dollar.
Einfluss auf die moderne Eisherstellung
Viele Haushaltseismaschinen basieren noch heute auf Johnsons Ideen. Obwohl zu dieser Zeit auch weitere Erfinder Eismaschinen entwickelten, war Johnsons die erste, die ein Patent anmeldete. Kurz darauf veröffentlichte in Großbritannien Thomas Masters, ein Kaufmann mit eigenem Geschäft, ein Buch über seine Erfindung: einen großen Apparat zur Eisherstellung.
Das Leben von Nancy M. Johnson
Abgesehen von ihrer Erfindung ist wenig bekannt über Johnsons Leben. Sie heiratete wohl 1823 den Erfinder Walter Rogers Johnson (1794 bis 1852) und adoptierte mit ihm zwei Kinder. 1862 meldeten sich Nancy M. Johnson und ihre Schwester freiwillig, um befreite Sklaven zu unterrichten. Bis zu ihrem Tod 1890 lebte Johnson in Washington.
Anerkennung und Würdigung
Google widmete dem US-amerikanischen Erfinder und Unternehmer ein Doodle, um ein Denkmal zu setzen.
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Die Geschichte des Eises vor und nach Johnson
Die Speiseeis Erfinder sind entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht die Italiener- nein, das erste Speiseeis gab es im alten China. Hier liessen die Herrscher grosse Eislager für das dem Sorbet ähnelnde Speiseeis anlegen. Bereits die antiken Chinesen standen unserer heutigen Kreativität kaum in etwas nach. Der griechische Dichter „Simonides“ beschreibt das Sorbet als Gletscherschnee mit Zutaten aus Früchten, Honig und sogar Rosenwasser.
Den Weg nahm das Speiseeis dann über den arabischen Raum bis hin nach Europa. Im 11. Jahrhundert war es in erster Linie die Oberschicht die schon damals im Sommer mit Eis in Stangenform oder Schnee genussvoll verköstigt wurde. Die Italiener verfeinerten schliesslich die aus China überlieferte Rezeptur. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Speiseeis-Gemisch, bestehend aus Wasser und Fruchtpüree, zu einer italienischen Spezialität. Von hier aus verbreitete sich das Speiseeis allmählich über die gesamte Welt. Die Speiseeis Geschichte nahm ihren Lauf.
Speiseeis in der Neuzeit
Um 1700 hielt das Speiseeis Einzug in den europäischen Kaffeehäusern. Ab dem 18. Jahrhundert gab es das Speiseeis in Frankreich auch auf den Strassen zum Kauf. In Frankreich war es auch, wo das erste richtige und ausschliesslich Eiscafé eröffnete. Von einem Neapolitaner. Die erste Gelateria wiederum wurde 1770 in New York eröffnet. Maßgeblich für die Steigerung des Bekanntheitsgrades in den USA mit verantwortlich sollen seiner Zeit die ersten Präsidenten gewesen sein. So soll George Washington sich sogar für den Privathaushalt eine Eismaschine in das weisse Haus bestellt haben. Sie merken schon- die Speiseeis Geschichte ist kompliziert. Jefferson lernte Speiseeis während seiner Zeit als Staatssekretär in Frankreich kennen und liess um 1800 Speiseeis zu Staatsbesuchen im weissen Haus auffahren. Die Amerikaner waren es auch, die das erste Eis am Stiel erfanden. Der Erfinder und Limonadenhersteller Frank Epperson liess sich seine Idee 1923 patentieren. Popsicle, ist auch heute noch ein geschützter Markenname für ein bestimmtes Wassereis.
Speiseeis in Deutschland
In den 1920er Jahren öffneten in Deutschland die ersten Eisdielen. Die industrielle Herstellung von Speiseeis begann in den 1930er Jahren durch die Firmen Langnese und Schöller. Der neueste Schrei ist das Herstellen von Eis durch die Molekularküche.
Eissorten
Übrigens wird beim Speiseeis in folgende Eissorten unterschieden:
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- Milcheis besteht weitestgehend aus Milch (mind. 70%)
- Fruchteis enthält mindestens 20% Früchte - wir fertigen unser Fruchteis mit einem Anteil von mind. 40% an frischen Früchten
- Sorbet (Frucht-Sorbet) ist dünnflüssiges Eis welches aus gesüsstem Fruchtsaft hergestellt wird
- Cremeeis besteht aus mindestens 50% Milch, Wasser wird bei der Herstellung nicht benötigt
- Eiskrem (mind. 10% Milchfett) wird vorrangig industriell hergestellt
- Fruchteiskrem (mind. 8% Milchfett) wird vorrangig industriell hergestellt
- Softeis - ist keine Speiseeissorte im eigentlichen Sinne sondern eine Eismasse die aufgeschäumt und gleichzeitig gefroren wird
- Sojaeis - hier verarbeitet man statt Kuhmilch Sojamilch
- Wassereis besteht zu einem grossen Teil aus gefrorenem Wasser - alle anderen Zutaten sind geschmacksgebend und müssen mind. 12% enthalten sein
Die Entwicklung der Kältetechnik
Historisch betrachtet, haben Eis und Salz erstaunlich viele Gemeinsamkeiten: einst ein wertvolles Wirtschaftsgut, nützlich zur Konservierung von Lebensmitteln, begehrtes Genussmittel der Reichen und Mächtigen, ist ihre Präsenz heute alltäglich. Die Erfindung der Eismaschinen (oder mit einem zeitgemäßen Fachbegriff: der Kältemaschinen) führt uns fast 200 Jahre zurück. Als Kältemittel verwendete er die feuergefährliche Flüssigkeit Äthyläther. Der Schotte James Harrison entwickelte Mitte des 19. Jahrhunderts dieses Prinzip bis zur Praxistauglichkeit weiter. Eine wichtige Antriebskraft für die Eisproduktion war der zutiefst menschliche Wunsch, den Genuss zur vervollkommnen. So baute der US-Amerikaner Frederic Tudor noch Anfang des 19. Jahrhunderts ein Handelsimperium mit Blockeis auf, das er rund um die Welt verschiffte. Auf diesem sündhaft teuren Weg gelangte Eis von zugefrorenen nordamerikanischen Seen bis in die Drinks der britischen Oberschichte in den tropischen Ländern des Kolonialimperiums.
Weitere Fortschritte in der Kühltechnik
Eine Kältemaschine mit humanistischem Hintergrund stammte auf dem Jahr 1844 von dem Arzt John Gorrie. Gorrie wollte mit seiner Erfindung Krankenhauspatienten im warmen Florida Linderung verschaffen, kam aber nicht über die Anfertigung eines Prototypen hinaus. Ein anderer wichtiger Entwicklungsstrang waren die sogenannten „Absorptions-Kältemaschinen“, bei denen die Kühlfunktion durch die thermischen Eigenschaften verschiedener Flüssigkeiten erzielt wird. Ein Meilenstein war die 1859 patentierte Ammoniak-Absorptionsmaschine des Franzosen Ferdinand Carré (die manchmal auch als erster Kühlschrank der Welt gewürdigt wird). Längst vorüber sich also die Zeiten, als aufwändig isolierte Eisblöcke tausende von Seemeilen verschifft wurden, um sich in den Whiskeygläsern reicher Briten im indischen Kalkutta auflösen zu dürfen. Und doch kann man sich auch heute den Luxus eines ganz privaten Eisgenusses gönnen - zum Beispiel mit Eismaschinen für den Hausgebrauch. Warum nicht? Warum sollten wir die technische Neuerung vor 150 Jahren nicht auf eine Stufe stellen mit jener Errungenschaft, die heute als eine entscheidende Etappe zur Menschwerdung gehandelt wird: die Beherrschung des Feuers. Vor 1,6 Millionen Jahren soll sie unseren Vorfahren endlich geglückt sein, die künstliche Wärme. 1859 aber kam der Moment, da ein findiger Geist die Gegenrichtung aufzeigte, die zweite Menschwerdung gewissermaßen: künstliche Kälte.
In dem Jahr erfand der Franzose Ferdinand Carré die „Ammoniakabsorbtionskältemaschine“. Bis zu 200 Kilogramm Eis warf sie in einer Stunde aus. Für den Whisky on the rocks, für den frischen Fisch auch im Binnenland. Es war der Moment, der die Heilerfolge in den Krankenhäusern verdoppelte; der aber auch den Mord im Kühlhaus ermöglichte, das Gegenstück zum Scheiterhaufen, um jenen Gegensatz noch einmal aufzugreifen.
Der globale Eishandel vor der Eismaschine
All dem Gewinn durch diese Eismaschine wird im Jubiläumsjahr vielfach gedacht werden, gewiss. Lohnenswerter aber ist fast der Blick weiter zurück. War Carrés Erfindung doch der Anfang vom Ende eines besonders bizarren Kapitels aus der Wirtschaftsgeschichte: des weltumspannenden Handels mit Eis. Denn Eisblöcke gab es auch schon vor Carrés Eisapparat. Nur dass die „rocks“ etwa im Whiskyglas des britischen Kolonialbeamten in Kalkutta nicht aus der Maschine stammten, sondern aus der im letzten Winter zugefrorenen Hafenbucht bei Boston, Massachusetts. Und dass sie eine viereinhalb Monate lange Segelreise über 20 000 Kilometer hinter sich hatten, bei zwei Querungen des Äquators, unbeschadet, kristallklar, eisig. Dahinter stand der Mann, den man in Handelskreisen unter dem Namen „Der Eiskönig“ kannte.
Frederic Tudor: Der Eiskönig
Frederic Tudor, 22 Jahre alt, ist für die Menschen aus Boston ein Spinner, trotz angesehener Herkunft. Mit den Fingern zeigen sie im Hafen auf ihren Mitbürger, als er am 13. Februar 1805 an Deck seines Seglers „Favorite“ steht. Hinaus auf den Atlantik geht es und weiter mit Kurs Karibik, zur Insel Martinique. 130 Tonnen Fracht hat Tudor geladen: Eis, herausgebrochen aus einem kleinen See auf dem Landgut seiner Familie. Eis, ausgerechnet, welch flüchtige Ware, und die will er in den Tropen verkaufen. Für die Bostoner hört es sich an, als plane er, Löcher aus dem Käse an den Mann zu bringen. „Kein Witz“, titelt die „Boston Gazette“ an dem Tag und sagt Tudor peinliches Scheitern voraus. Und so kommt es auch.
Nach der zweiwöchigen Fahrt ist zwar ein Großteil des Eises noch erhalten, doch der Verkauf der Blöcke gestaltet sich zäh. Nur 16 Cent pro Pfund kann Tudor erzielen, und nachdem der Laderaum erst mal geöffnet ist, setzt das große Schmelzen ein, bald ist nichts mehr übrig. Das Eis ist weg und mit ihm 4000 Dollar. Dabei hatte die Idee ihn doch retten sollen, ihn, den Schulabbrecher und Universitätsschwänzer, sowie seine ganze Familie, die durch Fehlspekulationen des einst wohlhabenden Vaters in schwere Finanzprobleme geraten war. Und nun das, und die Peinlichkeiten obendrein - mit Eis in den Tropen handeln, ts, ts.
War es doch nur eine Schnapsidee, die Tudor einige Jahre zuvor mit seinem Bruder auf einer Cocktailparty ausgebrütet und an der er seither gearbeitet hatte? Auf Kuba waren sie gewesen, hatten unter der unentrinnbaren Hitze gelitten, daran, dass es keine gekühlten Getränke gab. Auf dem Fest in Boston dann, als sie ihre Gläser in der Hand hielten mit Eis aus dem gefrorenen See, schauten sie sich in die Augen, und der Geistesblitz war da: Derart eiskalte Drinks auf Kuba - damit müsste doch ein enormes Geschäft zu machen sein. Erst kürzlich hatte ein Freund der Mutter etwas Überraschendes berichtet: An der Rinde von im Winter geschlagenem Holz aus den Neuengland-Staaten, das in die Karibik ging, hatte man beim Entladen noch erkleckliche Reste von Eis und Schnee vorgefunden.
Frederics Bruder William ging auf Reklametour durch die Karibik, um dort den Eisverkauf vorzubereiten - kein leichtes Unterfangen zu jener Zeit. Die meisten Inseln waren Kolonien der europäischen Staaten, die in den napoleonischen Kriegen standen, mit wechselnden Beziehungen zu den USA. Zwischenzeitlich verhängte US-Präsident Jefferson sogar ein Handelsembargo über die Antillen. Mühsam war das Geschäft also schon gestartet, bevor es an jenem 13. Februar 1805 dann richtig losgehen - und in jenem Fehlschlag enden sollte.
Doch Frederic Tudor bleibt hartnäckig. Er ist überzeugt, dass seine Geschäftsidee ihn zum vermögenden Mann machen wird. Nötig wäre eine bessere Isolierung der Fracht unterwegs, eine Infrastruktur für die Kühlung im Zielhafen und den Weitertransport sowie effiziente Gewinnung des Eises im winterlichen Boston. Alles klingt nach Zukunftsmusik, doch auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Geist der unbegrenzten Möglichkeiten schon zu Hause in den jungen, aus nur 18 Bundesstaaten bestehenden USA.
Eine längere Krankheit wirft Tudor zurück. Versicherungen weigern sich, Garantien für die flüchtige Fracht zu übernehmen. Seine Überzeugungsarbeit bei den Schiffseignern, statt Steinen oder Sand als Ballast doch Eis aufzunehmen gegen geringe Frachtraten, fruchtet nichts. Mal sind die Winter in Boston zu warm und ohne Eisbildung, mal zu kalt, sodass zu viel Eis den Verkehr behindert. Das Stigma des Spinners ist noch da. Wer hätte da nicht aufgegeben? Eis für die Tropen, unmöglich.
Frederic Tudor macht weiter.
Trotz gut isolierter Eishäuser auf Kuba, Verträgen mit Händlern vor Ort und Dutzender Passagen dauert es noch Jahre, bis seine Frachten Gewinn abwerfen. Zum ersten Mal geschieht dies ausgerechnet in Lima, der Hauptstadt Perus. Monate sind Tudors Schiffe dorthin unterwegs, müssen das gefürchtete Kap Horn umrunden, wo alles Eis geschüttelt und gerührt wird. Dabei liegen die konkurrierenden Ernteflächen, die schneebedeckten Anden, in Lima unmittelbar vor der Haustür. Doch die snobistische Oberschicht in Lima zahlt bereitwillig für die hohe Qualität der Ware aus Neuengland. Immerhin: Ein Drittel der Menge Eis, die in Boston verpackt wird, kommt noch gefroren in Lima an.
Inzwischen hat Tudor seine Isolierung perfektioniert: Eine Mischung aus Gerberlohe (Rindenstücke, die in Gerbereien verwendet werden), Sägemehl, Heu und oben drauf mehrere Lagen Decken. Und: Die Laderäume müssen möglichst luftdicht abgeschlossen sein.
Auch die Gewinnung der Eisblöcke bei Boston nimmt industrielle Maßstäbe an: Große Seen werden von Pferdegespannen mit neu entwickelten Eispflügen gekreuzt. Die Blöcke sind genormt. Ist das Eis zu dünn, werden die Seen trotzdem beackert - nur zur Hälfte, und die Quader werden auf die andere Hälfte aufgelegt, zum gedeihlichen Eiswachstum. Tudor - längst ist er der „King of Ice“ - pachtet sich alle greifbaren Seeflächen der Umgebung. An den Ufern entstehen riesige Hallen für die Zwischenlagerung, 15 Meter hoch, 50 Meter lang. Auch die Abhängigkeit vom Wetter weiß er zu meistern. Ist der Winter mal zu warm, fahren seine Kapitäne hinaus auf den Atlantik, nach Norden, und ernten die Spitzen der Eisberge, ein riskantes Unterfangen.
Tudor schafft es, dass Eis in Massachusetts zur ersten Handelsware wird - in einem Land, das doch für Fischreichtum und ertragreiche Wälder berühmt ist. Natürlich lockt sein Geschäft, das ihm endlich das fest erwartete Vermögen beschert, Konkurrenten auf den Plan. Im Binnenverkehr, wo das Eis besonders den Fischhandel florieren lässt, kann sich mancher neben ihm etablieren. Beim großen Exportgeschäft aber kegelt er viele Mitbewerber durch kurzzeitige, gezielte Dumpingpreise aus dem Markt.
Tudor hat die Welt im Griff, kein Ziel ist zu weit für seine Schiffe. Seine Isoliertechnik und Logistik schaffen es, dass Passagen bis nach Kalkutta profitabel sind. Viereinhalb Monate sind die Schiffe dorthin unterwegs. Als die erste Ladung aus 180 Tonnen im Jahre 1833 in der Stadt am Ganges avisiert ist, machen sich die Zeitungen über den offensichtlichen Scherz noch lustig. Umso größer ist das Erstaunen, als das Eis dann wirklich ankommt. Tudor bewirkt in Indien etwas, was keinem anderen erlaubt ist: das Löschen der Ladung in den Nachtstunden, um die Schmelzverluste möglichst gering zu halten. Wenig später lutscht man auch in China, Japan und Afrika Natureis aus Boston.
Dem abendlichen gekühlten „Sundowner“-Drink der Briten im fieberheißen Kalkutta steht nun nichts mehr im Weg. Mit Eis aus Boston. Den Landsleuten in der Heimat ist dieser spezielle Genuss nicht vergönnt. Jedenfalls nicht mehr nach der Krönung Queen Victorias im Jahre 1837. Sie bevorzugt das Eis aus norwegischen Gletscherzungen und bestimmt demgemäß den britischen Eisimport. Im Vereinigten Königreich hat selbst der Eiskönig keine Chance.
Die Erfindung der Eismaschine durch Carré überlebt Tudor noch um fünf Jahre. 1864 stirbt er, der Schulabbrecher, im Alter von damals stattlichen 80 Jahren.
Die Rolle der Frau in der Technik: Nancy Johnson als Vorreiterin
Nancy Maria Donaldson Johnson begann als Hausfrau und wurde später eine erfolgreiche Erfinderin. Zu dieser Zeit hatten Männer praktisch jeden Aspekt des Lebens von Frauen unter Kontrolle: Finanzen, rechtliche Vereinbarungen und das Recht, Eigentum zu besitzen. Mit ihrer Innovation stellte Nancy Johnson diese Normen in Frage und begann, Barrieren niederzureißen. 1843 meldete Nancy Johnson das 1. Patent für eine Maschine zur Herstellung von Speiseeis an, womit sie entscheidend zur Verbreitung von Eiscreme beitrug.
Funktionsweise und Auswirkungen der Johnson-Eismaschine
Durch ihre Erfindung wurde die Herstellung von Speiseeis so sehr vereinfacht, dass jeder selbst zu Hause Eiscreme in hoher Qualität herstellen konnte. Optisch erinnerte das kleine, tonnenartige Gerät an ein Butterfass. Die Funktionsweise war recht einfach: Um die Eismasse herunterzukühlen, kam eine Mischung aus Salz und Eis zum Einsatz. Der Rührarm, mit dem die Eiscrememasse in Bewegung gehalten wurde, war mit einer Handkurbel versehen. Da es noch keine elektrisch betriebenen Kühlgeräte gab und nicht jeder Haushalt über einen „Eisschrank“ (s. Abbildung unten) verfügte, waren die mit der Maschine produzierten Portionen für den sofortigen Verzehr bestimmt. Eiscreme oder Sorbet hielten sich bis zu 30 Minuten in der Eismaschine.
Kommerzialisierung und Demokratisierung des Eises
Durch Johnsons Erfindung konnten Eisdielen ihre Eiscreme effizienter und damit auch günstiger herstellen, was sich auch auf den Preis niederschlug. Jetzt konnte sich jeder das leckere Dessert leisten, was vorher den Reichen vorbehalten war.
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