Demenzursachen: Zusammenhang zwischen Zucker und Demenzrisiko
Ein hoher Zuckerkonsum ist nicht nur ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes, sondern kann auch das Gehirn schädigen und das Demenzrisiko erhöhen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung weisen darauf hin, dass Zucker zu den neurotoxischen Substanzen zählt.
Zucker als neurotoxische Substanz und Risikofaktor für vaskuläre Demenz
Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein erhöhtes Risiko haben, an vaskulärer Demenz zu erkranken. Zucker kann Gefäße im Gehirn verstopfen und so die Durchblutung verschlechtern. Statistisch gesehen erkranken Menschen mit Diabetes zwei Jahre früher an Demenz als der Durchschnitt der Bevölkerung. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein hoher Zuckerkonsum selbst dann das Demenzrisiko erhöht, wenn keine Diabeteserkrankung besteht. Die Fachgesellschaften sehen die Ursache in der neurotoxischen Wirkung des Zuckers, der zu Entzündungen und oxidativem Stress im Gehirn führt.
Die Auswirkungen von Zucker auf die kognitive Leistungsfähigkeit
Ein zu hoher Zuckerkonsum ist schädlich für die kognitive Leistungsfähigkeit. Ärzte empfehlen daher, neben körperlicher Aktivität und der Vermeidung von Übergewicht, einen maßvollen Umgang mit zuckerhaltigen Lebensmitteln, um das eigene Demenzrisiko zu senken.
Die Fachverbände fordern weiterhin die Einführung einer Zuckersteuer nach dem Vorbild von Großbritannien, wo Getränke mit hohem Zuckergehalt höher besteuert werden als Getränke mit weniger Zucker, was sich auf den Verkaufspreis auswirkt. Solche Maßnahmen werden auch in Deutschland seit einigen Jahren diskutiert, wurden aber bisher nicht umgesetzt. Der Pro-Kopf-Zuckerkonsum liegt hierzulande nach wie vor bei etwa 33 Kilogramm pro Jahr, was von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kritisiert wird. Die Anzahl der Menschen mit Übergewicht sowie Fettleibigkeit steigt in Deutschland seit Jahren, ebenso wie der Anteil der Diabetes-Erkrankungen, für die Fettleibigkeit einer der Haupt-Risikofaktoren ist.
Studienergebnisse zum Zusammenhang zwischen Blutzuckerspiegel und Demenzrisiko
Studien haben bereits gezeigt, dass Diabetes die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine Demenz zu entwickeln. Paul K. Crane von der University of Washington und seine Kollegen widmeten sich dieser Frage und veröffentlichten ihre Ergebnisse 2013 in der Fachzeitschrift The New England Journal of Medicine. Sie untersuchten, wie der Blutzuckerspiegel die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, eine Demenzerkrankung zu entwickeln. Dazu werteten sie Daten von 2.067 Frauen und Männern aus, die zu Studienbeginn 65 Jahre oder älter waren und keine Demenz-Diagnose hatten, darunter 232 Diabetiker.
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Die Forscher analysierten über 35.200 Blutzucker- und über 10.200 HbA1c-Messungen und untersuchten die Entwicklung des geistigen Zustands der Teilnehmenden mittels eines etablierten Demenz-Testverfahrens. Im Laufe der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 6,8 Jahren entwickelten 524 der 2.067 Teilnehmenden eine Demenz. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass bei den Personen ohne Diabetes ein höherer durchschnittlicher Blutzuckerspiegel in den vorangegangenen fünf Jahren mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden war, wobei das Risiko mit zunehmendem Blutzuckerspiegel stieg.
Die Ergebnisse zeigen, dass erhöhte Blutzuckerspiegel ein eigenständiger Risikofaktor für Demenz sind - unabhängig davon, ob bereits ein Diabetes vorliegt oder nicht. Die Autoren schlussfolgerten, dass höhere Glukosespiegel schädliche Auswirkungen auf das alternde Gehirn haben können.
Präventionsmaßnahmen zur Gesunderhaltung des Gehirns
Zu den wichtigen Präventionsmaßnahmen zur Gesunderhaltung des Gehirns zählen ein gesunder, aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung und Schlaf sowie die Vermeidung von schädlichen Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder anderer Drogen und Schadstoffe. Auch Zucker zählt zu den „neurotoxischen“ Substanzen, und der Zuckerkonsum in Deutschland ist zu hoch.
Der Zucker-Pro-Kopf-Verbrauch lag 2021/22 bei 33,2 Kilogramm und damit nahezu doppelt so hoch wie empfohlen. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) sollten maximal zehn Prozent der Energie aus Zucker stammen, was bei 2.000 Kilokalorien (durchschnittlicher Kalorienbedarf pro Tag) 50 Gramm pro Tag, also 18 Kilogramm im Jahr entspricht. Dazu zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene in Früchten, Honig oder Säften.
Wie Zucker das Gehirn schädigt
Hohe Blutzuckerspiegel schädigen die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden, die die Gefäße verengen und die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen drosseln. Dies kann zu verschiedenen Einschränkungen führen - je nachdem, welcher Teil des Gehirns „unterversorgt“ ist - und am Ende sogar eine vaskuläre Demenz nach sich ziehen. Die vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Form die häufigste Ursache einer Demenz. In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer gefäßbedingten Demenz.
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Komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, können auch direkt die Kognition einschränken. Sie beeinträchtigen die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, und somit die neuronale Plastizität. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern, eine wichtige Eigenschaft für die kognitive Entwicklung und das Lernen. Experimentelle Daten, die auf dem Kongress der „American Chemical Society“ vorgestellt wurden, zeigten dies.
Zudem gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn via Diabetes mellitus. Der Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz ist evident. Es ist jedoch unklar, warum die Stoffwechselerkrankung das Vergessen begünstigt und ob und welche antidiabetische Therapie auch den kognitiven Defiziten vorbeugen könnte.
Diabetes und Demenz: Ein Teufelskreis
Seit den 1990er-Jahren ist aus der Rotterdam-Studie bekannt, dass Menschen mit Diabetes circa doppelt so häufig eine Demenz entwickeln wie Menschen ohne. In den letzten Jahren wurde intensiv an den Ursachen dieser Häufung geforscht, eine einzelne, einheitliche kausale Ursache findet sich jedoch nicht. Dennoch gibt es etliche Ansatzpunkte, um das individuelle Risiko für Diabetespatienten zu reduzieren.
Demenz ist ein Oberbegriff für Krankheitsbilder, die durch den progredienten Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet sind. In späteren Krankheitsstadien kommt es dann in der Folge zum Rückgang der Alltagskompetenz und zu einem Persönlichkeitszerfall. Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, ist bei Menschen mit Diabetes circa 1,5-fach erhöht. Insbesondere der Typ-2-Diabetes ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung vaskulärer Demenzen assoziiert. Der Verlust von kognitiven Fähigkeiten bei einer Demenz bewirkt rasch den Verlust von Autonomie, auch beim Management der chronischen Krankheit Diabetes.
Erschwerte Behandlung von Diabetes bei Demenz
Kognitive Fähigkeiten sind im Bereich des Diabetes-Selbstmanagements wichtig; ihr Nachlassen macht bei Menschen mit Demenz und Diabetes die Behandlung schwierig und erhöht die Risiken, wie beispielsweise das Auftreten von Hypoglykämien. In Deutschland leben derzeit circa 1,7 Millionen Menschen mit Demenz; als progrediente Erkrankung führt diese im Mittel 6-8 Jahre nach Diagnosestellung zum Tod, oft durch das Auftreten von Aspirationspneumonien bei demenzbedingter Dysphagie.
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Circa 15 % der Demenzkranken leiden unter einer vaskulären Demenz, bei der in der Bildgebung größere und kleinere Infarkte, eine zerebrale Mikroangiopathie oder lakunäre Insulte nachgewiesen werden können. Weitere 15 % zeigen ein gemischtes Bild aus primär degenerativer Demenz vom Alzheimer-Typ plus zusätzlicher vaskulärer Läsionen. Für dieses Drittel an Demenzerkrankungen gibt es recht klare Zusammenhänge mit der Qualität der Diabetesbehandlung, insbesondere mit den Komponenten des metabolischen Syndroms.
Frauen mit Diabetes haben ein 2,3-fach und Männer ein 1,7-fach erhöhtes Risiko, eine vaskuläre Demenz zu entwickeln. Betrachtet man die einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms, so finden sich verschiedene Einflussfaktoren zur Demenzentwicklung.
Eine Arbeit zeigte, dass sowohl die Hyperlipidämie als auch die Hypertonie einen Einfluss auf die Demenzentwicklung haben, der stärkste Effekt jedoch dem Typ-2-Diabetes zuzuschreiben ist.
Alzheimer-Demenz und der Einfluss von Glukosestoffwechsel
Unter den primär degenerativen Demenzen spielt die Demenz vom Alzheimer-Typ mit einem Anteil von circa 60 % die größte Rolle. Bei dieser Demenzform sind vaskuläre Ursachen untergeordnet. Es kommt zu Veränderungen des zerebralen Glukosestoffwechsels, Ablagerung von Beta-Amyloid und Neurofibrillen und letztlich zur Zerstörung von Neuronen; dies ist besonders ausgeprägt im Hippocampus, einem wichtigen Areal für das Gedächtnis. Viele Zusammenhänge zum Diabetes sind dabei entdeckt worden, eine monokausale Ursache jedoch noch nicht. Der zerebrale Glukosestoffwechsel scheint bereits früh bei der Alzheimer-Demenz verändert zu sein.
Eine periphere Insulinresistenz scheint auch mit einer zerebralen Insulinresistenz verbunden zu sein. Die kognitive Leistung kann bei nichtdiabetischen Probanden, vermutlich auch bei Menschen mit Diabetes durch nasale Gabe von Insulin verbessert werden. Einzelne Studien haben für bestimmte diabetische Behandlungsregimes eine protektive Wirkung in Hinblick auf die Demenzentwicklung gezeigt.
So konnte für die Therapie mit Pioglitazon, aber auch für die mit Metformin ein gewisser protektiver Effekt hinsichtlich der Demenzentwicklung gezeigt werden. Andere Arbeitsgruppen kamen hingegen zu differierenden Ergebnissen. Eine systematische Auswertung der Cochrane Collaboration fand keinerlei Abhängigkeit der Demenzentwicklung von der Art der Diabetesbehandlung.
Individualisierte Zielwerte bei Diabetes und Demenz
Chronisch erhöhte Blutzuckerwerte gehen mit einer Verschlechterung der kognitiven Leistung einher. Dies gilt bereits für leicht erhöhte Werte, sogar noch vor der eigentlichen Diabetesdiagnose. Je höher die durchschnittlichen Blutzuckerwerte bereits im mittleren Lebensalter sind, desto höher ist das spätere Demenzrisiko. Außerdem gilt, dass deutliche Unterzuckerungen einen Risikofaktor für Demenzen darstellen. In den letzten Jahren konnte mehrfach gezeigt werden, dass schwere Hypoglykämien das spätere Auftreten von Demenzen fördern. Drei und mehr schwere Hypoglykämien verdoppeln das spätere Demenzrisiko, wie schon 2009 gezeigt worden ist. In einer prospektiven Studie wurde dies über die Zeitdauer von 12 Jahren bestätigt.
Lebensstilfaktoren und Demenzentwicklung
Eine Metaanalyse ergab, dass fehlende Bewegung einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Demenzentwicklung ist und von den Lifestyle-Maßnahmen her allein jede 5. Demenz erklären kann. Auch das Vorliegen von Depression, niedrigem Bildungsgrad oder Rauchen ist mit der Demenzentwicklung assoziiert. Defizite in der Kognition oder der Exekutive können die Diabetesselbstbehandlung beeinträchtigen und Menschen mit Diabetes gefährden.
Einerseits führt Diabetes zu einem häufigeren Auftreten von Demenz, andererseits führt das Vorliegen von Demenz häufiger zu Therapieproblemen wie Unterzuckerungen. Dieser Zusammenhang ist geradezu ein „Teufelskreis“, bei dem sich die Probleme gegenseitig verstärken. Die Zielwerte der Diabetesbehandlung müssen bei Menschen mit Demenz sehr individualisiert gesetzt werden. Vermutlich sind diese Zielwerte für den Blutglukosespiegel im Hinblick auf den Gesamtnutzen deutlich höher anzusiedeln.
Demenzprävention bei Diabetes
Bedingt durch die letztlich noch unklare, sicher multifaktorielle Genese der Demenzen sollten Menschen mit Diabetes über ihr erhöhtes Risiko, aber auch über sinnvolle Maßnahmen zur Demenzprävention informiert werden. Während sich ein geringes Ausbildungsniveau als Risikofaktor nicht beeinflussen lässt, gibt es eine Reihe von anderen Bedingungen, die man ändern beziehungsweise behandeln kann.
Dazu zählen:
- Diabetes mellitus
- Übergewicht
- Hypertonie
- Depression
- Bewegungsmangel
- Rauchen
Soziale Aktivitäten mit Freunden oder in Gruppen sind gut für die Seele und das Gehirn.
Milchzucker und Neurodegeneration
Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) haben herausgefunden, dass eine zuckerarme Ernährung auch unabhängig vom Blutzuckerspiegel positive Auswirkungen auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns haben könnte. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere Milchzucker die Neurodegeneration des Gehirns beschleunigen kann.
Ausgangsbasis für die wissenschaftliche Arbeit war die Untersuchung der Auswirkung von Milchzucker auf das Gehirn bei Autoimmunerkrankungen, etwa bei der Multiplen Sklerose (MS). Die Forscher stellten fest, dass sich Milchzucker an Eiweiße anlagert und auf diese Weise die Isolierschicht von Zellen verändert, was zu einer schnelleren Abnutzung und Alterung von Gehirnzellen führt. Derartige Prozesse können einer Demenz wie der Alzheimer-Erkrankung den Weg bereiten.
Die Rolle von Zucker im Gehirn
Das Gehirn benötigt Zucker, um Leistung zu erbringen und zu funktionieren. Glukose in Form von Traubenzucker ist ein exzellenter Energielieferant. Das Gehirn beansprucht im Normalbetrieb etwa 75 Prozent der in allen Körperzellen verbrauchten Glukose. Es gilt also, den gesunden Mittelweg zu finden, um den Zuckerhaushalt konstant zu halten und nicht zu unterzuckern, um die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.
Ein Zuviel an Zucker kann nicht nur Herz, Leber und andere Organe schädigen, sondern eben auch das Gehirn.
Polysialinsäure als Schutz vor Neurodegeneration
Ein Forschungsteam vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat herausgefunden, dass die körpereigene Zuckerverbindung Polysialinsäure (PolySia) gegen neurodegenerative Prozesse helfen könnte. Die Forschenden untersuchen nun, wie sich PolySia nutzen lässt, um gezielt der neurodegenerativen Erkrankungen wie etwa der Demenz entgegenzuwirken.
Im Gehirn wirkt PolySia auch im Hippocampus und dem präfrontalen Kortex. In diesen Gehirnbereichen ist das Zuckerpolymer wesentlich an der Regulation der Weitergabe von Informationen von einem Nerven zum nächsten beteiligt. PolySia sorgt dafür, dass die Botenstoffe an die richtigen Bindungsstellen im Zentrum der Synapse andocken. Mit höherem Lebensalter nimmt die Konzentration an PolySia im Gehirn ab.
In Voruntersuchungen konnte das Forschungsteam bereits am Mausmodell für Alzheimer-Erkrankung zeigen, dass kurzkettige PolySia einer ganz bestimmten Länge die Gehirnleistung steigern konnte.
Mikroglia und Glukoseaufnahme im Gehirn
Untersuchungen des DZNE, der LMU München und des LMU Klinikum München haben ergeben, dass Mikroglia große Mengen an Zucker aufnehmen, was notwendig zu sein scheint, um eine akute, sehr energieaufwändige Abwehrreaktion zu ermöglichen. Diese kann zum Beispiel gegen krankheitsbedingte Proteinaggregate gerichtet sein. Die Ergebnisse sind von Bedeutung für die Interpretation von Hirnscans, die die Verteilung von Glukose im Gehirn darstellen.
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