Wie wurde früher Marmelade hergestellt? Ein Blick in die Geschichte und traditionelle Rezepte

Wer schon einmal Marmelade selbst eingekocht hat, weiß, dass der süße Aufstrich selbstgemacht am besten schmeckt. Doch wie wurde Marmelade eigentlich früher hergestellt, bevor es Gelierzucker und industrielle Fertigung gab? Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Geschichte der Marmelade und traditionelle Rezepte.

Marmelade, Konfitüre, Gelee - Wo liegt der Unterschied?

Bevor wir uns der historischen Herstellung zuwenden, klären wir kurz die Begrifflichkeiten. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Marmelade, Konfitüre und Gelee oft synonym verwendet. Rein rechtlich ist die Sache jedoch klar geregelt:

  • Gelee wird aus Fruchtsaft hergestellt.
  • Konfitüre wird hingegen aus ganzen Früchten, Fruchtfleisch oder Fruchtmark eingekocht. Konfitüren besitzen kleine Fruchtstücke, was bei Marmeladen nicht der Fall ist. Marmeladen werden nach dem Kochen noch durch ein Sieb gestrichen.
  • Marmelade dürfen nur noch Konfitüren heißen, die aus Zitrusfrüchten hergestellt sind.

Dennoch hat sich in Deutschland und Österreich „Marmelade“ als Alltagsbegriff für sämtliche Fruchtaufstriche durchgesetzt - ob aus Erdbeeren, Aprikosen oder Zwetschgen.

Die Geschichte der Marmelade: Von der Antike bis heute

Die ersten süßen Brotaufstriche gab es bereits in der Zeit des Römischen Reiches. Bei Ausgrabungen in Italien fanden Archäologen Anfang des 20. Jahrhunderts Reste von Pflaumenmus in alten Tongefäßen. Das Mus wurde damals mit Zuckerrohr vermischt.

Laut der kanadischen Journalistin Sarah B. gelangte Zuckerrohr zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert von Südostasien nach Persien. Die Sassaniden gelten als eine der ersten Kulturen, die Zucker in größerem Umfang kultivierten. Mit den Kreuzzügen gelangte Zucker ins mittelalterliche Europa - als teures Luxusgut. Nur Wohlhabende konnten sich in Zucker eingekochte Früchte leisten. Marmelade avancierte zum Statussymbol. König Ludwig XIV. ließ in Versailles edle Marmeladen aus den Gärten des Schlosses servieren. Auch Englands Königin Victoria liebte süße Fruchtaufstriche: Ohne ihre Erdbeermarmelade wäre der berühmte Victoria Sponge Cake kaum denkbar.

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Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieb Zucker in Europa kaum erschwinglich. Die meisten Menschen stellten marmeladenähnliches Eingemachtes ohne Zucker her.

Die berühmte schottische Orangenmarmelade entstand übrigens durch einen Zufall: Ein geschäftstüchtiger Kaufmann erwarb Ende des 18. Jahrhunderts in Dundee eine Schiffsladung Bitterorangen. Die Früchte waren roh nicht genießbar. Deshalb kochte sie die Ehefrau des Kaufmanns mit viel Zucker ein. Noch heute gehört die schottische Bitterorangenmarmelade zu den beliebtesten und bekanntesten Marmeladen der Welt. Die industrielle Produktion von Bitterorangenmarmelade begann in Schottland bereits 1797.

In Deutschland gab es die erste industriell hergestellte Marmelade zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu kaufen. Parallel dazu war im deutschsprachigen Raum das Einkochen von Gartenfrüchten eine notwendige Tätigkeit der Hausfrauen. Mithilfe eines sogenannten Einkochtopfes wurden im Haushalt aus Gartenfrüchten Marmeladen, Konfitüren und Gelees zubereitet und in Gläser abgefüllt. Die Aufstriche dienten der Bevorratung für die lange Winterzeit. Noch bis in die 1980er Jahre gab es die Tradition des Einkochens in vielen deutschen Haushalten. Heute erleben selbst zubereitete Marmeladen und Gelees ein Comeback.

Die Herstellung von Marmelade ohne Gelierzucker: Traditionelle Methoden

Früher, als Gelierzucker noch nicht erfunden war, behalf man sich anderer Methoden, um die Marmelade haltbar und streichfähig zu machen:

  • Längeres Einkochen: Durch langes Kochen wurde der Wassergehalt der Früchte reduziert, wodurch die Marmelade eindickte und haltbarer wurde. Allerdings konnte dies auch zu einem Verlust von Farbe und Aroma führen. Es gehörte Erfahrung dazu, sonst wurde die Marmelade zu dünn oder, wenn alles enthaltene Wasser verdampft war, Syrup.
  • Verwendung pektinhaltiger Früchte: Pektin ist ein natürliches Geliermittel, das vor allem in Äpfeln, Quitten und Johannisbeeren vorkommt. Durch die Zugabe dieser Früchte konnte die Gelierfähigkeit der Marmelade verbessert werden. Aus pektinhaltigen Früchten wie Äpfeln, Quitten oder Johannisbeeren konnte man Gelees kochen.
  • Zugabe von Säure: Säure, beispielsweise in Form von Zitronensaft, hilft ebenfalls beim Gelieren und konserviert die Marmelade zusätzlich.
  • Honig als Süßungsmittel: Anstelle von Zucker wurde oft Honig zum Süßen verwendet. Honig hat zudem eine konservierende Wirkung.
  • Konservierung durch Schmalz: Das heiße Pflaumenmus wurde in einen sauberen Steingut- oder Steinzeugtopf gefüllt. Dann wurde sauberes, ungesalzenes, ungewürztes Schweineschmalz drübergegiessen (heiss natuerlich). Wenn das Schmalz fest wird, schliesst es das Pflaumenmus erfolgreich von jeglicher Luftzufuhr ab. Dann in einen kuehlen Keller stellen. Haelt sich mindestens ein Jahr. Vor dem Verzehr des Pflaumenmuses nur das Schmalz abheben. Es vermischt sich nicht mit dem Mus. Man kann es sogar nach Abspuelen der Musreste noch weiterverwenden.

Traditionelle Marmeladenrezepte

Hier sind einige Beispiele für traditionelle Marmeladenrezepte, die ohne Gelierzucker auskommen:

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Pflaumenmus (Latwerge)

Im Mittelhochdeutschen gibt es schon das Wort "latwerge" als Synonym für etwas Breiiges, Vermengtes, Verkochtes, Vermischtes, Klebriges. In manchen Dialekten wird Zwetschgen- oder Pflaumenmuß "Latwersch" gennant.

Zutaten:

  • 1 kg Pflaumen
  • 200-300 g Zucker (je nach Süße der Pflaumen)
  • Gewürze nach Geschmack (z.B. Zimt, Nelken, Sternanis)

Zubereitung:

  1. Pflaumen entsteinen, klein schneiden und mit Zucker vermischen.
  2. Über Nacht ziehen lassen, dann in einen Topf geben und aufkochen.
  3. Temperatur reduzieren, dass es nur noch schwach köchelt.
  4. Anschließend zwei bis drei Stunden abkühlen lassen. Sobald das Mus fest wird, die Gewürze unterrühren.
  5. Heiß in saubere Schraubgläser füllen.

Apfelmus

Zutaten:

  • 1 kg Äpfel
  • 100-200 ml Wasser
  • Zucker oder Honig nach Geschmack
  • Zitronensaft
  • Zimt

Zubereitung:

  1. Äpfel schälen, entkernen und in Stücke schneiden.
  2. Mit Wasser, Zitronensaft und Zimt in einen Topf geben und weich kochen.
  3. Mit einem Kartoffelstampfer oder Pürierstab zu Mus verarbeiten.
  4. Mit Zucker oder Honig abschmecken und nochmals kurz aufkochen.
  5. Heiß in saubere Gläser füllen.

Quittengelee

Aus pektinhaltigen Früchten wie Äpfeln, Quitten oder Johannisbeeren konnte man Gelees kochen.

Zutaten:

  • 1 kg Quitten
  • Wasser
  • Zucker (etwa 750 g pro Liter Saft)
  • Zitronensaft

Zubereitung:

  1. Quitten waschen, vierteln und mit Wasser bedecken.
  2. Weich kochen, dann durch ein Tuch oder eine Mullwindel abseihen. Den Saft auffangen.
  3. Den Saft abmessen und mit der entsprechenden Menge Zucker und etwas Zitronensaft in einen Topf geben.
  4. Aufkochen und so lange kochen lassen, bis die Gelierprobe gelingt (ein Tropfen auf einen kalten Teller geben, er sollte fest werden).
  5. Heiß in saubere Gläser füllen.

Tipps für die Herstellung haltbarer Marmelade

Damit die selbstgemachte Marmelade auch ohne Gelierzucker lange hält, sind folgende Punkte wichtig:

  • Hygiene: Saubere Gläser und Küchenutensilien sind unerlässlich, um Schimmelbildung zu vermeiden. Die Gläser mit kochendem Wasser ausspülen und die Deckel gut abtrocknen.
  • Richtiges Einkochen: Die Marmelade muss sprudelnd kochen, um alle Bakterien abzutöten. Die Kochzeit sollte jedoch nicht zu lange sein, da sonst Farbe und Aroma verloren gehen. Marmelade immer nur wenige Minuten (ca. 5 bis 10 Min.) sprudelnd kochen. Nur durch eine kurze Kochzeit bleiben Farbe und Aroma erhalten. Wenn sich ein Schaum bildet, diesen bitte abschöpfen.
  • Heiß Abfüllen: Die Marmelade muss kochend heiß in die Gläser gefüllt werden.
  • Lagerung: Die Gläser kühl und dunkel lagern, z.B. im Keller oder in der Vorratskammer.

Marmelade kalt anrühren

Zwischen frisch naschen und totkochen gibt es noch eine andere Möglichkeit, die Fruchtschwemme im Sommer in vollen Zügen auszukosten: kalt anrühren. Diese Variante der Zubereitung erhält sowohl sämtliche Nährstoffe als auch den vollen Geschmack der reifen Früchte. Lange haltbar sind solche Fruchtaufstriche allerdings nicht. Sie halten im Kühlschrank nur etwa zwei bis drei Wochen. Das Einfrieren lässt die Früchte nach dem Auftauen zwar unansehnlich matschig werden, aber es schadet ihrem Geschmack nicht. Da die Beeren und Aprikosen sowieso püriert werden, ist es völlig egal, wie sie aussehen. Für die kalt gerührte Marmelade braucht man zum Haltbarmachen nicht diese kleinen Beutel aus dem Supermarkt, die für Fruchtaufstriche ohne Kochen angeboten werden. Die bestehen zu 96 Prozent aus Zucker, den man letztendlich sehr teuer bezahlt, und liefern neben dem Geliermittel noch unnötige Konservierungsstoffe mit. Das geht einfacher und günstiger, indem man das natürliche Verdickungsmittel Johannisbrotkernmehl nutzt und soviel Zucker, wie man mag. Auch die oft angepriesene Variante mit Chiasamen kann da nicht mithalten, einfach weil diese krümeligen Samen kein schönes Mundgefühl ergeben. Die geputzten Früchte werden einfach mit der gewünschten Menge Zucker, dem Johannisbrotkernmehl und etwas Zitronensäure püriert. Fertig ist eine Fruchtmarmelade mit Megageschmack. Achtung, ganz wichtig: unbedingt Zitronensaft oder Zitronensäure dazugeben. Sonst schmeckt der Aufstrich nur belanglos flach. Die Säure intensiviert den Geschmack. Der Fruchtaufstrich dickt nach dem Pürieren noch etwas nach. Man kann die fertig abgefüllte Marmelade auch einfrieren. Um den vollen Geschmack und die komplette Bandbreite der Nährstoffe zu genießen, kann man Erdbeermarmelade kalt anrühren. Marmelade, ohne die Früchte zu kochen.

Wenn man anstelle von Johannisbrotkernmehl den Ballaststoff Xanthan nimmt, wird aus dem gelartigen Fruchtaufstrich eine leichte Fruchtmousse. Die finde ich auf Frischkäse unwiderstehlich oder als Tortenfüllung. Xanthan wird genauso wie Johannisbrotkernmehl verwendet. Nur braucht man weniger davon, und es macht die Masse direkt beim Pürieren fest. Deshalb ist es bei Xanthan besonders wichtig, dass das feine Pulver mit Puderzucker gut vermischt wird, bevor man es unter die pürierten Früchte rührt. Zugegeben, Xanthan klingt abschreckend chemisch und ist anders als Johannisbrotkernmehl tatsächlich kein natürlicher Stoff, sondern bakteriell hergestellt. Aber man kann es bedenkenlos nutzen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, die oben genannten Rezepte auch für andere Früchte zu nutzen. Bei manchen Früchten empfiehlt es sich allerdings, die einzelnen Zutaten etwas anzupassen. Säuerliche Johannisbeeren zum Beispiel brauchen etwas mehr Zucker. Stachelbeeren kommen mit einem Viertel weniger Verdickungsmittel aus, weil sie selbst viel Pektin enthalten. Süße, vollreife Aprikosen dagegen brauchen ein kleines bisschen mehr Säure. Ich verarbeite Stachelbeeren und Aprikosen mitsamt der Haut. Da die Haut der Stachelbeeren etwas fester ist, muss etwas länger püriert werden, um sie in kleine Stücke zu zerteilen. Manche mögen die vielen kleinen Samenkörnchen der Johannisbeeren oder Himbeeren nicht. Hier hilft nur, die Früchte zu pürieren und durch ein Sieb zu streichen, bevor Zucker und Verdickungsmittel dazu kommen. So gesund sind Heidelbeeren, Johannisbeeren und Co. Vielen Beeren wird eine antioxidative Wirkung zugeschrieben, die zum Beispiel bei Diabetes helfen soll. Aber stimmt das?

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