Lecithin in Schokolade: Verwendung, Wirkung und Alternativen
Schokolade ist eine der beliebtesten Süßigkeiten überhaupt und gleichzeitig ein komplexes Forschungsobjekt. Wissenschaftler untersuchen die süße Versuchung mit modernsten Methoden, von Hightech-Röntgen bis hin zur hochauflösenden Simulation. Ein wichtiger Aspekt bei der Herstellung von Schokolade ist die Verwendung von Lecithin, insbesondere Sojalecithin. Dieser Artikel beleuchtet die Rolle von Lecithin in Schokolade, seine Wirkungsweise, mögliche gesundheitliche Auswirkungen und existierende Alternativen.
Was ist Lecithin?
Lecithin ist ein natürlicher Bestandteil der Zellmembranen von pflanzlichen und tierischen Zellen und somit wichtig für die Zellfunktion. Aufgrund seiner chemischen Struktur, die sowohl fett- als auch wasserlösliche Eigenschaften aufweist, zählt es zu den Emulgatoren. Emulgatoren ermöglichen es, beispielsweise Öl in einer wässrigen Lösung zu suspendieren, also als kleine Tröpfchen zu verteilen. Diese Eigenschaft wird in der Lebensmittel-, Futtermittel- und Kosmetikindustrie genutzt, um verschiedene Inhaltsstoffe besser zu vermischen und einer Entmischung vorzubeugen.
Unter dem Begriff Lecithin werden in Wirklichkeit mehrere sehr ähnliche Phospholipide zusammengefasst. Phospholipide sind wichtige Bestandteile der Zellmembran und setzen sich aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und einem weiteren variablen Bestandteil zusammen. Zu den Phospholipiden zählen neben Phosphatidylcholin z. B. Phosphatidsäure und Phosphatidylethanolamin. All diese Substanzen kommen im Körper vor und finden sich auch in Lecithin-haltigen Lebensmitteln. Phosphatidylcholin ist insgesamt das häufigste Phospholipid. Manchmal wird Lecithin auch als Synonym für das Phospholipid Phosphatidylcholin verwendet, was aber nicht korrekt ist.
Reichhaltige Quellen für Lecithin sind Eigelb (ca. 250 mg Lecithin pro großem Eigelb) sowie Sojabohnen, Sonnenblumenkerne und Raps. In geringeren Gehalten kommt Lecithin auch in vielen anderen pflanzlichen Produkten wie grünem Gemüse und Kartoffeln vor. Zusätzlich zum natürlichen Vorkommen findet man Lecithin auch als Zusatzstoff in zahlreichen Fertiglebensmitteln.
Die Rolle von Lecithin in der Schokoladenherstellung
Entscheidend für das typisch schmelzende Mundgefühl der Schokolade ist das Conchieren. Dabei wird die Mischung aus Kakao, Zucker und je nach Sorte weiteren Gewürzen und Milchpulver auf 70 bis 82 Grad erwärmt und mechanisch zerrieben und gerührt. „Die flüssige Schokolade besteht aus einer wasserabweisenden flüssigen Phase aus Kakaobutter und darin gelösten Partikeln aus Zucker und Kakao“, erklären Heiko Briesen und seine Kollegen von der Technischen Universität München. Damit diese Partikel in Lösung bleiben und nicht verklumpen, kommt am Ende des Conchierens pflanzliches Lecithin dazu.
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Lecithin wird in der Schokoladenherstellung hauptsächlich als Emulgator eingesetzt. Es verbessert die Fließfähigkeit der Schokoladenmasse und verhindert das Absetzen von Kakaobutter. Dies führt zu einer homogeneren Textur und einem zarten Schmelzgefühl im Mund.
Wirkungsweise auf molekularer Ebene
„Es gibt viele Hypothesen, wie das Lecithin bei der Schokoladenherstellung wirkt“, so Briesen. So scheint das Lecithin die Oberfläche der Zuckerpartikel zu glätten und erleichtert es ihnen so, aneinander vorbei zu gleiten. Das macht die Masse weicher und fließfähiger.
Um das zu klären, haben Briesen und seine Kollegen nun eine molekulardynamische Simulation eingesetzt. Diese Modellierungen bilden die Wechselwirkungen von Atomen und Molekülen auf Basis chemischer und physikalischer Gesetze nach. Um der Lecithinwirkung auf die Spur zu kommen, konzentrierten sich die Forscher auf einen entscheidenden Schritt: die Bindung des Lecithins an Zuckermoleküle. Wie sich zeigte, bindet das Lecithin sozusagen Kopf voran an die Saccharose. Dabei wird der Kopf so weit absorbiert, dass er komplett in einer Senke der Zuckerpartikel verschwindet - und das ist auch das Geheimnis der Lecithinwirkung. „Indem die Lecithinmoleküle an die Saccharose-Oberfläche anlagern, minimieren sie die Interaktion ihres hydrophilen Kopfes mit der hydrophoben Kakaobutter“, erklären die Forscher.
Nicht jedes Lecithin bindet beim Conchieren gleich gut an die Zuckerpartikel. Je nach Varianten bildeten die Köpfe der Phospholipide nur drei bis vier Bindungen zur Saccharose oder aber sogar bis zu sechs Bindungen. Die Simulation zeigte damit auch, warum das Lecithin Phosphatidylcholin (PC) als besonders gut geeignet für die Conchierung gilt: Dieses Molekül gehörte zu denen, deren Köpfe vier- bis sechsfach am Zucker verankert waren - entsprechend gut haftet es. Das kleinste Lecithin, Phosphatidylinositol (PI), erwies sich in der Simulation sogar als noch anhänglicher - es war ebenfalls über sechs Bindungen verankert, haftete aber noch stärker als PC.
Nach Ansicht der Forscher könnten diese Erkenntnisse über die Unterschiede der verschiedenen Lecithinvarianten wertvolle Informationen für die Schokoladenherstellung liefern. Denn statt nach dem Prinzip Versuch und Irrtum vorzugehen, können die Hersteller nun gezielt das Lecithin auswählen, das die für sie günstigsten Eigenschaften besitzt.
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Forschungsergebnisse zu verschiedenen Lecithinarten
Rheologische Untersuchungen an Zucker/Öl‐ und Glaskugel/Öl‐Suspensionen verdeutlichen den Einfluss der Suspensionsbestandteile auf die Wirkung von Lecithin in ölbasierten Suspensionen. Sedimentationsanalysen an Zucker/Öl‐Suspensionen zeigen, dass die Reduktion der rheologischen Parameter mit der Senkung des Sedimentvolumens und einer verstärkt polydispersen Sedimentation einhergeht. Glaskugel/Öl‐Suspensionen bilden im Vergleich zu Zucker/Öl‐Suspensionen ein deutlich kompakteres Sediment, was auf geringer ausgeprägte Interaktionen zwischen den Glaspartikeln hindeutet und durch Untersuchungen mittels Rasterkraftmikroskop bestätigt wird. Die Anreicherung des Dispersionsmediums mit Lecithin führt zur Adsorption von grenzflächenaktiven Molekülen an der fest/flüssig‐Grenzfläche und reduziert die adhäsiven Kräfte zwischen Zuckeroberflächen. In Zucker/Sojaöl‐Suspensionen zeigen die Phospholipide Phosphatidsäure, Phosphatidylcholin und Phosphatidylethanolamin im Vergleich zu Sojalecithin eine geringer ausgeprägte Funktionalität bei kleinen Phospholipidkonzentrationen.
Sojalecithin: Vor- und Nachteile
Sojalecithin ist der am häufigsten verwendete Emulgator in der Schokoladenproduktion. Ursprünglich ein Abfallprodukt der Sojaöl-Herstellung, wurde es ab Beginn des 20. Jahrhunderts als Emulgator in Lebensmitteln eingesetzt.
Vorteile:
- Effektive Emulgierwirkung: Sojalecithin verbessert die Textur und den Schmelz von Schokolade effektiv.
- Geringer Eigengeschmack: Der Eigengeschmack von Sojalecithin ist so gering, dass er bei der üblichen geringfügigen Verwendung als Emulgator aromatisch nicht ins Gewicht fällt. Auch Spitzenhersteller setzen ihren Schokoladen Sojalecithin zu - Vorteil: der Schokoladencharakter wird hierdurch praktisch nicht verändert.
- Weit verbreitet und kostengünstig: Sojalecithin ist leicht verfügbar und relativ kostengünstig.
- Gesundheitsförderliche Wirkungen: Sojalecithin werden darüber hinaus inzwischen gesundheitsförderliche Wirkungen zugeschrieben, unter anderem auf die Gehirnentwicklung, weshalb es in Drogerien und Biomärkten in reiner Form verkauft wird.
Nachteile:
- Allergiepotenzial: Ein gesundheitliches Problem stellt Sojalecithin nur für Menschen mit Sojaunverträglichkeit dar: da produktionsbedingte Spuren schwer zu vermeiden sind, kennzeichnen Hersteller auch Produkte ohne Zutat von Sojalecithin als möglicherweise verunreinigt, wenn anderweitig im Betrieb Sojalecithin verarbeitet wird.
- Gentechnik: Sojalecithin kann aus gentechnisch modifiziertem Soja hergestellt werden und unterliegt damit der EU-weiten Kennzeichnungspflicht. 95 % des in den USA angebauten Sojas sind genmanipuliert.
- Herkunft: Sojalecithin stammt häufig aus Sojabohnen, welche aus den USA, Kanada oder Südamerika stammen.
- Mögliche Schadwirkungen: Studien deuten auf mögliche Schadwirkungen hin, insbesondere bei hoher Dosierung und langfristiger Einnahme.
Alternativen zu Sojalecithin
Einige Hersteller verzichten bewusst auf den Einsatz von Sojalecithin und verwenden stattdessen Alternativen.
- Sonnenblumenlecithin: Einige wenige Hersteller wie z.B. Pacari verwenden anstelle von Sojalecithin Sonnenblumenlecithin. Sonnenblumen sind gentechnisch nicht verändert. Ideal ist eine Gewinnung des Sonnenblumenöls durch Kaltpressung und eine anschließende Entölung des Lecithins mittels CO2.
- Erhöhte Kakaobutter: Andere Hersteller - beispielsweise Amedei oder Michel Cluizel - müssen für vergleichbar harmonischen Schmelz verstärkt Kakaobutter zufügen. Das ist zwar ebenfalls ein Kakaoprodukt und damit die „purere“ Zutat, aber Kakaobutter ist aromalos und streckt in den erforderlichen Mengen den Geschmack zum Teil in störender Weise, gibt auch dem Schmelz rasch einen zu butterflüssigen Charakter.
- Langes Conchieren: Mithilfe eines besonders langen Conchierverfahrens wird die Schokoladenmasse bis zu 72 h gerieben, gerührt und geknetet.
Lecithin und Gesundheit: Was sagt die Forschung?
Verschiedene gesundheitliche Vorteile werden im Zusammenhang mit der Einnahme von Lecithin genannt.
- Cholesterinsenkung: Eine ältere Studie aus dem Jahr 1985 zeigte eine deutliche Senkung des Gesamtcholesterinspiegels bei Patienten, die über 6 Wochen täglich 18 g Sojalecithin erhielten. Im Durchschnitt reduzierten sich die Werte um 0,56 mmol/l.
- Blutdrucksenkung: Eine Studie mit übergewichtigen oder adipösen Patienten im Alter von 30 bis 60 Jahren ergab, dass die tägliche Einnahme von 2 g Sojalecithin über einen Zeitraum von 8 Wochen den diastolischen Blutdruck senken kann. Bei den Studienteilnehmern verbesserte sich neben dem diastolischen Blutdruck auch die Elastizität der Blutgefäßwände.
- Darmgesundheit: Das Phospholipid Phosphatidylcholin, das reichlich in Lecithin vorkommt, ist ein wichtiger Bestandteil der schützenden Schleimschicht im menschlichen Darm.
- Vorbeugung von Milchstau: Während der Stillzeit kann es dazu kommen, dass Milchkanäle verstopfen. Lecithin wird von Experten immer wieder als Mittel zur Vorbeugung empfohlen. Die Wirkung beruht vermutlich darauf, dass es die Viskosität (Zähflüssigkeit) der Muttermilch verringert, sodass die Milchkanäle weniger leicht verstopfen.
- Gehirnfunktion: Cholin, das aus Phosphatidylcholin entstehen kann, spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Nervensystems und kann das Gedächtnis verbessern.
Potenzielle Risiken:
- Darmschädigung: Studien zeigen jedoch auch potenzielle Schadwirkungen. Besonders darmschädigend sind die Emulgatoren Carboxymethylcellulose und Polysorbat-80, die sowohl in Lebensmitteln als auch in Kosmetikprodukten oder gar in Medikamenten vorkommen.
- TMAO-Bildung: Bestimmte Arten von Darmbakterien (z. B. Collinsella aerofaciens und Enterobacteriaceae) können Cholin in Trimethylamin (TMA) umwandeln. TMA wird in der Leber zu Trimethylaminoxid (TMAO) oxidiert. Ein erhöhter TMAO-Spiegel im Blut wird mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.
- Wechselwirkungen mit Medikamenten: Sojalecithin könnte die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin hemmen.
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