Schokolade stirbt aus: Ursachen und Konsequenzen für Mensch und Natur

Deutsche lieben Schokolade. Rund neun Kilogramm der süßen Köstlichkeit genießt jeder Einwohner durchschnittlich pro Jahr. Doch hinter dem Genuss verbirgt sich eine zunehmend düstere Realität, die von steigenden Kakaopreisen, Klimawandel, Kinderarbeit und der Zerstörung von Lebensräumen geprägt ist. Steht uns eine Zukunft ohne Schokolade bevor?

Kakao wird knapp und teuer

Der Rohstoff Kakao ist knapp und so teuer wie nie zuvor. An der Rohstoffbörse in London kletterte der Preis für eine Tonne Rohkakao zuletzt steil nach oben - auf einen Rekordstand von umgerechnet knapp 5.500 Euro. Zum Vergleich: Anfang Januar lag der Preis noch unter 4.000 Euro, im Februar vergangenen Jahres unter 2.500 Euro. Die wichtigste Zutat für Schokolade ist so teuer wie noch nie.

Michele Buck, Chefin des US-Unternehmens Hershey, einem der weltweit größten Süßwarenhersteller, schloss eine Erhöhung der Preise nicht aus. „Angesichts der aktuellen Lage bei den Kakaopreisen werden wir jedes Instrument in unserem Werkzeugkasten nutzen, einschließlich der Preisgestaltung, um das Geschäft zu steuern“, sagte sie Mitte Februar bei der Vorstellung der Geschäftszahlen.

Ursachen für den Preisanstieg

Der Preis für Kakao ist zuletzt vor allem deshalb so stark gestiegen, weil das Angebot in den Anbauländern immer knapper wird. 60 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion entfallen auf die Elfenbeinküste und Ghana. Der Klimawandel beeinträchtigt den Anbau erheblich. Längere Regenperioden führen auch zur Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten wie CSSVD. Das Virus, das von Blattläusen verbreitet wird, führt zum Absterben der Kakaobäume. In Ghana sind laut Kerstin Weber, Umweltwissenschaftlerin beim WWF, bereits 17 Prozent aller Anbauflächen betroffen, auch auf die Elfenbeinküste greift CSSVD demnach über. Da Kakaobäume nicht resistent seien, bestehe die einzig wirksame Behandlung darin, infizierte Bäume zu fällen und neue zu pflanzen, sagt Weber.

Die Süßwarenbranche beklagt die stark gestiegenen Kosten. EU-Zucker war 2023 laut BDSI 72 Prozent teurer als im Vorjahr, Kakaobutter legte um 52 Prozent zu, Kakao um 43 Prozent. Die jüngsten Entwicklungen sind hier noch nicht voll eingerechnet.

Lesen Sie auch: Hype, Inhaltsstoffe und Qualität: Dubai-Schokolade im Vergleich

Auswirkungen auf die Verbraucher

Auch Armin Valet rechnet damit, dass Schokolade teurer wird. Der Lebensmittel-Experte der Verbraucherzentrale kann sich auch vorstellen, dass die klassische Tafel kleiner wird. Valet untersucht seit Jahren Produkte, die bei gleichen oder steigenden Preisen schrumpfen. Zuletzt landeten viele Süßwaren auf seiner Liste. „Die Hersteller und Händler wissen, dass Verbraucher bei Genussprodukten wie Schokolade weniger auf den Preis schauen. Deshalb erhöhen sie besonders gern die Preise“, so Valet. In der Vergangenheit sei Schokolade auch ohne gestiegene Rohstoffpreise regelmäßig teurer geworden. „Vor gut 20 Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig, aktuell 1,49 Euro.

Der Klimawandel bedroht den Kakaoanbau

Der Klimawandel stellt eine erhebliche Bedrohung für den Kakaoanbau dar. Kakaopflanzen können nur im tropischen Regenwald wachsen, wo das ganze Jahr über relativ gleichmäßige klimatische Bedingungen herrschen. Geographisch wächst Kakao zwischen den 23. Etwa die Hälfte des weltweiten Bedarfs an Kakao stammt aus Ghana und der Elfenbeinküste. Die Trockenheit ist ein Problem für Kakao und Kakaobauern: Die Pflanze wird dadurch anfälliger für Krankheiten wie zum Beispiel Pilze. Anbaugebiete werden immer kleiner oder drohen, bisher als Naturschutzgebiet eingestufte Regionen zu verdrängen. Forscherinnen und Forscher aus Göttingen haben außerdem herausgefunden, dass Kakao bei Trockenheit deutlich bitterer wird.

Der WWF beruft sich auf Studien, wonach die Produktion in Afrika noch wesentlich stärker einbrechen könnte, weil die Mehrheit der Anbauflächen in Zukunft deutlich weniger geeignet sein werde. Für viele der oft in Armut lebenden Kakaobauern würde dann eine wichtige Einkommensquelle wegbrechen. „Der Kakaoanbau hat in vielen Gebieten nur noch eine Zukunft, wenn rechtzeitig die nötigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergriffen werden und auf widerstandsfähige, nachhaltige Anbausysteme umgestellt wird“, sagt Expertin Weber.

Lösungsansätze

Um die Kakaopflanzen widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen, arbeitet Myeong-Je Cho, Professor für Pflanzengenetik an der Universität im nordkalifornischen Berkeley, an einem Weg, Gene von in Trockenheit gut gedeihenden Pflanzen auch in den Kakao einzubauen. Auch Viren und Pilze soll die Pflanze dann besser abwehren können. Weil der Kakaobaum aber langsam wächst, lassen sich die Ergebnisse erst in einigen Jahren absehen. An schneller wachsenden Nutzpflanzen zeigt sich aber bereits, dass die Technologie funktioniert.

Kinderarbeit und Ausbeutung in der Kakaoproduktion

Eine mehr als nur zartbittere Wahrheit: Hinter jeder Tafel Schokolade kann Kinderarbeit stecken. Vor allem in Ländern im westlichen Afrika - den größten Kakaoproduzenten - ist die Kinderarbeit im Anbau keine Seltenheit. Häufig ist Armut einer der Hauptgründe von Kinderarbeit. Weltweit sind rund 160 Millionen Kinder Opfer von Kinderarbeit. Untersuchungen haben ergeben, dass im Jahr 2021 rund 1,56 Millionen Kinder in Ghana und Côte d ́Ivoire in der Kakaoproduktion arbeiteten, was einen Rückgang um etwa 30 Prozent seit 2013/14 verzeichnet. Um effektiv gegen Kinderarbeit vorzugehen, muss die Armut der Kleinbäuer*innen bekämpft werden.

Lesen Sie auch: Schnelle Schokoladenhärtung

Die Realität der Kinderarbeit

Die Aufgaben der Kinder auf einer Kakaoplantage sind vielfältig: Sie helfen bei der Ernte und dem Zusammentragen der Kakaofrüchte, beim Öffnen der Früchte, der Trocknung sowie der Verpackung und Verladung der Kakaobohnen. Die Arbeiten, die die Kinder verrichten, sind meistens nicht altersgerecht. Kinder sind dem Risiko ausgesetzt, sich Verletzungen während der Arbeit zuzuziehen, etwa durch den Gebrauch von scharfen Gegenständen oder das Tragen von bis zu 70 Kilo schweren Kakaosäcken. Häufig werden auf den Kakaoplantagen zudem Pestizide gespritzt - nicht immer mit entsprechenden Schutzmaßnahmen, wodurch es zu gesundheitlichen Problemen kommen kann. Zudem werden die Kinder gar nicht oder nur sehr schlecht für ihre Arbeit bezahlt. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen hat die harte, ausbeuterische Arbeit auch schwere psychische Auswirkungen. Kinder, die auf Kakaoplantagen arbeiten, haben teilweise jahrelang keinen Kontakt zu ihren Familien und werden außerdem oft beschimpft, gedemütigt oder sogar geschlagen.

Lösungsansätze gegen Kinderarbeit

Da Armut die größte Ursachen der Kinderarbeit ist, muss dieses unterliegende Problem entschlossen bekämpft werden. Deshalb stellt der faire Handel einen essenziellen Ansatzpunkt dar, um die Situation der Kleinbäuerinnen zu verbessern. Die Kriterien des fairen Handels schließen Kinderarbeit aus, garantieren aber auch einen festen Mindestpreis, eine festen Prämie sowie langfristige Handelsbeziehungen. Eine bessere Vergütung der Bäuerinnen bedeutet eine bessere Bezahlung für ihre Arbeiterinnen und einen Weg aus der Armut, die Kinder zur Arbeit auf den Kakaoplantagen zwingt. Doch auch nachhaltigere Anbaumethoden können sich positiv auf die wirtschaftliche und humanitäre Situation der Kakaoregionen auswirken. Eine Diversifizierung des Anbaus - also der gleichzeitige Anbau unterschiedlicher Nutzpflanzen - hat den Vorteil, dass neben dem Kakao auch andere Produkte produziert werden, welche verkauft oder zur eigenen Ernährung verwendet werden können. Somit kann das Risiko für Armut und Verschuldung verringert werden. Ein weiterer grundlegender Schritt im Kampf gegen die Kinderarbeit in der Kakaoproduktion ist die Aufklärung. Sowohl Menschen in Kakaoregionen, doch auch Konsumentinnen weltweit müssen das Problem Kinderarbeit, die Konsequenzen und die Ursachen verstehen. Vor Ort kann zum Beispiel mit Informationskampagnen gegen die Akzeptanz der Kinderarbeit vorgegangen werden.

Zerstörung von Lebensräumen und Artensterben

Unser Hunger nach Schokolade zerstört andernorts die Natur. Der Grund dafür ist die stetig zunehmende Abholzung des Regenwaldes in Westafrika für Kakaoplantagen. Die ursprünglichen Wälder werden gerodet und niedergebrannt, um stattdessen Kakaosträucher zu pflanzen. Die wichtigste Zutat von Schokolade ist die Kakaobohne, aus der dann die Kakaomasse hergestellt wird. Der Anbau der Bohnen erfolgt fast ausschließlich in tropischen Gebieten, weil nur dort das Klima ausreichend und durchgängig feuchtwarm ist. Obwohl der Kakao ursprünglich aus dem Amazonasgebiet stammt, werden die Kakaobohnen zur Schokoladenproduktion mittlerweile überwiegend in Afrika kultiviert. Mehr als 85 Prozent des Kakaos in Deutschland wird in den westafrikanischen Ländern Nigeria, Ghana und Elfenbeinküste produziert. Dort werden die Kakaobäume überwiegend von Kleinbauern angepflanzt. Der Kakao-Anbau erfolgt fast ausnahmslos in Monokulturen und außerdem größtenteils unter Einsatz von Kinderarbeit.

Ein besonders erschreckendes Bild zeigt sich in der Elfenbeinküste. Vor nicht langer Zeit galt das Land als eine der artenreichsten Regionen der Welt. Dort lebten früher hunderttausend Elefanten, die dem Land den Namen gaben. Die meisten hiervon wurden von Elfenbein-Wilderern getötet. Ähnlich düster sieht es für die verschiedenen Affenarten in Westafrika aus: So sind sechs westafrikanische Primatenarten gefährdet oder vom Aussterben bedroht, unter anderem der Schimpanse und der Miss Waldrons Rote Stummelaffe. Letzterer ist wahrscheinlich schon ausgestorben, da es seit 1978 keine bestätigte Sichtung eines Individuums mehr gab. Das Problem ist: Wo sollen die Tiere hingehen? Mehr als 90 Prozent der ursprünglichen Wälder Westafrikas sind verschwunden. Die meisten Bäume wurden wegen der steigenden Nachfrage nach Schokolade aus dem Rest der Welt für Kakaoplantagen abgeholzt, häufig illegal. Sogar Nationalparks und Schutzgebiete fallen dem steigenden Hunger nach Kakao zum Opfer. In der Elfenbeinküste verschwinden selbst die Waldreste in den geschützten Gebieten. Ein Großteil der dortigen Naturschutzgebiete ist inzwischen von illegalen und unkontrollierten Kakaoplantagen durchzogen. US-Forscher deckten bei einer Zählung auf, dass es in 13 der 23 Schutzgebiete bereits keine Affen und Menschenaffen mehr gibt.

Die Rolle der Pestizide

Besonders besorgniserregend ist, dass die meisten der im Kakaoanbau eingesetzten Pestizide wegen ihren schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Natur als hochgefährlich eingestuft werden. In der EU sind viele von ihnen deshalb verboten oder nicht mehr zugelassen, in der Côte d’Ivoire und Ghana hingegen schon. Doch in Fachdiskussionen erfährt der stetig steigende Einsatz von hochgefährlichen Pestiziden und dessen Konsequenzen kaum Aufmerksamkeit.

Lesen Sie auch: Alles über Camondas Dubai Schokolade

Die Bedeutung der Artenvielfalt

Neben den direkten Auswirkungen auf die Tierwelt gefährdet die Zerstörung von Lebensräumen auch die Artenvielfalt im Allgemeinen. Insbesondere viele Obst- und Gemüsesorten sind auf den Besuch von Insekten angewiesen, um von der Blüte zur Frucht zu reifen. Ohne Hummeln, Wild- und Honigbienen sowie Schmetterlingen geht es nicht. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsarbeit beträgt im Mittel in Deutschland 3,8 Mrd. Euro pro Jahr, weltweit 1 Billion US-Dollar. Stellen Sie sich den Erdboden ohne Regenwürmer vor. Welche Auswirkungen hätte das auf die Bodenfruchtbarkeit? Oder wenn Ameisen im Wald keine Samen mehr verschleppen. Wie sähe unser Wald aus?

Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt

Deshalb benötigt der Artenschutz meines Erachtens eine viel stärkere Aufmerksamkeit bei derartigen Vorhaben, quasi einen Lobbyismus. Sowohl aus der Politik und Wirtschaft als auch von uns Bürgerinnen. Für mich gehört er zum festen Bestandteil, nicht nur, wenn Eingriffe in die Natur vorgenommen werden. Wir alle können dazu beitragen, Arten zu schützen. Ein kleines Beispiel: Am 10.06.21 habe ich im Ausschuss Straßen, Wege und Umwelt den Vorschlag eingereicht, das Beleuchtungskonzept für Jesteburg auf Insektenfreundlichkeit hin zu überprüfen. Dies wird aktuell seitens der Verwaltung vorgenommen. Denn viele Insekten sind nachtaktiv. Unzählige verenden erschöpft an künstlichen Lichtquellen oder verlieren die Orientierung. Das möchte ich ändern! Im übrigen dürfte die Eindämmung der Lichtverschmutzung auch uns Bürgerinnen zugute kommen.

Was können wir tun?

Wer keine Ausbeutung von Kleinbauern, Kinderarbeit oder die Zerstörung des Regenwaldes unterstützen möchte, der hat bisher nicht viele Möglichkeiten. Im Dschungel der Siegel für Schokolade können sich Verbraucher leicht verirren. Und viele davon bringen viel weniger als nötig wäre. Vor allem Billigsiegel haben nur geringe Anforderungen und das erklärte Ziel, den Massenmarkt zu erreichen. Deshalb bleibt an Weihnachten (und auch sonst) nur eins: Weniger Schokolade kaufen und auf Fair Trade und Ökosiegel achten. Am strengsten sind die Siegel Fairtrade und GEPA. Schokoladenhersteller müssen über die gesamte Lieferkette sicherstellen, dass Kakao nach hohen ökologischen und sozialen Standards angebaut und produziert wird. Produkte aus Raubbau, illegalem Anbau und Kinderarbeit dürfen nicht akzeptiert werden.

Die Macht der Konsumenten

Mit bewusstem Konsum können wir einen Beitrag leisten, die Situation der Kakaobauern zu verbessern und die Umwelt zu schützen. Achten Sie auf Fair-Trade- und Bio-Siegel, informieren Sie sich über die Herkunft der Schokolade und unterstützen Sie Unternehmen, die sich für nachhaltige Anbaumethoden und faire Arbeitsbedingungen einsetzen.

tags: #schokolade #stirbt #aus #ursachen

Populäre Artikel: