Die süße Gefahr: Wie Zucker unser Gehirn beeinflusst
Zucker, oft als das süße "weiße Gold" bezeichnet, ist in unserer modernen Ernährung allgegenwärtig. Er begegnet uns in vielfältigen Formen und ist in fast jedem verarbeiteten Lebensmittel zu finden. Zucker löst Glücksgefühle aus und liefert uns schnell verfügbare Energie. Doch er birgt auch eine dunkle Seite, denn er ist einer der Hauptverursacher zahlreicher Zivilisationskrankheiten, wie Diabetes und Herzerkrankungen. Aber was macht Zucker so unwiderstehlich und welche Auswirkungen hat er auf unser Gehirn?
Zucker - Allgegenwärtig und unwiderstehlich
Ob in Süßigkeiten, Obst oder als Stärke in Getreide: Zucker scheint allgegenwärtig zu sein - und wir können einfach nicht genug davon bekommen. Tatsächlich lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker in Deutschland im Jahr 2022/23 bei rund 33 Kilogramm, was etwa 90 Gramm Zucker pro Tag entspricht. Im Vergleich dazu empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation eine maximale Zuckermenge von unter 50 Gramm pro Tag. Dieser hohe Konsum wirft die Frage auf, warum wir so viel Zucker zu uns nehmen und welche Folgen dies für unsere Gesundheit hat.
Dopamin: Der Schlüssel zur Zucker-Sucht
Der Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln aktiviert unser dopaminerges System, das im Gehirn für Motivation und Belohnung zuständig ist. Dies führt zur Ausschüttung von Dopamin, einem Neurotransmitter, der uns ein Gefühl von Freude und Befriedigung vermittelt. Wenn wir Zucker zu uns nehmen, steigt der Dopaminspiegel vorübergehend an. Das freigesetzte Dopamin verstärkt das Verhalten, das zu dieser Belohnung geführt hat, wie zum Beispiel Essen. Außerdem beeinflusst Dopamin, wie sehr wir uns anstrengen, um eine Belohnung zu erhalten.
Unmittelbare Dopaminausschüttung nach Zuckerverzehr
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung hat gezeigt, dass unmittelbar nach dem Verzehr von zuckerreichen Lebensmitteln Dopamin ausgeschüttet wird, noch bevor die Nahrung den Magen erreicht. Je nach individuellem Verlangen wird sogar zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich viel Dopamin ausgeschüttet. Die Gehirne der Proband:innen mit einem stärkeren Verlangen nach der zuckerreichen Nahrung schütteten direkt nach dem Verzehr eine größere Menge an Dopamin aus, jedoch wieder weniger, wenn die Nahrung den Magen erreicht hatte.
Langanhaltende Veränderungen im Gehirn
Ein ständiger Zuckerkonsum kann dazu führen, dass wir immer mehr Zucker essen wollen. Eine Studie der Forschungsgruppe Tittgemeyer zeigte, dass Proband:innen, die über acht Wochen lang täglich einen zucker- und fettreichen Pudding aßen, stärker auf zuckerreiche Nahrung reagierten als diejenigen, die einen Pudding mit der gleichen Kalorienzahl, aber deutlich weniger Fett und Zucker verzehrten. Die Forschenden maßen die Aktivität bestimmter Hirnregionen und fanden heraus, dass das dopaminerge System besonders stark bei den Proband:innen aktiviert wurde, die den fett- und zuckerreicheren Pudding aßen. Der erhöhte Zuckerkonsum veränderte die neuronalen Schaltkreise so, dass zuckerreiche Nahrung bei den Proband:innen eine stärkere belohnende Wirkung hatte und sie nach dem Experiment zucker- und fettreiche Lebensmittel positiver bewerteten.
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Die Auswirkungen von Zucker auf das Gehirn
Der World Brain Day wird jedes Jahr am 22. Juli begangen, um das Bewusstsein für neurologische Erkrankungen zu schärfen und Aufklärung zu betreiben. Dabei zeigen statistische Daten, dass Schlaganfall und Demenzen unter den zehn häufigsten Todesursachen sind. Dieses Jahr nutzen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung diesen Tag, um darauf hinzuweisen, dass zu viel Zucker dem Gehirn schaden kann. Umgekehrt schützt ein gesunder, aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung und Schlaf und die Vermeidung von schädlichen Substanzen wie Alkohol, Nikotin und Zucker das Gehirn.
Zuckerkonsum in Deutschland
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung spricht sich gemeinsam mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e. V. und der Deutschen Diabetes Gesellschaft e. V. für eine maximale Zucker-Zufuhr von weniger als 10% der Gesamtenergiezufuhr aus. Bei einer geschätzten Gesamtenergiezufuhr von 2.000 kcal pro Tag entspricht diese Empfehlung einer maximalen Zufuhr von 50 g freien Zuckern pro Tag bzw. ca. 18 kg pro Jahr. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker lag 2022/2023 jedoch bei 91 g pro Tag bzw. über 33 kg pro Jahr, also deutlich zu hoch. Zu dieser Bilanz zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene Zucker, z. B. in Früchten, Honig oder Säften.
Zu viel Zucker gefährdet die Gesundheit
Erhöhter Zuckerkonsum führt nicht nur zu Blutzuckerspitzen, sondern beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems, führt zu Nährstoffmängeln, Hyperaktivität und vorzeitigem Altern und erhöht das Risiko für z. B. Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Osteoporose. Hohe Blutzuckerspiegel schädigen außerdem die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden, wodurch die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen gedrosselt wird. Dies kann zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie z. B. Schlaganfall und Demenz führen. Hinzu kommt, dass Glykosaminoglykane auch direkt die Kognition einschränken können, indem sie die Funktion der Synapsen zwischen den Nervenzellen und die neuronale Plastizität beeinträchtigen.
Metaanalyse zeigt, dass Zucker kognitive Funktionen beeinträchtigt
Eine Metaanalyse von 77 Studien hat außerdem vor Kurzem die Auswirkungen von freiem und zugesetztem Zucker auf die kognitiven Funktionen zusammengefasst. Sie zeigte, dass ein chronisch übermäßiger Zuckerkonsum negativ mit Messungen der globalen kognitiven Funktion, der Exekutivfunktion und des Gedächtnisses korreliert. Dabei ist dieser Effekt v. a. bei zugesetztem Zucker und weniger bei natürlich enthaltenem Zucker zu finden, was vermutlich an den zusätzlichen Ballaststoffen und Vitaminen in z. B. Früchten liegt. Im Rahmen der Metaanalyse wurden außerdem zwei Arbeiten über Mutter-Kind-Paare gefunden, die einen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Zuckeraufnahme und der Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen des Kindes aufzeigten.
Neurologische Erkrankungen und Zucker
Zucker kann über verschiedene Mechanismen neurologische Erkrankungen begünstigen:
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- Gefäßschäden: Hohe Blutzuckerspiegel schädigen die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Dadurch wird die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen gedrosselt. Dies kann zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie z. B. Schlaganfall und Demenz führen.
- Einschränkung der Kognition: Komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, können womöglich auch direkt die geistige Leistung einschränken. Neue Daten deuten darauf hin, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Das ist die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern.
- Diabetes: Es ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte. Insulin spielt auch eine Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Plaques im Gehirn.
Zucker als Droge?
Zucker hat ähnliche Auswirkungen auf unser Gehirn wie Suchtmittel. Er stimuliert die Dopaminproduktion und kann zu einem starken Verlangen führen. Wer viel Zucker konsumiert, riskiert, in einen Teufelskreis zu geraten, aus dem es schwer ist, auszubrechen.
Die Macht der Gewohnheit
Das Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln konnte zeigen, dass sich das Gehirn durch den regelmäßigen Konsum von stark fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln verändert. Die Folge: Es befiehlt uns quasi, die ungesunden Lebensmittel zu bevorzugen. Wir wollen mehr davon. Zwischen Gehirn und Darm gibt es eine direkte Verbindung: Erreicht Nahrung den Dünndarm, registrieren unterschiedliche Sensoren, ob Zucker und Fett in der Nahrung enthalten sind. Diese Information wird über verschiedene Nervenverbindungen ans Gehirn weitergeleitet. Die Signale kommen im Belohnungszentrum des Gehirns an, sorgen für ein gutes Gefühl und lösen ein Verlangen nach mehr aus.
Die Lust nach Süßem und Fettigem wird von unserer westlichen Ernährung bedient. Vor allem Fast Food und Fertiggerichte haben beides gleichzeitig: viel Fett und viel Zucker. In der Natur gibt es eigentlich keine Nahrungsmittel, die sowohl stark fett- als auch zuckerhaltig sind. Hat sich das Gehirn an stark fett- und zuckerhaltige Speisen gewöhnt, will es nicht nur immer mehr davon, sondern lehnt auch Speisen mit weniger Fett oder Zucker eher ab. Jeder Mensch kommt zwar mit einer angeborenen Vorliebe für Süßes zur Welt, aber wenn diese Vorliebe durch Gewöhnung immer weiter verstärkt wird, schmecken gesunde Lebensmittel irgendwann nicht mehr.
Strategien zur Reduzierung des Zuckerkonsums
Ein bewusster, möglichst geringer Zuckerkonsum ist daher ratsam. Leider fällt das vielen Menschen schwer - und die Gründe dafür sind ebenfalls im Gehirn zu verorten. „Das könnte der Grund dafür sein, dass manche Menschen nach einem Stück Schokolade schnell mal die ganze Tafel aufgegessen haben“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung. „Es ist sinnvoll, durch weitgehenden Verzicht auf Zucker diesem Teufelskreis zu entgehen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Die Anstrengung lohnt sich. Hirnstiftung und DGN unterstützen daher die politische Forderung, Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu erheben.
Hier sind einige Tipps, wie Sie Ihren Zuckerkonsum reduzieren können:
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- Bewusstsein schaffen: Achten Sie auf den Zuckergehalt von Lebensmitteln und Getränken. Lesen Sie die Nährwertangaben auf den Verpackungen und vermeiden Sie Produkte mit hohem Zuckergehalt.
- Versteckten Zucker entlarven: Viele Lebensmittel enthalten versteckten Zucker, wie z. B. Joghurts oder Tomatenketchup. Seien Sie sich dessen bewusst und wählen Sie zuckerarme Alternativen.
- Süße Alternativen finden: Ersetzen Sie zuckerhaltige Getränke durch Wasser, ungesüßten Tee oder selbstgemachte Limonade mit wenig Zucker. Verwenden Sie natürliche Süßstoffe wie Stevia oder Erythrit in Maßen.
- Langsam entwöhnen: Reduzieren Sie Ihren Zuckerkonsum schrittweise, um Entzugserscheinungen zu vermeiden.
- Gesunde Snacks wählen: Essen Sie protein- und ballaststoffreiche Lebensmittel, die sich auch als besserer Snack in der Mittagspause eignen. Hier besteht keine Suchtgefahr und sie nehmen keinen Einfluß auf deinen Insulinspiegel. Ein reduzierter Fokus und eine wechselhafte Stimmung lassen sich so bekämpfen. Außerdem bleibst du länger satt und denkst nicht so häufig an essen.
- Umfeld gestalten: Vermeiden Sie es, zuckerhaltige Lebensmittel im Haus zu haben. Wenn Sie keine Versuchung haben, ist es leichter, widerstehen.
- Alternativen nutzen: Bei einer kohlenhydratarmen Ernährung kann dein Körper sogenannte Ketone aus verschiedenen Fetten bilden und diese als effektive Energiequelle nutzen.
Zuckerersatzstoffe: Eine gesunde Alternative?
Auch der Ersatz von Zucker durch verschiedene Süßungsmittel ist laut Experten nicht unproblematisch. Zwar enthalten sie keine Kalorien, doch neue Studien deuten an, dass durch den Konsum von Süßungsmitteln auch die Zahl an Gefäßerkrankungen zunimmt. Es gibt ja so Zuckeralkohole Xylit, Birkenzucker und Sorbit. Die haben grundsätzlich schon den Vorteil, dass sie praktisch keine Kalorien enthalten und insofern „unschuldiger“ sind. Es gibt aber jetzt neue Studiendaten, die Hinweise zumindest ergeben, dass sich dort auch die Zahl von Gefäßerkrankungen erhöht, sodass alle Ernährungsorganisation, die früher sogar mal empfohlen haben, jetzt sehr zurückhaltend sind und nicht empfehlen, die routinemäßig als Ersatz einzusetzen.
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