Flüssige Schokolade, die hart wird: Eine physikalische Betrachtung
Schokolade ist mehr als nur eine Süßigkeit; sie ist ein komplexes System physikalischer und chemischer Prozesse. Das Verhalten von Schokolade, insbesondere der Übergang von flüssig zu fest und die Faktoren, die diesen Prozess beeinflussen, sind faszinierende Studienobjekte für Physiker und Lebensmittelwissenschaftler. Dieser Artikel beleuchtet die physikalischen Aspekte des Schmelzens und Erstarrens von Schokolade, die Rolle von Milch und anderen Zutaten sowie die Herausforderungen bei der Herstellung von Schokolade mit optimalen Eigenschaften.
Die Physik des Schokoladenschmelzens und -erstarrens
Der Hauptbestandteil, der das Verhalten von Schokolade beim Erwärmen und Abkühlen bestimmt, ist die Kakaobutter. Kakaobutter ist ein Fett, das bei Raumtemperatur fest ist, aber bei relativ niedrigen Temperaturen schmilzt. Dieser Schmelzpunkt ist der Grund, warum Schokolade im Mund schmilzt und ein angenehmes Gefühl hinterlässt.
Polymorphie der Kakaobutter
Ein entscheidender Aspekt der Kakaobutter ist ihre Polymorphie, d.h. die Fähigkeit, in verschiedenen Kristallformen zu existieren. Es gibt sechs verschiedene Kristallformen, die als I bis VI bezeichnet werden. Diese Formen unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Härte und Schmelzpunkt. Nur die Kristallform V verleiht der Schokolade die gewünschten Eigenschaften: seidiger Glanz, knackiger Bruch und zartes Schmelzen im Mund.
Die verschiedenen Kristallformen haben unterschiedliche Schmelzpunkte. Die unerwünschten Formen wandeln sich recht schnell in die thermodynamisch stabilste Variante VI um. Bei diesem Vorgang nimmt das Volumen der Fettkristalle zu, wodurch ein Teil der Kakaobutter an die Oberfläche der Süßigkeit gedrückt wird und dort den als „Fettblüte“ oder „Fettreif“ bezeichneten gräulichen Belag bildet.
Temperierung der Schokolade
Um sicherzustellen, dass sich die gewünschte Kristallform V bildet, muss Schokolade „temperiert“ werden. Temperieren bedeutet, die Schokolade durch eine spezifische Abfolge von Erwärmen, Abkühlen und erneutem Erwärmen zu führen. Dieser Prozess stellt sicher, dass unerwünschte Kristallformen verschwinden und ausreichend Kristallisationskeime der Form V vorhanden sind.
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Die Temperierung erfolgt in mehreren Schritten:
- Erhitzen: Die Schokolade wird zunächst vollständig geschmolzen, um alle Kristallformen aufzubrechen. Typischerweise wird die Schokolade auf etwa 45°C erhitzt.
- Abkühlen: Anschließend wird die Schokolade unter Rühren abgekühlt, um die Bildung unerwünschter Kristallformen zu fördern. Eine Temperatur von etwa 28°C wird oft angestrebt.
- Erneut Erhitzen: Die Schokolade wird erneut vorsichtig erwärmt, um die instabilen Kristallformen zu schmelzen, während die gewünschte Form V erhalten bleibt. Eine Temperatur von etwa 32°C ist ideal.
Durch diese kontrollierte Temperierung entstehen genügend Kristallisationskeime der Form V, die dann ein langsames Abkühlen der Masse ermöglichen.
Methoden zur Förderung der Kristallform V
Es gibt verschiedene Methoden, um das Wachstum der gewünschten Kristallform V zu fördern:
Mechanische Scherkräfte: Rühren erzeugt Scherkräfte, die größere Kristalle in kleinere zerbrechen, welche dann als Kristallisationskeime wirken können. Allerdings muss die durch das Rühren eingebrachte Energie kontrolliert werden, um ein erneutes Schmelzen der Kristalle zu verhindern.
Impfen: Das Hinzufügen von zerkleinerter, bereits temperierter Schokolade zur flüssigen Masse führt Kristallisationskeime der Form V ein, an denen sich weiteres Fett in der gewünschten Form anlagern kann.
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Fettreif und seine Ursachen
Trotz sorgfältiger Temperierung kann es bei längerer Lagerung zur Bildung von Fettreif kommen. Dies geschieht, wenn sich die Kristallform V in die stabilere Form VI umwandelt. Das Volumen der Fettkristalle nimmt zu, und Kakaobutter wird an die Oberfläche gedrückt, wo sie als grauer Belag sichtbar wird.
Der Einfluss von Milch und anderen Zutaten
Die Zugabe von Milch und anderen Zutaten verändert die physikalischen Eigenschaften von Schokolade erheblich.
Auswirkungen von Milch auf die Schokoladenkonsistenz
Die Zugabe von Milch kann die Konsistenz von geschmolzener Schokolade beeinflussen. Es kommt stark auf die Menge der hinzugefügten Milch an. Ein Tropfen Milch kann nach dem Abkühlen dazu führen, dass die Schokolade wieder fest wird. Wenn zu viel Milch hinzugefügt wird, kann die Schokolade stocken und eine unschöne Masse bilden, die nicht mehr umkehrbar ist.
- Verdünnen mit Milch: Das Verdünnen von geschmolzener Schokolade mit Milch kann zu einer unerwünschten Verklumpung führen.
- Kondensmilch: Die Zugabe von Kondensmilch in geringen Mengen kann hingegen zu einer spritzfähigen Schokolade führen, die sich auch wieder schmelzen lässt.
Andere Zutaten und ihre Auswirkungen
Auch andere Zutaten wie Wasser, Zucker und Emulgatoren beeinflussen das Verhalten von Schokolade.
Wasser: Die Zugabe von Wasser kann zur Herstellung von Mousse au Chocolat verwendet werden, indem die Schokolade geschmolzen und anschließend mit einem geringeren Anteil Wasser vermischt wird. Durch kräftiges Schlagen bilden sich Luftbläschen, die durch Abkühlen in einem Eisbad stabilisiert werden.
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Emulgatoren: Emulgatoren wie Lecithin (aus Eigelb oder Soja) helfen, Fett und Wasser zu verbinden und eine homogene Masse zu bilden. In der Mousse au Chocolat sorgen Eier für die Stabilisierung der Luftbläschen, wobei das Eiweiß die Luft in der Masse hält und das Eigelb als Emulgator wirkt.
Experimentelle Herstellung von Regenbogenschokolade
Ein interessantes Experiment im Physikunterricht ist die Herstellung von Regenbogenschokolade. Hierbei wird die Schokolade geschmolzen, temperiert und dann auf eine Gitterfolie gegossen. Nach dem Erkalten zeigt die Schokoladenoberfläche ein Interferenzmuster, ähnlich den Farben auf der Unterseite einer CD.
Anwendungen der Thermodynamik in der Schokoladenherstellung
Die Thermodynamik spielt eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Schokolade. Die Kenntnis der Wärmeübertragung, Phasenübergänge und Energieerhaltung ist entscheidend, um den Schmelz- und Erstarrungsprozess zu verstehen und zu steuern.
Latentwärmespeicher und Handwärmer
Ein Beispiel für die Anwendung thermodynamischer Prinzipien ist der Latentwärmespeicher, der in Handwärmern verwendet wird. Diese Geräte nutzen eine unterkühlte Flüssigkeit, die bei Verformung eines Metallplättchens erstarrt und Wärme freisetzt. Dieser Vorgang basiert auf dem Phänomen der Kristallisationskeime, die in der Flüssigkeit fehlen und durch die Schallwelle beim Knicken des Plättchens ausgelöst werden.
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik, der Energieerhaltungssatz, besagt, dass die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems konstant bleibt. In der Schokoladenherstellung bedeutet dies, dass die zugeführte Energie beim Erwärmen und die freigesetzte Energie beim Abkühlen berücksichtigt werden müssen, um den Prozess optimal zu steuern.
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