AGRANA Zucker GmbH Tulln: Zukunft des letzten Zuckerwerks Österreichs ungewiss
Die AGRANA Zucker GmbH, ein führendes Unternehmen der Zuckerindustrie mit ihrem Werk in Tulln, steht vor unsicheren Zeiten. Nachdem bereits die Zuckerfabriken in Leopoldsdorf (Österreich) und Hrušovany (Tschechien) geschlossen wurden, ist Tulln der letzte verbliebene Produktionsstandort für "Wiener Zucker". Die Frage, ob auch dieses Werk auf der Kippe steht, beschäftigt nun die Öffentlichkeit und die Landwirtschaft.
Hintergrund: AGRANA unter Druck
Unternehmenschef Stephan Büttner äußerte sich in einem Interview besorgt über die Zukunft des Standorts Tulln und schloss eine Standortgarantie aus. Grund dafür seien stark gestiegene Importmengen von ukrainischem Zucker und sinkende Marktpreise, die das Unternehmen unter enormen Druck setzen. Büttner sprach von "irreparablen Marktverwerfungen", die bereits zu Kapazitätsschließungen geführt hätten.
Der Konzern AGRANA, der weltweit 50 Werke betreibt und rund 9.000 Mitarbeiter beschäftigt, plant bis zum Geschäftsjahr 2027/28 Einsparungen von bis zu 100 Millionen Euro zu realisieren. Diese sollen unter anderem durch Personalabbau und Effizienzsteigerungen erreicht werden.
Kritik von der Landwirtschaftskammer
Deutliche Kritik an der Situation kommt von Johannes Schmuckenschlager, dem Präsidenten der NÖ Landwirtschaftskammer. Er bezeichnete ein mögliches Aus für das Werk in Tulln als "inakzeptables" Szenario und warnte, dass dies das Ende der Zuckerproduktion in Österreich bedeuten würde. Dies würde die Versorgungssicherheit gefährden, da Zucker ein wichtiger Bestandteil vieler Nahrungsmittel und Konservierungsmethoden ist. Schmuckenschlager erinnerte an die schmerzliche Schließung des Werks in Leopoldsdorf und forderte den Raiffeisen-Verbund, die Muttergesellschaft von AGRANA, zur Verantwortung auf.
AGRANA Zucker GmbH - Werk Tulln: Ein Porträt
Das Werk Tulln ist ein wichtiger Teil der AGRANA-Gruppe, die in mehreren DACH-Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) tätig ist. AGRANA Zucker GmbH - Werk Tulln zeichnet sich durch modernste Technologien und nachhaltige Produktionsmethoden aus. Das Unternehmen hat die Vision, als Marktführer in der Zuckerindustrie anerkannt zu werden, indem es exzellente Produkte liefert und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet.
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AGRANA Research & Innovation Center GmbH in Tulln
Eng mit dem Werk Tulln verbunden ist die AGRANA Research & Innovation Center GmbH (ARIC) in Tulln. Dieses Forschungszentrum spielt eine zentrale Rolle bei der Stärkung des Unternehmens AGRANA durch disruptive Innovationen. Die ARIC arbeitet mit Forschern, Startups und Innovationspartnern zusammen, um zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln.
Als führender Hersteller von Lebensmittelzutaten mit landwirtschaftlichen Wurzeln will AGRANA mit den Schwerpunkten Frucht, Zucker und Stärke einen wesentlichen Beitrag zu einer grünen, pflanzenbasierten, gesunden und lebenswerten Zukunft leisten. Innovationen sind dabei unerlässlich, weshalb die ARIC großen Wert auf den Austausch mit externen Partnern legt.
Die ARIC verfügt über umfassendes Know-how in den Bereichen Forschung und Entwicklung (F&E) und Technologie und kann Ideen schnell umsetzen. Durch den direkten Zugang zur gesamten Lieferkette, vom Erzeuger bis zum Verbraucher, können neue Lösungen getestet und ein erfolgreicher Markteintritt begünstigt werden. Ziel ist es, den heimischen Standort und die österreichische Wirtschaft im globalen Wettbewerb zu stärken.
Die ARIC bietet:
- Herstellung von Lebensmittelzutaten aus Wurzeln
- Forschung in den Bereichen Frucht, Zucker, Stärke
- Know-how in F&E und Technologie
- Direkten Zugang zur gesamten Lieferkette
Die ARIC sucht die Zusammenarbeit mit innovativen Startups, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Dabei setzt sie auf Open Innovation für neue Ideen und Partnerschaften.
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Zu den Produkten von AGRANA gehören:
- Fruchtpürees und -saucen
- Aufstriche
- Back- und Konditorwaren
- Zucker
- Gummi- und Geleeartikel
- Zusatzmittel für Fleisch- und Fleischerzeugnisse
Die Schließung von Leopoldsdorf und Hrušovany: Ein Rückblick
Die Schließung der Zuckerfabriken in Leopoldsdorf und Hrušovany im März 2025 war ein schmerzhafter Einschnitt für die AGRANA und die betroffenen Regionen. Insgesamt waren 270 Arbeitsplätze betroffen (120 in Leopoldsdorf und 150 in Hrušovany). AGRANA-Chef Stephan Büttner bezeichnete diesen Schritt als "schwierig, aber notwendig".
Der Aufsichtsrat der AGRANA hatte der Einstellung der Zuckerproduktion an den Standorten Leopoldsdorf und Hrušovany mit sofortiger Wirkung zugestimmt. In Österreich wurde die gesamte heimische AGRANA-Zuckerproduktion auf den Standort Tulln konzentriert, in Tschechien auf das Werk in Opava.
Diese Maßnahme wurde als "ein wichtiger Teil der strategischen Neuausrichtung des Konzerns" dargestellt, mit dem Ziel, eine langfristige Stabilisierung und Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Zuckerproduktion zu erreichen. Steigende Produktionskosten, zunehmender Wettbewerbsdruck durch den Rückgang des Zuckerverbrauchs in der EU, Marktliberalisierungen sowie regulatorische Vorgaben hätten die Fortführung der Produktion an je zwei Standorten in Österreich und Tschechien "wirtschaftlich untragbar gemacht".
Die Zuckerkrise und der gescheiterte "Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers"
Bereits im Januar hatte AGRANA ein negatives Neunmonatsergebnis veröffentlicht. Das operative Ergebnis (Ebit) des Konzerns war im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 65,8 Prozent auf 51,1 Millionen Euro gesunken, der Umsatz gab um 8,1 Prozent auf 2,71 Milliarden Euro nach. Während das Fruchtsegment ein gutes Ergebnis erzielte, brach das operative Ergebnis im Segment Zucker von plus 41,3 Millionen Euro auf minus 50,2 Millionen Euro ein.
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Schon im Jahr 2020 stand die Schließung der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf im Raum. Um das zu verhindern, initiierte die damalige Landwirtschaftsministerin Österreichs, Elisabeth Köstinger, den "Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers". Dieser sah Wiederanbauprämien im Falle von Schädlingsbefall, eine Förderung von Forschungsaktivitäten sowie die Absicherung der Rübenproduktion vor. Mit Agranas Ankündigung, die Fabrik in Leopoldsdorf zu schließen, ist diese Initiative nun endgültig gescheitert.
Automatisierung und Effizienzsteigerung im Werk Tulln
Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Effizienz zu steigern, setzt AGRANA im Werk Tulln auf moderne Technologien und Automatisierung. So wurde beispielsweise eine Niedrigtemperatur-Trocknungsanlage installiert, die den Energieverbrauch deutlich reduziert.
Bei der Planung und Umsetzung von Elektroanlagen setzt AGRANA auf die CAE-Software ecscad von Mensch und Maschine. Gerhard Hernaus, ein erfahrener Elektroplaner bei AGRANA, schätzt die Automatismen der Software und die Möglichkeit, mit dem aktuellen Planungsstand zu arbeiten. Die Software ermöglicht eine korrekte Nachverfolgung der gesamten Planung und bietet dank Auto-CAD als technologischer Basis eine ähnliche Bedienung für R&I-Fließschemata und Elektroplanung.
Die Elektroanlagen im Werk Tulln gewährleisten einen reibungslosen Produktionsablauf, von der Anlieferung der Rohstoffe bis zur Verarbeitung zu Zucker und Tierfuttermitteln. Die Anlage wird mit zwei Transformatoren zu je 2.000 kVA versorgt. Die Steuerung und Ansteuerung der Anlage sind in einer ca. 60 m² großen Schaltwarte untergebracht.
Zuckerproduktion im internationalen Vergleich
Österreich spielt im globalen Vergleich der Zuckerproduktion eine eher untergeordnete Rolle. Die größten Zuckerproduzenten der Welt sind Brasilien und Indien.
| Land | Anteil in Prozent | Produktion in Millionen Tonnen |
|---|---|---|
| Brasilien | 24,9 Prozent | 48 |
| Indien | 18 Prozent | 34,8 |
| China | 5,6 Prozent | 10,8 |
Die 27 Staaten der Europäischen Union erzeugen zusammen 8,5 Prozent oder 16,3 Millionen Tonnen des weltweiten Zuckers. Deutschland trägt bei der EU-Zuckerproduktion den Löwenanteil bei (27,7 Prozent), während Österreich innerhalb der EU nur einen Anteil von 2,8 Prozent und Tschechien einen Anteil von 4 Prozent hat.
Auswirkungen auf die Tierfutterproduktion
Neben der Zuckerproduktion werden im Werk Tulln auch Reste zur Tierfutterproduktion verarbeitet. Die Schließung des Werks in Tulln hätte somit auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Tierfuttermitteln.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz
AGRANA legt Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Durch die Installation einer Niedrigtemperatur-Trocknungsanlage konnte der Energieverbrauch um rund 50 Prozent gesenkt und die jährlichen CO2-Emissionen um fast 20 Prozent reduziert werden.
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