Zucker: Droge oder einfach nur süße Verführung? Wissenschaftliche Studien im Fokus
Die Debatte um die Auswirkungen von Zucker auf unsere Gesundheit und sein Suchtpotenzial ist in vollem Gange. Während einige Wissenschaftler und Ernährungsberater Zucker als eine Art "Droge" betrachten, die ähnliche Mechanismen im Gehirn aktiviert wie Suchtmittel, argumentieren andere, dass diese Einschätzung übertrieben ist. Dieser Artikel beleuchtet die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema und untersucht, ob Zucker tatsächlich süchtig machen kann und welche gesundheitlichen Folgen ein übermäßiger Zuckerkonsum hat.
Zucker - Mehr als nur ein Süßmacher
Zucker ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Ernährung und dient als wichtiger Energielieferant für den Körper. Es gibt verschiedene Arten von Zucker, darunter Glukose, Fruktose und Saccharose, die in vielen Lebensmitteln vorkommen. Natürliche Zuckerquellen sind Früchte, Gemüse und Getreide, während zugesetzter Zucker häufig in Süßigkeiten, Softdrinks und verarbeiteten Lebensmitteln zu finden ist.
Jeder Deutsche verbraucht aktuell insgesamt knapp 35 Kilogramm allein an Haushaltszucker pro Jahr. Doch wir nehmen noch mehr Zucker zu uns - und wissen es oft noch nicht einmal: als Honig, in Form von Sirup, Glukose oder Fruktose in Obst und Säften. Dabei braucht unser Körper gar keine Extra-Zufuhr an Zucker. Kohlenhydrate aus Brot oder Nudeln liefern die Energie, die wir benötigten. Als Energielieferanten reichen etwa Brot und Nudeln vollkommen. Zucker liefert unserem Körper also nichts als überflüssige Kalorien, die uns bekanntermaßen dick werden lassen, weil dadurch die Fettverbrennung blockiert wird.
Die verschiedenen Gesichter des Zuckers
Zucker tritt in verschiedenen Formen auf, was oft zu Missverständnissen führt. Natürlicher Zucker, wie er in Früchten vorkommt, ist Teil einer ausgewogenen Ernährung und enthält neben Zucker auch Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Diese Nährstoffe verlangsamen die Aufnahme des Zuckers in den Blutkreislauf und verhindern starke Blutzuckerschwankungen. Hingegen führt der Konsum von zugesetztem Zucker, insbesondere in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Softdrinks, Süßigkeiten und Backwaren, zu gesundheitlichen Risiken.
Saccharose, auch bekannt als Haushaltszucker, ist die am häufigsten verwendete Zuckerart und findet sich in vielen Lebensmitteln wie Süßigkeiten und Backwaren. Dextrose, auch als Traubenzucker bekannt, ist eine schnell verfügbare Energiequelle und wird oft in Sportgetränken verwendet. Raffinose ist ein Dreifachzucker, der aus Galactose, Glucose und Fruktose besteht und in Hülsenfrüchten vorkommt. Fruktose, auch bekannt als Fruchtzucker, ist in vielen Früchten enthalten und wird oft als gesündere Alternative zu anderen Zuckerarten angesehen.
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Fruktose: Süße Gefahr für die Leber?
Fruktose, auch bekannt als Fruchtzucker, kann bei übermäßigem Konsum zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Die Leber ist das Hauptorgan, das Fruktose verarbeitet, und bei hohen Mengen kann sie diese nicht vollständig verwerten. Stattdessen wird Fruktose in Fett umgewandelt, was zu einer Fettleber und Entzündungen führen kann. Langfristig kann dies zu Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes führen. Forschungsergebnisse deuten zudem auf eine besondere Gefahr im Zusammenhang mit Fruchtzucker hin: Er soll weniger satt machen als anderer Zucker, was dazu führen kann, dass wir mehr davon essen. Schon Kinder können durch zu viel Zuckeraufnahme eine Fettleber entwickeln, ähnlich wie Alkoholiker. Sie kann ein frühes Anzeichen des Metabolischen Syndroms sein, einem ganzen Bündel von Krankheiten: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und Adipositas.
Dennoch werden immer mehr Produkte mit Fruchtzucker gesüßt - Ketchup, Fertiggerichte, Soßen oder Müslis beispielsweise. Das Wort "Frucht" lässt den Zucker harmlos erscheinen. Deshalb werben manche Hersteller damit. Manchmal ist der Fruchtzucker aber auch gar nicht ausgewiesen. Eine spezielle Kennzeichnungspflicht gibt es bisher nämlich nicht.
Die Auswirkungen von Zucker auf unseren Körper
Zucker hat verschiedene Auswirkungen auf unseren Körper. Einerseits dient er als schneller Energielieferant, der uns kurzfristig einen Energieschub gibt. Andererseits kann ein übermäßiger Zuckerkonsum zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Der Körper benötigt keinen zusätzlichen Zucker, da Kohlenhydrate aus Lebensmitteln wie Brot oder Nudeln bereits ausreichend Energie liefern. Ein hoher Zuckerkonsum kann zu Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Essen wir ständig Zucker, steigen auch der Blutzuckerspiegel und die Insulinausschüttung ständig an. Und das wiederum führt irgendwann zu einer Insulinresistenz: Die Zellen werden unempfindlich gegenüber dem Hormon. Diabetes Typ 2 entsteht. Fruchtzucker (Fruktose) wirkt weniger auf den Blutzuckerspiegel und kann die Leber schädigen. Denn über die Leber wird er verstoffwechselt. Kommt dort mehr Fruktose an, als das Organ verwerten kann, wandelt es den Zucker in Fett um. Das wird in der Leber eingelagert und fördert Entzündungen.
Zucker und das Belohnungssystem im Gehirn
Wenn wir Zucker konsumieren, reagiert unser Gehirn mit einem Belohnungssignal, das Dopamin freisetzt und ein Gefühl des Wohlbefindens erzeugt. Diese Reaktion kann dazu führen, dass Zucker süchtig macht und ähnlich wie eine Droge wirkt. Tatsächlich kann der Verzehr von Zucker kurzfristig zu einem Gefühl des Wohlbefindens führen. Zucker dient auch als Energielieferant.
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Der Vergleich von Zucker mit Drogen basiert auf Studien, die zeigen, dass Zucker das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und Dopamin freisetzt, ähnlich wie bei Suchtstoffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt seit 2015 möglichst nicht mehr als etwa 25 Gramm "freien Zucker" pro Tag zu sich zu nehmen. Damit ist zugesetzter Zucker gemeint. Es geht also nicht nur um das Stück Würfelzucker, mit dem Kaffee gesüßt wird, sondern um die gesamten Zuckerarten, die wir im Laufe des Tages über Fruchtjoghurts, Fertiggerichte, Ketchup, Müsli oder Marmelade zu uns nehmen. Zusätzlicher Zucker (neben dem natürlicherweise in Obst, Milch und anderen Lebensmitteln vorkommenden) sollte maximal 10 Prozent der täglichen Energiemenge ausmachen. Das entspricht bei einem durchschnittlichen Erwachsenen einer Obergrenze von etwa 50 Gramm, bei Kindern deutlich weniger.
Zuckerentzug: Ein Kinderspiel?
Entzugserscheinungen können auftreten, wenn man den Zuckerkonsum abrupt reduziert, ähnlich wie bei anderen Suchtstoffen. Eine kritische Betrachtung der Forschung zeigt, dass es zwar eine Verbindung zwischen Zucker und dem Belohnungssystem gibt, doch dies allein macht Zucker nicht zu einer Droge. Der Zuckerentzug ist kein Kinderspiel und kann mit verschiedenen Entzugserscheinungen einhergehen. Wenn der Körper nicht mehr die gewohnte Menge an Zucker erhält, können Symptome wie Zittern, Heißhungerattacken, Nervosität, Angst, Übelkeit, Benommenheit, Reizbarkeit und Müdigkeit auftreten. Um diese negativen Auswirkungen zu minimieren, ist es wichtig, den Zuckerentzug langsam und kontrolliert durchzuführen.
Zucker in Lebensmitteln: Wo lauert die Gefahr?
Heutzutage finden wir in vielen Produkten Zucker, wo wir es gar nicht vermuten. Viele Fertigprodukte und Fast Food enthalten überraschend viel Zucker. Zum Beispiel stecken sechs Stück Würfelzucker in einer Tiefkühl-Salami-Pizza, 39 Stück Würfelzucker in einem sogenannten Fitness-Müsli oder neun Stück in einer Packung Kartoffelsalat aus dem Kühlregal. Zucker dient in verarbeiteten Lebensmitteln oft als chemisches Bindemittel, Konservierungsstoff oder als Kompensation bei fettarmen Light-Produkten. Denn wenn wenig Fett drin ist, schmeckt das Produkt nicht, deshalb fügen die Hersteller Zucker hinzu. Die Aufschrift "reduzierter Zuckergehalt" bedeutet nur, dass in einem Produkt 30 Prozent weniger Zucker als in vergleichbaren Produkten steckt. Darum sollte man lieber auf absolute Mengenangaben in der Zutatenliste achten.
Auch "alternative Süßungsmittel" wie Ahornsirup, Agaven- oder Birnen-Dicksaft und Apfelsüße bestehen größtenteils aus Zucker, enthalten oft große Mengen Fruchtzucker. Sie bieten zwar mehr Mineralstoffe, aber kaum weniger Kalorien und sind deutlich teurer als Zucker. Genau wie Kokosblütenzucker, der aus dem Saft der Kokosblüte gewonnen wird, und 70 bis 90 Prozent Saccarose, also Haushaltszucker, enthält. Allerdings gibt es Hinweise, dass der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr von Kokosblütenzucker etwas langsamer ansteigt. Yaconzucker, der aus der peruanischen Yaconwurzel hergestellt wird, besteht anders als herkömmlicher Zucker nicht nur aus zwei Bausteinen, sondern aus einer längeren Molekülkette. Damit gehört er eher zu den Ballaststoffen.
Zucker und Kinder: Ein sensibles Thema
Bei Kindern ist der Zuckerkonsum ein besonders sensibles Thema. Zucker ist in vielen Kindernahrungsmitteln und Getränken enthalten, oft in Form von Fruktose oder anderen Zuckerarten. Es ist wichtig, die Zutatenlisten sorgfältig zu lesen und den Zuckergehalt zu überprüfen, um sicherzustellen, dass Kinder nicht zu viel Zucker konsumieren. Eine ausgewogene Ernährung mit vielen frischen Früchten und Gemüse kann helfen, den Zuckerkonsum zu reduzieren und die Gesundheit der Kinder zu fördern.
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Es gibt einen weit verbreiteten Mythos, dass Zucker bei Kindern zu Hyperaktivität führt. Mehrere Studien, darunter auch Meta-Analysen, haben keine klare Verbindung zwischen Zuckerkonsum und Hyperaktivität gefunden. Während der Körper von Kindern Zucker als Energiequelle benötigt, führt der übermäßige Konsum von zugesetztem Zucker - wie er in Softdrinks, Süßigkeiten und verarbeiteten Lebensmitteln enthalten ist - zu einem erhöhten Risiko für Fettleibigkeit, Karies und Typ-2-Diabetes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere Gesundheitsorganisationen empfehlen, den Zuckerzusatz bei Kindern stark zu begrenzen. Kinder im Alter von 2 bis 18 Jahren sollten nicht mehr als 25 Gramm (ca. sechs Teelöffel) Zucker pro Tag konsumieren. Für jüngere Kinder sollte dieser Wert sogar noch niedriger liegen.
Die Rolle der Lebensmittelindustrie
Die Lebensmittelindustrie versteckt Zucker oft hinter verschiedenen Namen in den Zutatenlisten, wie Fruktose, Fruktose-Sirup oder Fruktose-Glukose-Sirup. Diese Zuckerarten finden sich häufig in Limonaden, Puddings, Säften, Müsli und Fertiggerichten. Die Lebensmittelindustrie verwendet Zucker nicht nur wegen seines Geschmacks, sondern auch, weil er ein billiger Rohstoff ist, der hohe Gewinne ermöglicht. Zucker und süßende Mittel auf Maisbasis sind kostengünstig in der Herstellung und werden daher in großen Mengen verwendet. Je mehr billige Rohstoffe eingesetzt werden, desto höher sind die Gewinne der Industrie. Diese nutzt unsere Vorliebe für Süßes aus, um ihre Produkte attraktiver zu machen und den Konsum zu steigern. Dadurch wird der Zuckerkonsum der Verbraucher erhöht, was langfristig gesundheitliche Probleme verursachen kann.
Diabetes mellitus: Zucker ist ein Risikofaktor
Zucker kann in zweifacher Hinsicht das Risiko an Diabetes mellitus (Typ II) zu erkranken, erhöhen. Zum einen fördert zu viel Zucker im Essen das Übergewicht und Übergewicht ist ein anerkannter Risikofaktor für diese Krankheit. Süßigkeiten und viele andere süße Lebensmittel verführen zum Naschen und häufig auch zum übermäßigen Naschen. Gleichzeitig werden Lebensmittel mit viel Zucker überall und immer angeboten und zudem noch sehr stark beworben. Mit der Verfügbarkeit von Zucker wiederum steigt weltweit der Anteil an Menschen mit Übergewicht und schwerem Übergewicht (Adipositas). Zum anderen haben Studien speziell zu Softgetränken gezeigt, dass Menschen mit einem hohen Softgetränke-Konsum ein deutlich höheres Risiko besitzen, Typ-2 Diabetes zu bekommen.
Übergewicht: Die Folge eines Ungleichgewichts
Übergewicht ist die Folge eines Ungleichgewichts von Kalorienaufnahme und Kalorienverbrauch. Und dieses Ungleichgewicht wird durch Zucker verstärkt, denn Zucker trägt wesentlich zur Energieaufnahme bei und hat einen geringen Sättigungswert, so dass man nach einem gesüßten Schokoriegel schnell wieder Hunger verspürt.
Politische Maßnahmen zur Reduzierung des Zuckerkonsums
Über eine Zuckersteuer wird immer mal wieder diskutiert - in Großbritannien müssen die Hersteller zuckriger Getränke seit April 2018 eine Abgabe zahlen. Damit werden Gesundheitsförderungsprojekte in Schulen, mehr Sport und besseres Schulessen bezahlt. Zudem sind entsprechende Zuckersteuern in Irland, Frankreich, Ungarn, Finnland und Mexiko in Kraft und seit 2021 auch in Polen. Werbung, etwa in Fernsehsendungen für Kinder oder Online-Spiele mit Süßigkeiten, beeinflussen das Ernährungsverhalten von Kindern, da sie nicht zwischen Werbung und Realität unterscheiden können. Studien zeigen, dass werbefreie Lebenswelten (z.B. Kita und Schule) bei Kindern zu einem gesünderen Ernährungsverhalten führen. Sind an jeder Ecke Süßigkeiten erhältlich oder werden diese in den (sozialen) Medien beworben, dann greifen sie eher zu.
Neben der Einführung der Zuckersteuern in Großbritannien, darf seit Herbst 2022 keine „Quengelware" mehr an Kassen in Supermärkten platziert werden. Seit Oktober 2023 gibt es für „Junkfood" außerdem keine Lockangebote mehr. Eine Studie der Cambridge University legt nahe, dass die Zuckersteuer in Großbritannien die Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert hat.
Die wissenschaftliche Evidenz zur Zuckersucht
Die Behauptung, Zucker könne süchtig machen, hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme beruht unter anderem darauf, dass nach Zuckerverzehr im Gehirn der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. Eine Dopaminausschüttung ist aber nicht nur nach dem Verzehr von etwas Schmackhaftem wie Zucker, sondern in Folge aller „natürlichen Belohnungen“ messbar. Zudem gibt es wesentliche Unterschiede zwischen dem Reaktionsmuster des Gehirns auf Drogen und dem auf „natürliche Belohnungen“. Auch darüber wird verstärkt diskutiert, die Abgrenzung zwischen Sucht und „natürlichen Belohnungen“ durch Zucker ist fließend. Hier ist mehr Forschung nötig.
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