Vom Ursprung bis zur Tafel: Eine Reise durch die Welt der Schokolade
Die Geschichte der Schokolade ist eine faszinierende Reise, die vor über 5500 Jahren in den Tiefen des Amazonas begann und sich über Kontinente und Kulturen hinweg bis in unsere heutige Zeit erstreckt. Von einer bitteren, göttlichen Speise der Maya und Azteken zu einer globalen Süßwarenindustrie hat die Schokolade eine bemerkenswerte Wandlung erlebt.
Die Anfänge in Südamerika
Die Ursprünge des Kakaos liegen in Südamerika, wo der Kakaobaum (Theobroma cacao) wild wuchs. Neue Forschungen im Hochland von Ecuador deuten darauf hin, dass Kakao bereits vor etwa 5500 Jahren genutzt wurde. Funde in Santa Ana-La Florida in Ecuador, die Kakaoreste wie DNA, Stärkekörnchen und Theobromin enthielten, belegen diese frühe Nutzung. Das Hochland von Ecuador gilt als Ausgangspunkt für den frühen Handel und die Verbreitung des Kakaos nach Norden.
Die Olmeken und Maya: Kakao als Kulturgut
In Mittelamerika war der Kakaobaum vor fast 4000 Jahren bekannt. Die Olmeken, die erste bekannte Hochkultur im heutigen Mexiko, bereiteten bereits 1800 bis 1000 v. Chr. ein Kakaogetränk zu. Vermutlich verwendeten sie auch schon das Wort "Kakao". Die Maya kultivierten den Kakaobaum, bauten ihn auf großen Feldern an und entwickelten Bewässerungssysteme für ertragreiche Ernten. Sie verzierten Gefäße mit Aufschriften und Ornamenten, um die Verwendung des Kakaogetränks zu kennzeichnen. Archäologen fanden in einem mit der Glyphe "kakaw" beschrifteten Gefäß einen dunklen Belag, der Theobromin enthielt - ein starker Hinweis auf Kakaoreste. Die Maya nutzten Kakao auch als eine Art Weihwasser, als Opfergabe für die Götter und als Grabbeigabe. Zudem galt Kakao als Allheilmittel gegen Durchfall, Masern und Geburtsschmerzen, während die Kakaobutter bei Entzündungen und Hautproblemen eingesetzt wurde.
Die Azteken: Kakao als Zahlungsmittel
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichteten die Azteken ihre Hauptstadt dort, wo heute Mexiko-Stadt liegt. Wie die Maya schätzten sie Kakao sehr und nutzten ihn hauptsächlich in den oberen Gesellschaftsschichten. Tributzahlungen von unterstellten Provinzen wurden in Kakaobohnen und Trinkgefäßen geleistet, und die Handelsrouten für den Kakao wurden streng bewacht. Kakaobohnen dienten auch als Währung: Ein Truthahn kostete etwa 200 Kakaobohnen, ein Hase 100 Kakaobohnen und eine Avocado ein bis drei Kakaobohnen. Die Azteken nannten sowohl den Kakao als auch das Kakaogetränk "cacahuatl". Wissenschaftler vermuten, dass die Zubereitung ähnlich der der Maya war, das Getränk jedoch vorrangig kalt getrunken wurde.
Die Ankunft in Europa
Christoph Kolumbus begegnete 1502 auf seiner vierten Amerikareise einem Handelsschiff der Maya, das Kakaobohnen geladen hatte. Jedoch erst Hernán Cortés brachte die Kakaobohne im 16. Jahrhundert nach Europa. Der erste belegte Nachweis für Kakao in Europa stammt aus dem Jahr 1544. Zunächst war Kakao ein Getränk, das nach der Tradition der mittel- und südamerikanischen Völker zubereitet wurde. Da die Kakaobohne selbst bitter ist, wurde das Getränk mit Rohrzucker oder Honig gesüßt, um den europäischen Geschmacksvorstellungen zu entsprechen.
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Kakao als Getränk des Adels
Im 17. Jahrhundert erfreute sich Kakao wachsender Beliebtheit in Europa. Heißgetränke waren exotisch und außergewöhnlich, und so wurde das Kakaogetränk, das sich im Laufe der Zeit von "chocolatl" zu "chocolate" wandelte, schnell in den Adelshäusern Europas verbreitet. Wie schon in Amerika war das Getränk nur den oberen Bevölkerungsschichten zugänglich. Durch regelmäßige Kakaolieferungen und die Auflösung des spanischen Kakaomonopols durch den Anbau in anderen europäischen Kolonien verbreitete sich der Kakao von Spanien aus in den Adelsschichten anderer europäischer Länder. Der Adel zelebrierte das Trinken von Schokolade durch die Zugabe von Zucker und Gewürzen wie Zimt und Anis, und es entwickelten sich spezielle Gefäße und Service für den Konsum des Kakaogetränks.
Die Schattenseiten des Kakaoanbaus
Die enorme Nachfrage in Europa führte zu Engpässen in der Kakaolieferung. Eroberungskriege, Zwangsarbeit und eingeschleppte Krankheiten dezimierten die indigene Bevölkerung Mesoamerikas, was zu einem Arbeitskräftemangel führte. Um diesen auszugleichen, wurden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert 15 bis 20 Millionen Menschen aus Westafrika nach Amerika verschleppt und auf Kakao-Plantagen versklavt. Über den atlantischen Dreieckshandel wurden fertige Güter nach Westafrika gebracht und gegen versklavte Menschen eingetauscht, die auf den Plantagen in Amerika arbeiten sollten. Die Kolonialmächte wie Spanien, Portugal, Frankreich, Holland, Deutschland, England und Dänemark profitierten von den Erträgen dieser Ernten. Der Kakao gelangte aus den Gebieten Mexiko, Guatemala, Brasilien, Venezuela und Ecuador auch in die heutigen Staaten Französisch-Guayana, Surinam und auf die Karibischen Inseln. Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte der Kakao auch die Kolonien in Westafrika und Asien.
Die Industrialisierung und die Geburt der Tafelschokolade
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts fand das Schokoladengetränk langsam Einzug in das Bürgertum. Der Konsum bzw. Handel von Kakao wurde steuerpflichtig, staatlich kontrolliert und konzessioniert. Es entstanden Kaffeehäuser und Schokoladenstuben als zentrale Treffpunkte. Im 19. Jahrhundert gewann der technische Fortschritt im Zuge der Industrialisierung an Bedeutung, und es wurden Verfahren und Maschinen entwickelt, um Tafelschokolade herzustellen.
Technische Innovationen revolutionieren die Schokoladenherstellung
- 1819: Der französische Schokoladenhersteller Pelletier und die englische Firma Joseph Fry setzen die erste Dampfmaschine bei der Schokoladenherstellung ein.
- 1811: Poincelet entwickelt den Mélangeur, um Kakaomasse und Zucker effizient zu vermischen.
- 1828: Der holländische Chemiker Van Houten erfindet die Kakaobutterpresse.
- 1846: Daupley konstruiert die Eintafelanlage für die industrielle Produktion von Schokolade in einheitlicher Größe.
- 1847: Fry & Sons bringen die erste feste Essschokolade auf den Markt.
- 1873: Stollwerck konstruiert den Fünfwalzenstuhl zur Verbesserung der Schokoladenqualität.
- 1875: Daniel Peter verwendet das von Henri Nestlé entwickelte Milchpulver, um Milchschokolade herzustellen.
- 1879: Rodolphe Lindt erfindet das Conchieren, ein Verfahren, das die Schokolade besonders lange rührt und sie zarter und cremiger macht.
Vielfalt und Reinheit der Schokolade
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es eine breite Palette an Schokoladensorten, darunter einfache, aromatisierte, stärkehaltige und medizinisch-pharmazeutische Schokolade. 1877 verpflichteten sich die teilnehmenden Schokoladenhersteller des Verbandes deutscher Schokoladenhersteller zur Reinheit der Schokolade und druckten den Hinweis „Garantiert rein Kakao und Zucker“ auf ihren Verpackungen ab.
Schokolade im 20. Jahrhundert und heute
Im Zweiten Weltkrieg produzierte die deutsche Schokoladenindustrie fast ausschließlich für die Armee. Ab den 1960er-Jahren wurden auch Schokoriegel angeboten, vor allem für Kinder. Die Vielfalt der Schokoladenunternehmen nahm mit der weltweiten Preismacht auf dem umkämpften Schokoladenmarkt ab. So wurde Stollwerck in den 1970er-Jahren von Hans Imhoff gekauft und 2002 in das Schweizer Unternehmen Barry Callebaut eingegliedert. Heute wird der weltweite Schokoladenmarkt von wenigen großen internationalen Unternehmen beherrscht, darunter Barry Callebaut, Cargill, Olam International, Mars Incorporated, Ferrero, Mondelez International, Nestlé und Lindt & Sprüngli.
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Kakaoanbau heute: Herausforderungen und Initiativen
Die weltweite Erntemenge von Kakao wird im Jahr 2023/24 auf 4,45 Millionen Tonnen geschätzt, wobei Côte d’Ivoire mit 1,8 Millionen Tonnen den größten Beitrag leistet. Der Klimawandel führt jedoch zu zunehmenden Extremwetterereignissen in den Anbauländern, was zu erheblichen Ernteeinbußen und steigenden Rohstoffpreisen führt. Viele Kleinbauern leiden unter den Ernteverlusten und Preisfluktuationen. Global sind rund sechs Millionen Menschen in der Kakaoproduktion beschäftigt und sichern den Lebensunterhalt für 40-50 Millionen Menschen. Die Geschichte des Kakaoanbaus ist eng mit der Kolonialgeschichte verknüpft und zeigt die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen. Große Konzerne dominieren den Markt, während Kleinbauern nur einen Bruchteil der Profite erhalten und oft unter prekären Bedingungen leben. Mittlerweile gibt es jedoch immer mehr Initiativen und Siegel, die darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen im Kakaosektor zu verbessern und eine faire Entlohnung zu gewährleisten. Schokoladen in Bioqualität oder aus fairem Handel gewinnen an Bedeutung.
Deutschland als Schokoladenland
Deutschland gehört zu den großen Schokoladenländern der Welt. Rund 10 Prozent der globalen Kakaoernten werden hierzulande von den Unternehmen des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) zu Schokolade verarbeitet. Mehr als 600.000 Tonnen Schokolade wurden im Jahr 2018 von Deutschland aus exportiert. Verbraucher in Deutschland konsumieren jährlich rund 7,9 Kilogramm Schokolade pro Kopf.
Der Weg der Kakaobohne zur Schokolade
- Anbau und Ernte: Kakaobäume wachsen in tropischen Klimazonen, hauptsächlich in Westafrika, wo sie viel Feuchtigkeit und Schatten benötigen. Die Schoten reifen etwa ein halbes Jahr und werden dann von Hand mit Macheten geerntet.
- Fermentation: Die Kakaobohnen werden für einige Tage zwischen Bananenblättern oder in Holzkisten gelegt, wo sie gären und Temperaturen von bis zu 50 °C erreichen. Dieser Prozess mildert die Bitterstoffe und verleiht den Bohnen ihre typische Färbung.
- Trocknung: Die Kakaobauern breiten die Kakaobohnen auf Matten aus, wo sie rund zwei Wochen in der Sonne trocknen.
- Röstung: Die Kakaobohnen werden je nach Verwendungszweck bei unterschiedlichen Temperaturen geröstet. Für Schokolade sind es etwa 100 bis 115 °C, für Kakaopulver 100 bis 150 °C.
- Brechen und Schälen: Die gerösteten Bohnen werden in einer Brechanlage zerkleinert, und ein Luftstrom bläst die Schalenteilchen fort. Übrig bleibt der Kakaokernbruch.
- Mahlen: Der Kakaokernbruch wird in Kakaomühlen bzw. Walzwerken gemahlen, wobei Kakaobutter austritt und die Masse zu flüssiger Schokolade wird.
- Mischen und Walzen: Unter Zugabe weiterer Zutaten wie Zucker und Milch verrühren die Hersteller die Kakaomasse und walzen diese fein.
- Conchieren: Die flüssige Masse wird bis zu 48 Stunden lang gerührt und erhitzt, um den Kakaogeschmack zu verfeinern.
- Formen und Kühlen: Die flüssige Masse wird in Formen gefüllt und kühlt ab.
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