Die Geschichte von Stollwerck Schokolade in Saalfeld: Von Mauxion zu Rotstern
Die Schokoladenfabrik in Saalfeld, heute Teil des Unternehmens Stollwerck, blickt auf eine über 120-jährige Geschichte zurück. Der markante Gebäudekomplex am Ufer der Saale ist eine Industrie-Ikone der Region. Viele kennen noch die Produkte Bambina, Edelbitter oder Schlager-Süßtafel. Achtung: 85 Prozent der Tafelschokolade in der DDR stammten aus dem Schokoladenwerk Rotstern in Saalfeld. Doch die Geschichte des Werkes reicht viel weiter zurück.
Die Anfänge: Mauxion unter Ernst Hüther
Bereits 1901 wurde in Saalfeld von den Gebrüdern Mauxion eine Schokoladenproduktion gegründet. Der schillernde Unternehmer Ernst Hüther entwickelte das Werk unter dem Namen Mauxion und machte es zum bedeutendsten Arbeitgeber der Stadt. Hüther baute das Unternehmen zu einem florierenden Betrieb aus, zu dem bald zahlreiche Zulieferbetriebe, Werkswohnungen, eine große Fahrzeugflotte und mehrere Hotels gehörten. In den 1920er Jahren beschäftigte Mauxion bis zu 1800 Angestellte.
Hüther nutzte die Gestaltung - Logo und Corporate Design - um die Anziehungskraft seiner Marke auszubauen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei die Verpackungen, aber auch Anzeigen, Plakate und Sammelbilder wurden genutzt. Außerdem gab es Kampagnen, wie den „Maux-Bub“. Das Unternehmen investierte mehr als andere in die Werbung, was Qualitätsbewusstsein und ein Faible für ästhetische Fragen widerspiegelte.
In den 1920er-Jahren stieg die Nachfrage nach Schokolade stark an und Mauxion expandierte. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von 500 im Jahr 1920 auf 1.800 im Jahr 1925, die nun 300.000 Schokoladentafeln am Tag fertigten.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Während der Zeit des Nationalsozialismus arrangierte sich Ernst Hüther mit dem Regime und achtete immer auf den Vorteil für seine Firma. Er setzte zunehmend auch auf öffentliche Aufträge für Schokoladengetränke, die dann garantiert abgenommen wurden. Damit konnte er neue Kundenkreise erschließen und den Kontingentierungen der Roh- und Ausgangsstoffe entkommen. Er wurde erst 1937 Mitglied der NSDAP, agierte aber als Saalfelder Ratsherr und als Unternehmer im Sinne des Regimes. Mit der kriegswichtigen Produktion von Nährmitteln und der Untervermietung von Teilen der Fabrikanlagen an Rüstungsproduzenten konnte er die Schließung des Unternehmens verhindern. Hüther bemühte sich auch um den Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in seiner Firma. Er erwirtschaftete nun wieder Gewinn, was auch den Reichspreiskommissar auf den Plan rief, der Strafzahlungen wegen „überhöhter Preise“ verhängte. Hüther verstarb 1944 und seine Witwe und der älteste Sohn Werner übernahmen die Geschäftsführung.
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Nachkriegszeit und Enteignung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Privatvermögen und das Unternehmen in der SBZ entschädigungslos enteignet. 1948 entstand daraus der VEB „Mauxion“. Die Familie leistete Widerstand gegen die Enteignung. Der älteste Sohn Hüthers war in den Westen geflohen und musste sich dort einem Entnazifizierungsverfahren stellen, in dem er als „Mitläufer“ eingestuft wurde.
Neuanfänge im Osten und Westen
Werner Hüther baute in Garmisch-Patenkirchen eine neue Schokoladenfabrik auf. Nachdem die Kontingentierung von Kakao beendet wurde, waren die Rohstoffe zunehmend in besserer Qualität zu bekommen und „Mauxion“ konnte im „Wirtschaftswunder“ der 1950er-Jahre expandieren. Ende der 1950er-Jahre verkaufte Werner Hüther die Firma an Trumpf in Aachen.
Der VEB Mauxion in Saalfeld sah sich in Folge eines Rechtsstreits mit den ehemaligen Eigentümern genötigt, den Markennamen abzulegen. Ab 1955 firmierte er als „VEB Rotstern“, was sich zu einer eigenen Marke entwickelte. Zur gleichen Zeit erlebte der Betrieb eine Umgestaltung im Sinne der Planwirtschaft und eine stetig wachsende Kontrolle durch die SED. Zudem hatte er länger als sein Pendant im Westen mit Rohstoffmangel zu kämpfen. Erst in den 1960er-Jahren entspannte sich die Lage etwas, wenngleich bestimmte Zutaten, wie Marzipan, immer noch häufig fehlten. Inzwischen veralteten aber auch die Maschinen und es musste vielfach improvisiert werden. Trotzdem wurde der VEB Rotstern zu einem der führenden Schokoladenhersteller in der DDR und nach dem Zusammenschluss mit zwei weiteren Produzenten 1966 bzw. 1981 sogar zum ostdeutschen Monopolisten.
VEB Rotstern in der DDR
In der DDR wurde aus Mauxion der VEB Rotstern - ein Schwergewicht der ostdeutschen Schokoladenherstellung. Die sozialistische Marke „Rotstern“ erlangte ab Mitte der 1950er Jahre in der DDR einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie Mauxion in den 1920ern. Das Kollektiv musste so manche Engpässe meistern, um die Republik auch in schwierigen Zeiten mit Süßigkeiten zu versorgen.
Stollwerck und die Privatisierung
Nach der Wende wurde das Unternehmen von der Treuhandanstalt an die Stollwerck AG aus Köln verkauft. Die Alteigentümer der Familie erhoben noch einmal Einspruch und versuchten die Enteignung von 1948 rückgängig zu machen, was aber vergeblich blieb.
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Die Gestattungsproduktion der Stollwerck AG aus Köln hatte ihren Ausgangspunkt in dem Saalfelder Betrieb. Im Ergebnis verfügte dieser Betrieb Ende der 1980er-Jahre über hochmoderne Fertigungsanlagen und entsprach damit nicht „dem Klischee eines heruntergewirtschafteten, maroden DDR-Betriebs“.
Saalfeld und die Schokolade: Mehr als nur eine Fabrik
Der Schokolade verdankt Saalfeld eine Vielzahl von außergewöhnlichen Orten. So bildet der 20 Hektar große Bergfried-Park mit der Villa des Schokoladenfabrikanten Hüther ein original erhaltenes Beispiel der Architektur- und Gartenkunst der 1920er Jahre. Über der Stadt Saalfeld erklingen regelmäßig die Glockenklänge eines Carillons, welches einst mit den Erlösen aus der Schokolade erbaut wurde.
Stollwerck heute
Produktionsleiter Achim Kämmer ist in der Schokoladenfabrik, die heute zum Unternehmen Stollwerck gehört, dafür verantwortlich, dass von der Anlieferung der Kakaomasse bis zur Verpackung der fertigen Leckereien alles reibungslos läuft. In Spitzenzeiten werden hier täglich bis zu 150 Tonnen Schokoladenerzeugnisse hergestellt. Ein regelmäßiger Stresstest ist die Weihnachtsproduktion, welche die Belegschaft schon seit Sommer in Atem hält.
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