Halluzinogener Honig: Wirkung, Gefahren und Traditionen des "Mad Honey"

Honig wird seit jeher für seine vielfältigen heilsamen Eigenschaften geschätzt. Er soll bei Erkältungen helfen, die Wundheilung unterstützen und Entzündungen entgegenwirken. Doch es gibt auch eine besondere Art von Honig, der für seine halluzinogenen Wirkungen bekannt ist: der sogenannte "Mad Honey". Dieser Artikel beleuchtet die Herkunft, Wirkung, Gefahren und traditionelle Verwendung dieses außergewöhnlichen Honigs.

Was ist halluzinogener Honig?

Halluzinogener Honig, auch bekannt als "Mad Honey", ist Honig, der psychoaktive Substanzen enthält. Diese Substanzen, hauptsächlich Grayanatoxine, stammen aus dem Nektar bestimmter Pflanzen, insbesondere Rhododendronarten. Der Konsum dieses Honigs kann zu Halluzinationen, Schwindel, Übelkeit und anderen neurologischen Symptomen führen.

Herkunft und Tradition

Die bekanntesten Regionen für die Produktion von halluzinogenem Honig sind Nepal und die Schwarzmeerregion der Türkei.

Nepal

Im nepalesischen Annapurna-Gebirgsmassiv lebt das Volk der Gurung, das noch heute die altertümliche Tradition der Honigjagd pflegt. Die Gurung riskieren ihr Leben, um den kostbaren Honig von den Felswänden zu ernten. Mit selbstgebauten Leitern seilen sich die stärksten und mutigsten Männer des Stammes ab, um die mit Honig gefüllten Bienenwaben von der Felswand zu sammeln. Diese lebensgefährliche Aufgabe nehmen die Männer in Kauf, um das kostbare Gut für die Dorfbewohner zu ergattern. Mal ganz davon zu schweigen, dass Millionen umher summende Bienen die Aufgabe auch nicht gerade angenehm machen.

Die Menschen des Volksstamms Gurung aus der Region Pokhara in Nepal setzen deshalb auch für die Ernte des Honigs ihr Leben aufs Spiel. Denn die Honigwaben hängen an steilen Felsklippen und die Ernte erfordert viel Mut und Geschick. Um den wilden Honig zu ernten nutzen sie immer noch uralte Techniken. Bis heute wird die Honigernte an den Felsklippen in uralter Tradition betrieben. Durch den Glauben der Menschen, dass der Honig von den Göttern kommt, halten sie vor der Ernte immer Rituale ab, die für die erfolgreiche Honig-Ernte sorgen sollen. So werden im Frühling, vor dem Aufbruch zu den höheren Felsenklippen, Hühner oder Ziegen für die Sicherheit der Honigjäger geopfert, vor der Ernte singen die Honigjäger am Fuß der Klippen, um sich bei den Bienen zu entschuldigen. Zudem darf der Honig auch nur an bestimmten Tagen geerntet werden - aus Furcht vor dem Zorn der Götter. Durch die traditionelle Methode und dem damit einhergehenden Verzicht auf neue Hilfsmittel gestaltet sich die Ernte für die Honigjäger als schwierig. Diese klettern ungesichert an selbstgeknüpften Hängeleitern aus Bambus und Gräsern die steilen Felsklippen hinunter. Dabei befinden sie sich in etwa hundert Metern Höhe. An den selbstgeknüpften Leitern hängend versuchen die Jäger anschließend die Honigwaben, die von den Felsklippen hinunterhängen, abzutrennen. Dazu nutzen sie Bambusstöcke und Messer, mit Hilfe einer Art Widerhaken werden die Waben abgeseilt.

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Neben der stetigen Gefahr des Fallens sind die Honig-Jäger auch einer anderen Gefahr ausgesetzt: den Bienen. Denn die sogenannten Kliffhonigbienen (Apis laboriosa), auch als Felsenbienen bekannt, sind mit drei Zentimetern nicht nur die größte der neun weltweiten Honigbienenarten, ihr Gift ist auch neunmal so stark wie das der westlichen Honigbiene. Damit können schon ein paar Stiche tödliche Folgen für die Honigjäger haben. Zum Schutz der Honigjäger werden am Fuß der Klippen Stroh und Kräuter angezündet, damit die Bienen durch den Rauch benebelt werden. Aber auch der Rauch hilft nur bedingt, um die Jäger tatsächlich vor den Bienen zu schützen.

Nicht nur für die Honigjäger ist diese traditionelle Methode der Honigernte mit großen Gefahren verbunden. Die Honigjäger nehmen die Gefahren nicht ohne Grund auf sich: dem Himalaya-Honig wird eine heilende Wirkung nachgesagt. So nutzen ihn die Gurung in erster Linie nicht zum Essen, sondern behandeln damit Krankheiten von Menschen und Tieren. Die Wirkung des Himalaya-Honigs hat sich inzwischen auch über die Landesgrenzen Nepals hinweg verbreitet. In Japan oder Hongkong wird der Honig als Mittel gegen Infektionen genutzt, in China und Korea gilt der Honig sogar als Mittel gegen Potenzprobleme. Doch bekannter ist der Honig wegen seiner halluzinatorischen Wirkung. So ist der Honig aus dem Himalaya auch als „die süßeste Droge der Welt“ bekannt. Das erklärt sich durch die Pflanzen, die die Kliffhonigbienen anfliegen. Besonders im Frühjahr sind Rhododendron-Blüten das Ziel der Bienen, welche das Nervengift Grayanotoxin enthalten. Indem die Bienen den Nektar des Rhododendrons sammeln, gelangt das Nervengift in den Honig. Die Kliffhonigbienen haben keine Probleme mit dem Gift des Rhododendrons, westliche Bienen würden die giftige Wirkung des Grayanotoxins allerdings nicht überleben.

Türkei

In der Türkei ist der halluzinogene Honig als "deli bal" bekannt. An der Schwarzmeerküste ist er ein fester Bestandteil der Volksmedizin. Man verwendet ihn zur Steigerung der Potenz, bei Magenverstimmungen und um Leistungsfähigkeit und Konzentration zu verbessern.

Weitere Regionen

Auch in anderen Teilen der Welt, wie beispielsweise in Mittelamerika, wurden Honigsorten mit psychoaktiven Substanzen in traditionellen Ritualen verwendet.

Die Wirkung von Grayanatoxinen

Der berauschende Effekt des "Mad Honey" ist auf eine seltene chemische Verbindung namens Grayanotoxin zurückzuführen. Diese kommt nur im Honig vor, der im Frühjahr geerntet wird. Und der dann abgeschöpfte Honig gilt als Aphrodisiakum, als wirkungsvolle Medizin oder eben als halluzinogene Droge.

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Grayanatoxine sind Pflanzengifte, die in den Pollen, Blüten und Blättern sowie dem Nektar verschiedener Gattungen der Familie der Ericaceae auftreten. Ein Beispiel für Grayanotoxin-bildende Pflanzen sind verschiedene Rhododendronarten. Mehr als 180 verschiedene Grayanatoxine kommen natürlich vor.

Beim Menschen wirken die Grayanatoxine, in kleinen Mengen wie im Himalaya-Honig, als Halluzinogen. Beim Konsum des Honigs entsteht ein ähnliches Gefühl wie beim Konsum von Marihuana. So ist der Verzehr von zwei Löffeln des Honigs ungefährlich und führt zu einem besseren und längeren Schlaf. Beim Verzehr von fünf oder mehr Löffeln können dann schon ernstzunehmende gesundheitliche Folgen eintreten, wie beispielsweise starke Vergiftungssymptome. Die genaue Wirkung des Honigs ist dabei aber immer auch abhängig von der Jahreszeit und der Ernte.

Die potenten Neurotoxine halten die Natriumkanäle der Membranen von Nervenzellen geöffnet und führen zur Vagotonie. Was sich anfangs wie ein Vollrausch mit Halluzinationen, Schwindelgefühl und Benommenheit äußert, führt mit fortschreitender Vergiftung zu Blutdruckabfall und Pulsverlangsamung, häufig mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Symptome einer Grayanotoxin-Vergiftung

Grayanotoxine, die über Lebensmittel aufgenommen werden, können zu akuten Vergiftungserscheinungen führen. Die akuten Symptome betreffen die Muskeln sowie das Herz-Kreislaufsystem, wobei ein verlangsamter Herzschlag sowie ein Blutdruckabfall am häufigsten zu beobachten sind. Es können auch weitere Symptome wie Schwindel, Lähmungen, Übelkeit, Erbrechen, vermehrter Speichelfluss, Schweißausbrüche oder Durchfall auftreten. Die Symptome treten innerhalb von Minuten und bis zu fünf Stunden nach Verzehr der Lebensmittel auf, in der Regel erholen sich die Patientinnen und Patienten innerhalb weniger Tage. Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von der Menge des konsumierten Honigs.

Dosierung und Gefahren

Doch zu viel von dem süßen Saft kann tödlich sein. Aus der wissenschaftlichen Literatur geht hervor, dass sich keine genaue Menge benennen lässt, ab der grayanotoxinhaltiger Honig zu Vergiftungen führt. Die Angaben hierzu in der Literatur liegen zwischen 5 und 180 Gramm. Der Grund ist, dass die Honige in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind und auch der Gehalt an Grayanatoxinen schwankt. Im ungünstigsten Fall könnte schon ein Teelöffel grayanotoxinhaltigen Honigs zu Vergiftungssymptomen führen.

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Die Gefahr liegt dabei in der Aufnahme einer unbekannten Menge von Grayanatoxinen, je nachdem, ob der Honig durch Mischung mit anderen Sorten verdünnt wurde oder es sich um ein Primärprodukt handelt. Der Toxingehalt des Honigs ist außerdem abhängig von der Jahreszeit. Im Frühling gewonnener Honig enthält erfahrungsgemäß mehr Grayanotoxin als später im Jahr produzierter Honig.

Historische Verwendung

Mit den Auswirkungen von Schwarzmeerhonig war man schon in der Antike vertraut. König Mithridates von Pontus besiegte die Armee des Feldherren Pompeius, indem er den marodierenden Römern Waben mit ebenso schmackhaftem wie brisantem Inhalt in die Hände fallen ließ. Ebenso wusste man damals bereits um die heilsamen Wirkungen. Dioskurides kannte Rhododendon als Ursprung und beschreibt in seiner Materia medica verschiedene Nutzungen Pontischen Honigs. Die Historia Naturalis Plinius des Älteren bescheinigt ihm schädliche Eigenschaften bei Einnahme, aber auch Unbedenklichkeit bei äußerlicher Anwendung etwa zur Heilung von Augenkrankheiten. Marcellus empfiehlt ihn bei Geschwüren an den Genitalorganen.

Bereits vor über 2.000 Jahren setzten Krieger in Kleinasien den psychedelischen Honig als Waffe ein, indem sie Feinde mit damit kampfunfähig machten. Bei den Gurung (nepalesische Volksgruppe) gilt er bis heute auch als Heilmittel - gegen Gelenkschmerzen, zur Stärkung des Immunsystems und für ein langes Leben.

Heutige Nutzung und Verfügbarkeit

Heute erlebt die Substanz durch Social Media und Lifestyle-Magazine ein Comeback und ist sogar im Internet verfügbar.

Traditionelle Medizin

In der Türkei wird Pontischer Honig als alternative Medizin gegen Schmerzen, Sodbrennen und als Aphrodisiakum genutzt. Bei den Gurung nutzt man den psychedelischen Honig auch zu medizinischen Zwecken, um z. B. das Immunsystem zu stärken, Gelenkschmerzen zu lindern und ein langes und fruchtbares Leben zu ermöglichen.

Freizeitgebrauch

Touristen reisen extra in die Himalaya-Region, um Mad Honey zu probieren. Die Folge: Halluzinationen, Wärmegefühle, Trance. Doch die Gefahr ist real - Schwindel, Übelkeit, Kreislaufprobleme sind keine Seltenheit. Sogar bis hin zum Herzstillstand gibt es bekannte Fälle. Die Tücke: Die Konzentration von dem gesammelten Grayanotoxin schwankt stark und ist kaum vorhersehbar.

Online-Handel

Mittlerweile finden diese Honige über Angebote, die im Internet gemacht werden, ihren Weg auch in deutsche Haushalte. Häufig werden in den Beschreibungen gesundheitsfördernde Wirkungen angepriesen, die durch den Genuss von Grayanotoxin-haltigem Honig ausgelöst werden sollen. Auch die berauschende Wirkung wird unverhohlen angesprochen. Einige Anbieter weisen in ihren Shops auf mögliche Nebenwirkungen hin oder geben die Empfehlung ab, dass nur erwachsene Personen den Honig konsumieren sollten. Doch sind diese Einschränkungen immer wieder in untergeordneten Bereichen zu finden oder werden von den angeblich positiven Wirkungen eingerahmt.

Im Onlinehandel gilt der Honig als Luxusdroge und kann mehrere hundert Euro pro Kilo kosten - trotz oder gerade wegen seines riskanten Rufs.

Warnungen und Empfehlungen

Experten warnen vor dem Verzehr von halluzinogenem Honig, da die Konzentration von Grayanatoxinen stark variieren kann und bereits kleine Mengen zu ernsthaften Vergiftungen führen können.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, Rhododendron-Honige vor allem aus der Schwarzmeerregion nicht zu verzehren, weil sie gesundheitsschädliche Mengen an Grayanatoxinen enthalten können.

Die Mitarbeiter des Hessischen Landeslabors - Tierärzte und Lebensmittelchemiker - warnen ebenso davor, die bestehende Import-Freigrenze von zwei Kilogramm Honig als Freibrief zu nehmen und aus den betreffenden Anbaugebieten selbst Honig nach Deutschland mitzubringen und dadurch die eigene Gesundheit zu gefährden.

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