Die Geschichte des Leibniz-Kekses: Von Hannover in die Welt
Der "Leibniz-Butterkeks" von Bahlsen ist in Deutschland eine Ikone. Seine Geschichte begann 1889 und führte zu einem globalen Keks-Imperium. Dieser Artikel beleuchtet die Ursprünge, die Entwicklung und die Erfolge dieses bekannten Gebäcks.
Die Anfänge in Hannover
Am 6. November 1889 kehrte Hermann Bahlsen nach seiner Tätigkeit als Zuckerimporteur in London in seine Heimatstadt Hannover zurück. Hannover erlebte einen Aufbruch, da immer mehr Menschen vom Land in die Stadt zogen, um in den Fabriken Arbeit zu suchen. Der 30-jährige Bahlsen beschloss, sein Glück als Gründer in Niedersachsen zu versuchen. Er übernahm eine Fabrik für englisches Gebäck, die sich in Schwierigkeiten befand, und nannte sie "Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen", da es damals noch keine deutsche Bezeichnung für "Cakes" gab.
Die Erfolgsgeschichte des Leibniz-Kekses
Wie seine Konkurrenten verkaufte Bahlsen das lose Gebäck anfangs aus der Tonne. Die Geschäfte liefen gut. Werner Michael Bahlsen, der heutige Firmenchef, erklärt den Erfolg seines Großvaters damit, dass dieser in England Rezepte gekauft und Mitarbeiter gesucht habe, die ihm Produkte entwickelten. Für den legendären Butterkeks stand der berühmte Hannoveraner Gottfried Wilhelm Leibniz Pate. Der deutsche Philosoph, Wissenschaftler und Mathematiker starb 1716 in Hannover. Hermann Bahlsen wollte besondere Namen für seine Produkte.
1893 baute Bahlsen eine Fabrik, in der 100 Arbeiter für ihn tätig waren. Der Leibniz-Keks mit seinen 52 Zähnen wurde zu einem Markenprodukt in Deutschland. Bei der Weltausstellung in Chicago erhielt Bahlsen für seinen Keks die Goldmedaille. Hermann Bahlsen war stets bemüht, sein Unternehmen weiter zu verbessern. Er reiste durch Europa und knüpfte Kontakte zu Biskuit-Fabrikanten in England und Frankreich. Aus Amerika übernahm er die Idee der luftdichten Verpackung, um seine Kekse lange haltbar zu machen. Die Kleinpackungen wurden unter anderem am Bahnhof verkauft - mit dem Slogan "Was isst die Menschheit unterwegs? Als 1911 um seine Fabrik herum ein Wohnviertel gebaut wurde, errichtete Bahlsen ein Verwaltungsgebäude, das im Foyer einen modernen Musterladen beherbergte. Die Besucher kamen in Scharen, um zu kosten und zu kaufen. Der Clou war ein Schaufenster zur Bäckerei.
Die Entstehung des Wortes "Keks"
In dieser Zeit entstand der Begriff "Keks". Weil die Konsumenten "Cakes" nicht englisch, sondern deutsch aussprachen, entschied sich Bahlsen, den Begriff "Cakes" einzudeutschen. Das Wort "Keks" war geboren und wurde später sogar offiziell im Duden aufgenommen.
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Erweiterung des Sortiments
Zum Leibniz-Keks gesellten sich weitere Kreationen - darunter "ABC Russisch Brot" oder "Noch Eine". Im Jahre 1912 beschäftigte der Keks-Fabrikant 1.700 Angestellte. Die Hannoveraner nannten die Fabrik "Knusperhaus", sie war die modernste Europas. Fließbänder hatte Bahlsen noch vor dem amerikanischen Automobilbauer Henry Ford. Gesehen hatte er diese in den Schlachthäusern von Chicago.
Soziale Verantwortung und Innovation
Bahlsen legte Wert darauf, dass sich seine Beschäftigten wohlfühlten. Die Wände waren mit Kacheln bestückt, die Künstler bemalt hatten. "Es ist nicht einerlei, in welcher Umgebung man arbeitet", sagte Hermann Bahlsen einmal. Die sogenannten Leibniz-Blätter waren die erste deutsche Betriebszeitung. Außerdem sollten seine Mitarbeiter sauber sein, und so gab es feste Badezeiten. Einmal in der Woche, während der Arbeitszeit, war Baden Pflicht. Bahlsens Standpunkt war einfach: "Der Kern muss der äußeren Schale entsprechen."
Bahlsen im Ersten Weltkrieg
1914 begann der Erste Weltkrieg. 560 Bahlsen-Mitarbeiter mussten an die Front, und die Rohstoffe wurden knapp. Als wollte er gegen trübe Stimmung ankämpfen, vergab Bahlsen Aufträge an Künstler. Sie sollten Dosen und Verpackungen für seine Kekse entwerfen. Bahlsen war ein bedeutender Förderer der zeitgenössischen Kunst. Zusammen mit Fritz Beindorff und August Sprengel gründete er 1916 die Kestner-Gesellschaft. Und auch in der Kriegszeit plante er Neues: die TET-Stadt - Fabrik und Wohnstadt mit Schule, Theater, Kirche. Der Bildhauer Bernhard Hoetger entwarf das Utopia im Stil altägyptischer Tempel. Bahlsen ging fest davon aus, dass Deutschland den Krieg gewinnt. Doch mit der Niederlage begrub er sein Projekt: "Es war ein schöner Traum, unser TET-Projekt. Ich begrabe es in dieser Nacht, einen anderen Vorschlag kann ich Ihnen nicht machen", schrieb er 1919 an Hoetger.
Die Zeit nach Hermann Bahlsen
Hermann Bahlsen hinterließ vier Söhne: Hans, Werner, Gerhard und Klaus. Als ihr Vater starb, waren sie zwischen elf und 17 Jahre alt. Aufgewachsen sind sie bis dahin ausschließlich beim Vater. Bahlsens Ehefrau Gertrud war nach der Geburt des jüngsten Sohnes krank geworden und verbrachte die meiste Zeit in einem Sanatorium. Hohmeyer ist es auch, die gemeinsam mit ihrer Freundin Anna Dora Thieme die entscheidende Idee für die Rettung des Unternehmens nach dem Krieg hat. Als der Absatz 1920 einbrach und keine Bank einen Kredit gewährte, erinnerte sich Hohmeyer an den Freund ihres verstorbenen Chefs: Sir Grant aus England. Der Engländer gewährte einen Kredit in Höhe von 500.000 Reichsmark - die Rettung für Bahlsen.
Inflation und Wirtschaftskrise
Die einen verloren in dieser chaotischen Zeit ihre Ersparnisse, andere spekulierten sich reich: Im Januar 1923 kostete eine Packung Leibniz 300 Mark, im Mai schon über 1.000 und vier Milliarden im November. Beim Einkauf der Rohstoffe wurden die Scheine gewogen, nicht gezählt. Nach Hans Bahlsen stiegen auch die Gründersöhne Werner und Klaus bis 1930 in die Firma ein. Gerhard entschied sich dagegen und studierte Kunstgeschichte und Philosophie. Jetzt bremste die Wirtschaftskrise den Aufschwung. Leibniz-Kekse waren noch immer sehr beliebt, aber für viele zu teuer. Bahlsen musste immer mehr Mitarbeiter entlassen.
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Die Expressdose als Lösung
Eine neue Idee war in Krisenzeiten gefragt - und die Bahlsen-Brüder hatten sie: die Expressdose. Eine Dose mit einem Pfund Keksen für eine Mark. Das neue Produkt wurde zum Verkaufsschlager: 25.000 Dosen wurden 1933 pro Schicht im "Knusperhaus" produziert. Wieder hatte das Unternehmen eine Krise erfolgreich überstanden.
Bahlsen im Zweiten Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg hatte Bahlsen zunächst mit knapp werdenden Backzutaten zu kämpfen, wurde dann aber zum kriegswichtigen Betrieb ernannt. Das Unternehmen produzierte Notverpflegungen für die deutschen Soldaten, stellte Knäckebrot und Zwieback her. Nach Angaben des Unternehmens wurden in den Jahren 1943 bis 1945 rund 200 Zwangsarbeiter im Werk eingesetzt, vorwiegend Frauen aus Polen und der Ukraine. Mit der Behauptung, die Zwangsarbeiter seien genauso bezahlt worden wie die Deutschen und gut behandelt worden, löste die Unternehmenserbin Verena Bahlsen im Mai 2019 eine Debatte aus. Historiker bezweifelten diese Darstellung, für die sich die Bahlsen-Erbin später entschuldigte. Der Konzern betonte im Nachgang nochmals, dass er 1999 einer Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern beigetreten sei. Demnach leistete das Unternehmen im Jahr 2000 eine Zahlung von einer Million Mark und 2001 eine weitere von 500.000 Mark.
Wiederaufbau nach dem Krieg
Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Hannover über 80 Bombenangriffe erlebt und war eine Ruinenstadt. 60 Prozent der Fabrik und sämtliche Auslieferungslager waren zerstört. Bahlsen backte zunächst Brot, aber bereits 1945 liefen wieder Kekse vom Band. In Hermann Bahlsens Stammhaus in der Podbielskistraße hatten jetzt seine drei Söhne das Sagen. Ein Team waren sie nicht, die Machtfrage war pragmatisch gelöst: Jeder machte, was er am besten konnte. Hans kümmerte sich als Ingenieur um das technische Know-how, Werner übernahm die Führung. Klaus war der kreative Kopf und entwickelte neue Produkte.
Expansion und Internationalisierung
In den folgenden Jahren übernahm Werner Bahlsen mehr und mehr das Ruder. Mitte der 50er-Jahre exportierte Bahlsen bereits in 74 Länder, Ende der 1960er-Jahre waren in dem Unternehmen weltweit 11.000 Mitarbeiter tätig. In dieser Zeit wurde das Knabber-Sortiment um Kartoffelchips erweitert, und auch Kuchen wurden jetzt produziert. Die Teilübernahme von Brandt erweiterte das Sortiment noch einmal.
Generationswechsel und Familienstreitigkeiten
1975 stieg Werner Michael Bahlsen, der älteste Sohn von Werner Bahlsen, ins Unternehmen ein. Auch sein Bruder Lorenz stand nach Ausbildung und Studium bereit, das Keks-Imperium zu übernehmen. Nach dem Tod von Werner Bahlsen führten seine Söhne Werner Michael und Lorenz sowie Cousin Hermann, Sohn von Hans Bahlsen, die Geschäfte. Doch bald entbrannte ein Machtkampf, zwischenzeitlich schien ein Verkauf die einzige Lösung. Dann kam es jedoch anders: Werner Michael und Lorenz setzten sich durch, der Cousin zog sich 1993 aus der Geschäftsleitung zurück, drei Jahre später stieg er schließlich ganz aus. Doch auch zwischen den beiden Brüdern gab es bald Zwist.
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Die Paprika-Affäre
Doch nicht nur die Familienfehde sorgte für Unruhe und Negativ-Schlagzeilen. Aufgrund der sogenannten Paprika-Affäre fuhr Bahlsen 1993 Verluste ein: 18,5 Millionen Chips-Packungen musste das Unternehmen vom Handel zurücknehmen, die wegen fehlerhafter Lieferungen eines Gewürz-Zulieferers mit Salmonellen verunreinigt waren - Kosten in Höhe von 50 Millionen Mark entstanden.
Trennung der Geschäftsbereiche
In Hannover wurde wenige Jahre später längst gemunkelt, was bald öffentlich wurde: Es gab erneut Streit in der Familie, die Keksdynastie zerbröselte. Aus der Teilung wurde eine klare Trennung: Die salzigen Produkte gingen 1999 an Lorenz Bahlsen. Der Markenname "Bahlsen" und der süße Zweig an seinen Bruder.
Aktuelle Entwicklungen
2018 wechselte Werner Bahlsen aus der Geschäftsführung in den Verwaltungsrat der Bahlsen Gruppe. Lorenz Bahlsen gab die Leitung seines Unternehmens 2019 an seinen Sohn Moritz weiter.
Der Diebstahl des goldenen Kekses
Durch einen kuriosen Diebstahl geriet Bahlsen im Jahr 2013 in die Schlagzeilen - und das sogar weltweit. Ein Erpresser, der sich als "Krümelmonster" ausgab, entwendete den goldenen Keks von der Fassade des Stammhauses in der Podbielskistraße und forderte von dem Unternehmen Gratis-Kekse für ein Kinderkrankenhaus und eine Spende an ein Tierheim. Gut zwei Wochen später tauchte der Keks wieder auf. Seit dem 11. Juli 2013 hängt er wieder an seinem Stammplatz zwischen den Brezelmännern - auf Hochglanz poliert und von einer Videokamera überwacht.
Bahlsen heute
Auf dem deutschen Keksmarkt ist Bahlsen bis heute die Nummer eins. Mit dazu beitragen dürfte die Geschäftsstrategie, die Ware in Outlets und im Fabrikverkauf teilweise deutlich vergünstigt auf den Markt zu bringen. Rund 2.400 Mitarbeiter hatte das Unternehmen im Jahr 2021 beschäftigt.
Hermann Bahlsens Erfindungen
Als Zuckerhändler lernte Bahlsen Ende des 19. Jahrhunderts in England die dortigen Cakes kennen. Am 1. Juli 1889 gründete er die Hannoversche "Cakesfabrik". Weil die Deutschen dieses Wort aussprachen, wie es geschrieben wurde, änderte Bahlsen den Namen in Keks um. Und landete damit Jahre später im Duden. Mit vielen Preisen ausgezeichnet, eroberte der Leibnizkeks schnell die ganze Welt. Bald produzierte Bahlsen neben süßen Leckereien auch salzige Snacks. Heute gilt das Familienunternehmen als Nummer 1 auf dem deutschen Gebäckmarkt.
Die TET-Packung
Vor allem aber seine Idee, durch eine isolierte Verpackung („TET“-Packung“, 1904) den als Reisesnack beliebten „Cake“ haltbar zu machen, fand großen Anklang. Das TET-Zeichen mit dem Oval, der Schlange, dem Halbkreis und den drei Punkten wird eigentlich „dschet“ ausgesprochen, wurde aber zu „TET“ vereinfacht. Es ist von einer altägyptischen Hieroglyphe abgeleitet und bedeutet „ewig während“. Es steht als Gütesiegel für die Bahlsen-Qualität, da die TET-Packung als erste Kartonverpackung in der Lage ist, den Keks dauerhaft frisch zu halten.
Das Sachsenross als Fabrikzeichen
Das springende Sachsenross (woraus später das Niedersachen-Pferd wurde) wurde 1896 als Fabrikzeichen eingetragen. Das Unternehmen expandierte weiter und richtete in Berlin ein Büro ein, dem 1898 ein Auslieferungslager folgte. Bis 1914 entstanden in allen großen deutschen Städten weitere neuartige Musterläden.
Das Wort "Keks" im Duden
Im Jahr 1911 machte Bahlsen aus dem englischen „Cake“ das deutsche „Keks“ ein. Wenige Jahre später wurde die Schreibweise offiziell anerkannt und der „Keks“ in den Duden aufgenommen: 1915 steht zum ersten Mal im Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache das Wort "Keks" mit der Bedeutung "trockenes, haltbares Kleingebäck".
Der Leibniz-Keks und seine 52 Zähne
Warum hat ein Leibniz Butterkeks eigentlich genau 52 Zähne? "Mit 50 würde der Keks anders schmecken", verriet der Enkel des Firmengründers und heutige Firmenchef Werner Michael Bahlsen in einem Focus-Interview vom 11. April 2014 aus Anlass zu seinem 65. Geburtstag.
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