Gicht und Zucker: Ein umfassender Überblick über Zusammenhänge und Ernährungsempfehlungen

Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einem erhöhten Harnsäurespiegel im Blut kommt (Hyperurikämie). Überschreitet die Menge an Harnsäure eine bestimmte Schwelle, bilden sich Harnsäurekristalle, die sich in Gelenken, Sehnen, Schleimbeuteln und der Niere ablagern können. Diese Ablagerungen können schmerzhafte Entzündungen (Gichtanfälle) und Nierensteine verursachen.

Die Rolle der Ernährung bei Gicht

Ein wichtiger Pfeiler der nicht-medikamentösen Therapie bei Gicht ist die Ernährung. Die Umstellung der Ernährung ist daher ein hilfreicher Schritt, um sowohl akute Gichtanfälle als auch chronische Gicht zu vermeiden bzw. mit chronischer Gicht deutlich besser zu leben. Da der Schmerz oft erst verzögert auf eine gichtfördernde Mahlzeit folgt, erkennen Gichtpatient:innen in vielen Fällen nicht den Zusammenhang zwischen Nahrung und Schmerz. Die Folge: Ärztliche Empfehlungen zur Ernährung werden nicht oder unzureichend umgesetzt - der nächste Gichtanfall folgt als logische Konsequenz. Dabei bedeutet eine Ernährungsumstellung keine strenge Diät, eine ausgewogene und gesunde Ernährung ist auch für Gichtpatient:innen entscheidend.

Purinarme Ernährung als Schlüssel zur Kontrolle der Harnsäurewerte

Den Schlüssel zum Erfolg bietet die Umstellung der Ernährung auf purinarme Kost. Generell gilt, dass eiweißreiche Nahrungsmittel wie Fleisch, Krustentiere, Wurst und besonders Innereien viele Purine enthalten und deshalb nur sehr beschränkt auf den Speiseplan gehören. Milchprodukte, Obst und Gemüse hingegen enthalten nur sehr wenige oder keine Purine und sind wichtige Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung. Purinarme Ernährung bedeutet, dass pro Tag mit der Nahrung nicht mehr als ca. 130 Milligramm Purine aufgenommen werden, aus denen der Stoffwechsel etwa 400 Milligramm Harnsäure herstellt. Aus 1 Milligramm Purin bildet der Körper im Stoffwechsel ca. 3 Milligramm Harnsäure - doch welche Kombinationen von Lebensmitteln ergeben dann pro Menü welche Mengen an Harnsäure? Zu kompliziert und zu zeitraubend erscheint vielen Patient:innen die Planung einer purinarmer Ernährung, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Es gibt jedoch eine unkomplizierte Methode, den nächsten Gichtanfall mittels purinarmer Ernährung möglichst zu vermeiden: Die kostenfreie Nutzung des Ysat Purinrechners der Deutschen Gichtliga. Sind die Harnsäurewerte wieder im Lot, bedeutet dies nicht das Ende der purinarmen Ernährung - diese muss von Gichtpatient:innen lebenslang eingehalten werden. Das bedeutet in keinem Fall Verzicht auf bevorzugte Speisen, sondern rechnen.

Alkohol und Gicht: Eine ungünstige Kombination

Alkohol hemmt die Ausscheidung von Harnsäure und treibt somit die Harnsäurewerte nach oben, daher sollten Gichtpatient:innen ihren Alkoholkonsum reduzieren oder ganz auf Alkohol verzichten. Dies gilt insbesondere für Bier, das selbst auch noch viele Purine enthält und somit doppelten Schaden anrichtet.

Der Zusammenhang zwischen Fruktose und Gicht

Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Großteil der Betroffenen zuviel Harnsäure produziert - und dass der hauptsächliche Treiber dieser Über­produktion eine zu hohe Aufnahme von Frucht­zucker (auch Fructose oder Fruktose) ist. Möglicher­weise neigt sogar jeder Mensch zu einer Harnsäure­überproduktion, wenn er nur genügend hohe Mengen Frucht­zucker konsumiert.

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Fruchtzucker (Fruktose) ist in Obst und Obstsäften zu finden. Allerdings enthalten auch viele Softdrinks, Limonaden, zuckerhaltige Säfte und Fertigprodukte Fruchtzucker. Beim Konsum von Fruchtzucker erhöht sich der Harnsäurespiegel, da Fruchtzucker die Harnsäureausscheidung in der Niere hemmt. Das Gichtrisiko steigt. Gezuckerte Getränke bzw. Frauen, die häufig Fructosehaltige Softdrinks oder Orangensaft trinken, laufen Gefahr an Gicht zu erkranken. Frauen, die oft fruchtzuckerhaltige Getränke - wie mit Fructose gesüßte Softdrinks oder auch Orangensaft - konsumieren, haben ein erhöhtes Risiko, an Gicht zu erkranken. Im Vergleich zu Frauen, die fructosehaltige Getränke meiden, erkrankten diejenigen, die ein fructosehaltiges Getränk pro Tag tranken, um 74 Prozent häufiger. Bei zwei oder mehr täglichen Getränken war das Risiko 2,4-fach erhöht.

Wie Fruktose den Harnsäurespiegel beeinflusst

Der Großteil der aufgenommenen Fructose wird in der Leber verstoff­wechselt. Über mehrere Zwischen­produkte entstehen dabei letztendlich Triglyceride, die beim Menschen den Hauptteil des Körperfettes ausmachen. Die einzelnen Zwischen­schritte laufen dabei mit sehr unterschiedlichen Geschwindig­keiten ab, so ist z. B. der erste Zwischen­schritt, die Phosphorylierung von Fructose, sehr schnell, der zweite Schritt hingegen, die enzymatische Aufspaltung von Fructose-1-Phosphat, sehr langsam.

Wird die Leber auf einen Schlag mit großen Mengen Fructose konfrontiert, kann dies zu einem intrazellulären Mangel an Phosphat führen, wodurch sich das Adenosin­triphosphat (ATP) nicht mehr regenerieren kann. Durch den Phosphat­mangel reichern sich im Kreislauf Adenosin­monophosphat (AMP) und Adenosin­diphosphat (ADP) an, die im katabolen Stoffwechsel zu Harnsäure abgebaut werden.

Deswegen ist das Problem gar nicht so sehr die fructosereiche Ernährung an sich - der menschliche Organismus kann ohne Probleme moderate Mengen dieses Zuckers verdauen. Das Problem ist viel mehr die schlagartige Überflutung der Leber mit Fructose: Sie aktiviert einen Stoffwechselpfad, der den Harnsäurespiegel stark ansteigen lässt und Hyperurikämie auslöst.

Fruktose in Lebensmitteln erkennen und vermeiden

Vor allem für Diabetiker und insulinresistente Menschen wird Fruchtzucker (Fructose) manchen Lebensmitteln wie Softdrinks und Süßspeisen als Alternative zum Haushaltszucker (Glucose) zugesetzt, wobei beide Zuckerarten denselben Kaloriengehalt haben. Dabei stellt Fructose allerdings das einzige Kohlehydrat dar, das die Konzentration von Harnsäure im menschlichen Körper ansteigen lässt und damit das Gichtrisiko erhöht. Denn Fructose wird im Stoffwechsel durch das Enzym Fructokinase zu Fructose-1-Phosphat abgebaut. Die dabei freiwerdende Energie in Form von ATP wird zu AMP abgebaut, das einen Baustein bei der Harnsäuresynthese darstellt. Wenn sich Harnsäure im Körper ansammelt und nicht mehr ausreichend über die Nieren ausgeschieden werden kann, kristallisiert sie in Form von Nadeln aus, die sich in einzelnen Gelenken ablagern und dort heftige Schmerzen (das heißt einen Gichtanfall) verursachen können.

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Verbraucher sollten besser auf die Zutatenlisten von Lebensmitteln achten und möglichst nur geringe Mengen der mit Fruchtzucker gesüßten Lebensmittel verzehren, rät auch die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink. Achten Sie auf Begriffe wie Fruktose-, Glukose-Fruktose- oder Maissirup.

Ist Obstkonsum bei Gicht problematisch?

Studien legen nahe, dass Gicht und Fruchtzucker zusammenhängen. So soll Fruchtzucker die Harnsäureausscheidung behindern und dadurch Gichtanfälle fördern. "Fruchtzucker ist ein Problem, aber nicht der tägliche Obstkonsum ist problematisch, sondern der industrielle Einsatz von Fruchtzucker als Süßungsmittel in Softdrinks, Multivitaminsäften, Müsliriegeln oder auch Süßigkeiten", sagt Andrea Stallmann.

Gezuckerte Obstkonserven, Obstmus und kandiertes Trockenobst sollte möglichst gemieden werden. Auch beim Einsatz von industriellen Fruchtzucker ist Vorsicht geboten, da dieser den Harnsäureabbau hemmt. Gut sind hingegen zwei Hände voll frisches Obst - egal was.

Weitere Faktoren, die den Harnsäurespiegel beeinflussen

Es gibt zahl­reiche Faktoren, die den Harn­säure­­spiegel im Blut beein­flussen können, aber obwohl die Krank­heit Gicht schon seit Jahr­­hunderten bekannt ist, ist der genaue Einfluss der Ernährung nach wie vor nur unzureichend verstanden.

Übergewicht und Gicht

Ein erhöhtes Gewicht gilt als Risikofaktor für Gicht. Das liegt daran, dass ein erhöhtes Gewicht auch zu einer höheren Konzentration an Harnsäure im Blut führt. Außerdem begünstigt es Folge- und Begleiterkrankungen bei Gicht. Deswegen empfehlen Expert:innen bei Gicht eine Gewichtsabnahme. Diese sollte aber immer langsam und kontrolliert erfolgen. Ansonsten kann sie aufgrund der Belastung für den Stoffwechsel wiederum einen Gichtanfall auslösen. Studiendaten von fast 50.000 Männern belegen den Zusammenhang. Statistisch verdoppelt Übergewicht das Risiko für Gichtanfälle.

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Liegt der Body-Mass-Index über 25, ist es ratsam, abzunehmen. Dabei sollten Betroffene bei der Gewichtsreduktion langsam vorgehen und nicht mehr als zwei bis drei Kilogramm pro Monat verlieren. Denn: Eine zu schnelle Gewichtsabnahme kann ein Auslöser für einen Gichtanfall sein. Spezielle Gicht-Diäten gibt es nicht. Wer abnehmen möchte, sollte dazu mit seinem Arzt oder seiner Ärztin sprechen und einen individuellen Plan erstellen.

Vorsicht jedoch vor Extremdiäten oder Fastenkuren! Bei einem rapiden Abbau von Körperfett und Muskelmasse entstehen sogenannte Ketonkörper, die die Harnsäureausscheidung behindern und sogar einen akuten Gichtanfall auslösen können.

Diabetes und Gicht

Diabetes ist bekannt als Volkskrankheit. Was viele allerdings nicht wissen: Die Zuckerkrankheit erscheint häufig auch als Begleiterkrankung - so auch bei Gicht. Diabetologe Dr. Dieter Burchert erklärt die Zusammenhänge. Fast 26 Prozent aller Gichtpatienten haben auch Diabetes. Die Zuckerkrankheit stellt somit die häufigste Begleiterkrankung bei Gicht in Deutschland dar. Studien haben gezeigt, dass für Menschen mit Gicht ein erhöhtes Risiko besteht, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Andersherum kann Diabetes auch zuerst auftreten und in Folge Gicht. Dazu sagt Dr. Burchert: "Ist der Blutzuckerspiegel bei Diabetes über Jahre zu hoch, entstehen Ablagerungen in den Blutgefäßen. Diese können auch die Nieren in Mitleidenschaft ziehen. Sie scheiden dann nicht mehr genug Harnsäure aus und der Harnsäurespiegel im Blut steigt.

Die Rolle der Nieren

Ein Grund für einen erhöhten Harnsäurespiegel können Nierenerkrankungen sein. Oft ist es jedoch genetisch bedingt, dass die Nieren nicht ausreichend Harnsäure ausscheiden. Sie lagert sich dann im Körper ab und verursacht Schäden an Gelenken und Organen.

Empfehlungen für eine Gicht-freundliche Ernährung

Neben der Reduktion von Purinen und Fruktose gibt es weitere Aspekte, die bei der Ernährung bei Gicht berücksichtigt werden sollten:

  • Ausreichend Flüssigkeitszufuhr: Wer an Gicht leidet, sollte ganz besonders darauf achten, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen - mindestens zwei Liter Wasser oder auch Kräuter- oder Früchtetees täglich. Wassermangel kann ein auslösender Reiz für eine Gicht sein. Betroffene, die ausreichend trinken, tragen dazu bei, die Harnsäure im Blut zu verdünnen und können dadurch das Risiko eines Gichtanfalls verringern.
  • Milch und Milchprodukte: Erfreulicherweise gibt es auch Lebensmittel, die den Harnsäurespiegel senken. Dazu gehören Kaffee, Milch und Milchprodukte. Milch bzw. fördern die Harnsäureausscheidung über die Nieren.
  • Kaffee: Trinke Kaffee in Maßen -bis ca.
  • Vitamin C: Vitamin C hat einen harnsäuresenkenden Effekt und kann bei Schwellungen und Schmerzen effektiv sein. Aber: Es bringt nichts, Vitamin C in großen Mengen zu sich zu nehmen, da der Körper dies nicht verwerten kann und dann einfach wieder ausscheidet.
  • Vollkornbrot: Vollkornbrot eignet sich besonders gut für eine purinarme Ernährung.
  • Bananen: Der hohe Kaliumgehalt in Bananen hilft, Harnsäurekristalle in flüssige Form umzuwandeln, um sie beim Urinieren aus dem Körper zu spülen. Zudem enthalten Bananen moderate Mengen an Vitamin C, das bei der Bekämpfung von Schwellungen und Schmerzen sehr effektiv sein kann. Aber: Bananen sollten nicht in größeren Mengen verzehrt werden. Besser ist Gemüse, das reich an Kalium und Vitamin C ist.
  • Gemüse: Die Basis sollte eine Fülle von Gemüse sein, die den Körper mit pflanzlichem Eiweiß, Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien versorgt.
  • Fleisch: Hühnerfleisch, Putenfleisch ohne Haut und Putenaufschnitt sind in Maßen in Ordnung. Auch mageres Rind-, Kalb- oder Wildfleisch kann in Maßen auf den Speiseplan.
  • Eier: Milch, fettarme Milchprodukte und Eier sind purinarm und eine wertvolle Eiweißquelle für Gicht-Patienten.

Was ist bei Wein und Weintrauben zu beachten bei Gicht?

Ja. Denn sowohl Wein als auch Weintrauben können bei Gicht problematisch sein. Der Alkohol im Wein, insbesondere Rotwein, beeinflusst den Harnsäurestoffwechsel negativ, indem er die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren hemmt. Dies führt zu einem Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut, was das Risiko für Gichtanfälle erhöht. Ab und zu ein Glas trockener Wein ist erlaubt.

Medikamentöse Therapie bei Gicht

Eine langfristige medikamentöse Senkung der Harnsäure ist spätestens beim zweiten Gichtanfall, bei Gichttophi, bei Gelenkschäden oder bei zunehmender Einschränkungen der Nierenfunktion notwendig. Das Therapieziel ist dabei eine Senkung der Harnsäure unter 6 mg/dl (<360 µmol/l), bei Vorliegen von Tophi sogar unter 5 mg/dl (<300 µmol/l).

Das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Senkung der Harnsäure ist Allopurinol, das die Bildung der Harnsäure hemmt. Durch diesen Wirkstoff können sich sogar vorhandene Harnsäuresalz-Ablagerungen zurückbilden. Kann mit Allopurinol die Harnsäure nicht in den Zielbereich gesenkt werden oder sollte eine fortgeschrittene Einschränkung der Nierenfunktion vorliegen, steht mit Febuxostat ein weiteres sog. Urikostatikum zur Verfügung.

Falls nötig, können Allopurinol oder Febuxostat auch mit Benzbromaron kombiniert werden. Benzbromeron fördert die Ausscheidung der Harnsäure über die Nieren, wichtig ist daher auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Da eine neu eingeleitete medikamentöse Harnsäuresenkung das Risiko für erneute Gichtanfälle zunächst sogar erhöhen kann, ist eine begleitende Anfallsprophylaxe wichtig. Diese wird in der Regel mit niedrigdosiertem Colchicin für 3-6 Monate durchgeführt.

In Fällen, in denen aufgrund von Kontraindikationen eine Therapie mit den genannten Medikamente nicht möglich ist, steht mit Canakinumab auch ein zur Therapie der fortgeschrittenen Gicht zugelassenes Biologikum zur Verfügung.

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