Alkohol, Zucker und Chemie: Eine Reaktion im Detail
Alkoholische Gärung ist ein faszinierender biochemischer Prozess, bei dem Zucker in Ethanol (Trinkalkohol) und Kohlenstoffdioxid umgewandelt wird. Dieser Prozess wird seit Jahrtausenden vom Menschen genutzt, beispielsweise bei der Bier- und Weinherstellung, ohne dass die genauen biologischen Abläufe bekannt waren.
Historischer Überblick
Die Brutto-Reaktionsgleichung für den Abbau von Glucose zu Ethanol wurde erstmals 1815 von dem französischen Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac aufgestellt. In den 1830er Jahren schrieben Jöns Jakob Berzelius und Justus von Liebig in ihrer "mechanistischen Gärungstheorie" bestimmten Stoffen eine katalysierende Wirkung zu. Louis Pasteur vertrat 1857 die "vitalistische Gärungstheorie", wonach die alkoholische Gärung nur in Verbindung mit lebenden Zellen möglich sei.
Eduard Buchner wies 1897 die alkoholische Gärung mittels zellfreiem Hefeextrakt nach und machte den Stoff Zymase (ein Gemisch verschiedener Enzyme) für die Umsetzung von Zucker zu Ethanol verantwortlich, wofür er 1907 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Arthur Harden und W. Young entdeckten ein phosphoryliertes Zwischenprodukt, den Harden-Young-Ester (Fructose-1,6-bisphosphat), und erhielten 1929 zusammen mit Hans von Euler-Chelpin den Nobelpreis für Chemie für ihre Forschung über die Zuckervergärung. Otto Heinrich Warburg identifizierte den Cofaktor Nicotinamidadenindinukleotid (NADH) als essentiellen Bestandteil des Gärprozesses.
Heute sind die an der Gärung beteiligten Enzyme isoliert und biochemisch charakterisiert, und ihre molekulare Raumstruktur ist bekannt.
Die Grundlagen der alkoholischen Gärung
Die alkoholische Gärung ist ein anaerober biochemischer Prozess, bei dem Kohlenhydrate, hauptsächlich Glucose, unter anoxischen Bedingungen zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid abgebaut werden.
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Die Reaktionsgleichung
Die allgemeine Reaktionsgleichung der alkoholischen Gärung lautet:
C6H12O6 → 2 C2H5OH + 2 CO2 + Wärme
Das bedeutet, dass ein Glukosemolekül (C6H12O6) durch Hefe in zwei Ethanolmoleküle (C2H5OH) und zwei Kohlenstoffdioxidmoleküle (CO2) umgewandelt wird, wobei Energie in Form von Wärme freigesetzt wird.
Der Ablauf der Gärung
Die alkoholische Gärung läuft in mehreren Schritten ab:
- Glykolyse: Im ersten Schritt, der Glykolyse, wird ein Molekül Glucose zu zwei Molekülen Pyruvat umgesetzt. Dabei entstehen zwei Moleküle Adenosintriphosphat (ATP) und zwei Moleküle NADH.
- Decarboxylierung: Von jedem Molekül Pyruvat wird ein Molekül Kohlenstoffdioxid abgespalten, wodurch Acetaldehyd entsteht.
- Reduktion: Acetaldehyd wird mit Hilfe des Enzyms Alkoholdehydrogenase zu Ethanol reduziert. Dabei wird NADH zu NAD+ oxidiert.
Die Rolle der Hefe
Die alkoholische Gärung wird hauptsächlich von verschiedenen Hefearten zur Energiegewinnung genutzt. Hefen sind fakultative Anaerobier, das heißt, sie können sowohl mit als auch ohne Sauerstoff leben. Unter Sauerstoffmangel betreiben sie alkoholische Gärung, um Energie zu gewinnen.
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Hefen wandeln Zucker normalerweise durch Zellatmung ab, wobei die Zucker durch eine lange Reihe enzymatischer Umsetzungen (Glykolyse - Oxidative Decarboxylierung - Citratzyklus - Atmungskette) unter Sauerstoffverbrauch vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser oxidiert werden. Steht kein Sauerstoff zur Verfügung, so haben die Hefen durch die alkoholische Gärung eine alternative Möglichkeit zur Energiegewinnung. Sie können aber damit - im Vergleich zur vollständigen Oxidation durch Zellatmung - wesentlich weniger Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) aus Glucose gewinnen: Bei vollständiger Oxidation werden aus einem Molekül Glucose 36 Moleküle ATP gewonnen, bei der alkoholischen Gärung nur 2 Moleküle ATP. Diese 2 ATP werden in der Glykolyse gewonnen, dem ersten Schritt in der Reaktionsfolge sowohl der Zellatmung als auch der Gärung. Die zwei weiteren Reaktionsschritte der Gärung und damit letztendlich die Ethanolproduktion dienen nicht der Energiegewinnung, sondern der Regeneration des Cofaktors NADH, der von den Enzymen der Glykolyse verbraucht wird. Da NADH nur in begrenzten Mengen vorhanden ist, wird es durch die Gärungsenzyme wiederaufbereitet. Wegen der eingeschränkten Energiegewinnung vermehren sich Hefen unter Luftabschluss weit weniger stark als bei Luftzutritt. Außerdem wirkt das entstehende Ethanol als Zellgift. Führt man einer gärenden Hefe Luft zu, so stellt sie die Gärung ein und nutzt wieder den Weg der Sauerstoffatmung. Dieses Phänomen wird Pasteur-Effekt genannt. Hefen sind damit fakultative Anaerobier. Es wurde auch schon Ethanolbildung bei Hefen beobachtet, obwohl genügend Sauerstoff vorhanden war. Das geschieht, wenn sie in einem überzuckerten Medium wachsen und die Enzyme der Zellatmung überlastet sind. Die Hefen nehmen ständig den Zucker auf und verwerten ihn neben der Zellatmung zusätzlich durch Gärung.
Einflussfaktoren auf die alkoholische Gärung
Die alkoholische Gärung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter:
- Temperatur: Die optimale Temperatur für die alkoholische Gärung liegt zwischen 20 und 30 °C. Bei höheren Temperaturen können die Enzyme der Hefe denaturieren und die Gärung stoppen.
- pH-Wert: Der optimale pH-Wert für die alkoholische Gärung liegt zwischen 4 und 6.
- Nährstoffe: Die Hefe benötigt Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Vitamine, um optimal zu funktionieren.
- Alkoholgehalt: Ein hoher Alkoholgehalt kann die Hefe schädigen und die Gärung verlangsamen oder stoppen.
Anwendungen der alkoholischen Gärung
Die alkoholische Gärung wird in vielen Bereichen eingesetzt, darunter:
- Lebensmittelherstellung: Alkoholische Getränke wie Bier, Wein und Whisky werden durch alkoholische Gärung hergestellt. Auch Backwaren profitieren von der alkoholischen Gärung, da das entstehende Kohlenstoffdioxid den Teig aufgehen lässt.
- Industrie: Ethanol wird in der chemischen Industrie in großen Mengen durch Gärung hergestellt und als Lösungsmittel, Desinfektionsmittel und Kraftstoffzusatz verwendet.
Bierherstellung
Beim Bierbrauen wird Getreide, meist Gerste, verwendet, das viel Stärke enthält. Die Stärke wird durch Enzyme in Malzzucker (Maltose) umgewandelt. Helles Braumalz wird nur aus Gerste gewonnen und ist das am häufigsten eingesetzte Malz zur Bierherstellung. Karamellmalz enthält durch Karamellisierung hergestellte, nicht mehr vergärbare Zucker und wird zur Herstellung von vollmundigem Festbier mit einer bestimmten Süße verwendet. Nach dem alten deutschen Reinheitsgebot dürfen für die Bierherstellung nur Gerste (oder Malz aus Gerste), Hopfen und Wasser verwendet werden.
Weinherstellung
Bei der Weinherstellung werden Weintrauben verwendet, die sich als Fruchtstände der Weinrebe entwickeln. In den Blättern der Weinrebe werden Zucker und Sauerstoff aus Kohlenstoffdioxid und Licht durch Fotosynthese gebildet. Der Zuckergehalt muss in den Weintrauben eine gute Balance zum Säuregehalt aufweisen. Nach der Ernte werden die Trauben zunächst in der Abbeermaschine von den Stielen befreit und zu einem Brei zerquetscht. So erhält man die Maische. Danach werden 0,1 Liter 5%ige Schweflige Säure pro 100 Liter Maische zugegeben, um Bakterien und natürliche Hefen abzutöten, damit die Gärung in einem kontrollierten Prozess mit gezüchteten Kulturhefen ablaufen kann. Der Oechsle-Grad misst die gelösten Stoffe in der Maische. Da diese mehrheitlich aus Zucker bestehen, kann man den Zuckergehalt aus dem Oechsle-Grad in etwa abschätzen. Nach der Zugabe der Kulturhefe wird die Maische durch Abpressen von den Kernen und Schalen befreit, so erhält man den Most. Der abgepresste aber noch nicht vergorene Most kommt in einen Gärbehälter. Die Zugabe von Sauerstoff - vor allem am Beginn - bewirkt, dass der Gärungsprozess eingeleitet und optimiert wird. Dies ist für den Geschmack des späteren Weins von Bedeutung. Wird zu viel und zu lange Sauerstoff zugegeben, schalten die Hefepilze von einem Gärungsprozess auf einen Atmungsprozess um. Die Kunst besteht darin, dass die Wechselwirkung zwischen Zuckergehalt und Sauerstoffzugabe in einem optimalen Verhältnis eingestellt wird. Das längere Lagern in Eichenfässern bewirkt, dass aus dem Holz bestimmte Aromastoffe in den Wein gelangen.
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Neben der alkoholischen Gärung gibt es bei der Weinherstellung noch die malolaktische Gärung, bei der die spitzere Apfelsäure im Wein in die etwas weichere Milchsäure umgewandelt wird. Praktisch alle Rotweine durchlaufen die malolaktische Gärung, da man hier die Säure nicht zu sehr in den Vordergrund rücken möchte.
Whiskyherstellung
Fermentation ist der zentrale biochemische Schritt der Whiskyherstellung, bei dem Hefen in der Maische Zucker in Alkohol und CO₂ umwandeln. Dauer, Temperatur und Hefestamm beeinflussen die Entstehung von Aromen wie Ester und höhere Alkohole. Beim Einleiten des Fermentationsprozesses wird der Würze Hefe hinzugefügt, um die Umwandlung von Zucker in Alkohol zu starten, wobei Kohlendioxid (CO₂) freigesetzt wird. Über die Dauer und die Temperatur des Fermentations-Prozesses entstehen die komplexen Aromen des Whiskys, vor allem im zweiten Teil der Gärung, wenn die Aktivität der Hefe nachlässt. Die Hauptgärung endet, wenn die Hefe keinen Zucker mehr umwandeln kann und die Alkoholkonzentration in der Würze zu hoch wird.
In diesem Stadium, wenn der Alkohol die Hefe daran hindert, aktiv zu werden, beginnen verschiedene Bakterien zu arbeiten, insbesondere Milchsäurebakterien. Sie waren "Bewohner" des Malzes, bevor es eingemaischt wurde, so dass sie, anders als die Hefe, nicht gesondert zugesetzt werden müssen. Die chemischen Reaktionen, die diese Bakterien anstoßen, führen zu neuen Verbindungen. Dabei handelt es sich um Säuren, Aldehyde, Ester und langkettige Alkohole. Sie machen zwar nur einen geringen Anteil aus, beeinflussen aber das Aroma und den Körper der Würze.
Die Bedeutung der alkoholischen Gärung
Die alkoholische Gärung ist ein wichtiger biochemischer Prozess mit vielfältigen Anwendungen. Sie ermöglicht die Herstellung von alkoholischen Getränken, Backwaren und industriellen Produkten wie Ethanol. Darüber hinaus spielt sie eine wichtige Rolle im Stoffwechsel von Mikroorganismen.
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