Ist zu viel Obst ungesund? Fakten und Mythen unter der Lupe

Im Internet kursieren immer wieder Behauptungen, dass ein hoher Obstkonsum aufgrund des enthaltenen Fruchtzuckers (Fruktose) ungesund sei. Fitness-Influencer verzichten angeblich nicht nur auf Industriezucker, sondern auch auf Obst, um ihrer Gesundheit willen. Aber stimmt das wirklich? Kann man tatsächlich zu viel Obst essen? Dieser Artikel beleuchtet die Faktenlage und räumt mit einigen Mythen auf.

Obst enthält Zucker - aber auch wertvolle Inhaltsstoffe

Viele Obstsorten enthalten neben Wasser, Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen auch Fruchtzucker. Fruchtzucker (Fruktose) bildet in Verbindung mit Traubenzucker (Glukose) den Haushaltszucker (Saccharose). Bei übermäßigem Konsum kann Fruchtzucker gesundheitliche Probleme hervorrufen: zum Beispiel Karies deutlich verschlimmern, eine Fettleber fördern und die Blutfettwerte steigern.

Dennoch ist Obst nicht per se ungesund. Claudia Müller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont, dass sich keine generelle Obergrenze für den Obstverzehr festlegen lässt. Der Grund dafür liegt in den Ballaststoffen, die im Obst enthalten sind.

Die "Zucker-Bremse": Ballaststoffe

Obst enthält nicht nur Zucker. Die vielen Ballaststoffe verzögern die Aufnahme des Fruchtzuckers im Darm. Sie bilden eine Barriere zwischen den Verdauungsenzymen und dem Zucker oder binden sich direkt an die Zuckermoleküle. Dadurch wird der Zucker langsam über einen längeren Zeitraum aufgenommen. Das verhindert einen zu hohen Anstieg des Blutzuckerspiegels direkt nach der Mahlzeit und fördert gleichzeitig das Sättigungsgefühl. Dank der Ballaststoffe können die meisten Menschen also eigentlich nicht zu viel Obst essen, bevor sie satt sind.

Ausnahmen: Diabetes und Fruktoseintoleranz

Es gibt jedoch Ausnahmen. Diabetiker sollten ihren Obstkonsum im Auge behalten, da der im Obst enthaltene Fruchtzucker den Blutzuckerwert steigert. Für Menschen mit Diabetes empfiehlt die DGE nicht mehr als zwei Portionen Obst am Tag. Um den Blutzuckerspiegelanstieg zu verlangsamen, rät Müller, das Obst zusammen mit einer Portion Joghurt, Quark oder Müsli zu essen.

Lesen Sie auch: Auswirkungen von zu viel Zucker

Eine weitere Ausnahme stellen Menschen dar, die unter einer Fruktoseintoleranz leiden. Ihr Körper kann Fruchtzucker nicht vollständig aufnehmen, was zu Verdauungsbeschwerden führt. Betroffene müssen individuell austesten, wie viel Fruchtzucker sie vertragen, und können die Verträglichkeit eventuell über die Kombination mit Proteinen und Fetten verbessern.

Empfehlung: Lieber nicht zu wenig Obst essen

Allen anderen rät Claudia Müller, lieber darauf zu achten, nicht zu wenig Obst und Gemüse zu essen. Täglich sollte jeder auf fünf Portionen kommen. "Als Maßeinheit für eine Portion dient die eigene Hand." Eine Portion Obst sei für einen Erwachsenen etwa eine Frucht wie ein Apfel oder eine Orange, zwei Handvoll Beeren oder eine Handvoll getrockneter Aprikosen. Für Kinder fallen die Portionen entsprechend kleiner aus. Diese Menge sollte aber auch nur im Wochendurchschnitt ungefähr erreicht werden, sagt Müller. Sinnvoll sei es, darauf zu achten, Obst frisch und wenn möglich mit Schale zu verzehren. Allerdings zählen laut Müller auch Trockenfrüchte und Saft zu den Portionen.

Smoothies und Säfte: Vorsicht vor konzentriertem Fruchtzucker

Smoothies werden zwar aus Obst hergestellt, enthalten aber weniger Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe - dafür aber mehr Fruchtzucker pro Verzehrmenge. Außerdem hat frisches Obst ein größeres Volumen und füllt den Magen besser aus. "Die Menge Obst würde vermutlich nicht in einer Mahlzeit gegessen werden", erklärt Müller.

Auch bei Fruchtsäften ist Vorsicht geboten. Der Fruktosegehalt von Fruchtsäften ist im Vergleich zu den unverarbeiteten Früchten deutlich höher, da in den Säften die Ballaststoffe fehlen. Deshalb sollten Sie Obst nicht trinken, sondern essen und dabei auch die Menge beachten“, warnt der Diplom-Oekotrophologe Nicolai Worm.

Fruchtzucker und Bauchfett: Was ist dran?

Es gibt Hinweise darauf, dass Fruchtzucker schneller dick macht als Glukose. Eine Studie der Universität von Kalifornien in Davis zeigte, dass Teilnehmer, die 25 Prozent ihrer Kalorien aus Fruktose bezogen, vor allem am Bauch zunahmen. Bauchfett gilt als besonders gefährlich, da es das Risiko für Herzkreislaufleiden, Diabetes und viele andere Krankheiten erhöht. Außerdem sank die Insulinempfindlichkeit der Probanden aus der Fruktosegruppe - ein erstes Symptom für Typ-2-Diabetes.

Lesen Sie auch: Tägliche Zuckerempfehlung

Je höher der Fruktoseanteil in unseren Lebensmitteln, desto schlechter für unsere Bikinifigur! Zum Abnehmen ist es also besser, vermehrt Gemüse statt Obst zu essen.

Fruchtzucker in Fertigprodukten: Ein verstecktes Problem

Die Lebensmittelindustrie verwendet Fruktose gerne als Süßungsmittel, oft in Form von mit Fruktose angereichertem Sirup aus Maisstärke. Fruchtzucker suggeriert auch den Käufern von Fertigprodukten allzu oft Gesundheit und Natürlichkeit. Zu viel Fruchtzucker kann nicht nur zu Übergewicht führen, sondern unter Umständen auch zu einer Fruchtzucker-Intoleranz.

Eine aktuelle Produktuntersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg zeigt, dass gerade Fertiglebensmittel wie Speiseeis, Joghurt, Ketchup, Fruchtgummis, Kinderlebensmittel, aber auch mit Aromen angereicherte Getränke vor Fruchtzucker nur so strotzen. Verbraucher erkennen die wahren Fruchtzucker-Gehalte oft nicht, denn auch in fruchtlosen Produkten (Fitnessriegel, Softdrinks) können Fruchtzucker in Form von Haushaltszucker, der zu 50 % aus Fruchtzucker besteht, oder Maissirup enthalten sein.

Tipps gegen zu viel Fruchtzucker-Konsum

  • Beim Einkaufen immer die Zutatenliste checken!
  • Finger weg auch von fruktosereichen Diätpulvern und ebensolchen Diabetiker-Lebensmitteln!
  • Auch beim Snacken lieber auf Gemüse anstelle von Obst zurückgreifen!
  • Du möchtest ungern auf deinen Smoothie morgens verzichten? Kein Problem!

Obstsorten mit hohem und niedrigem Fruktosegehalt

Einige Obstsorten enthalten mehr Fruktose als andere. Zu den kohlenhydratreichen Sorten gehören Weintrauben, Birnen, Süßkirschen oder süße Äpfel und exotische Früchte wie Kaki, Mango, Granatapfel oder auch frische Ananas. Empfehlenswert sind hingegen Beerensorten wie Himbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren und Brombeeren, aber auch Grapefruit oder Quitten.

Bei Trockenobst, das deutlich mehr Zucker enthält als frisches Obst, ist die empfohlene Portionsgröße für Diabetiker/innen laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung noch kleiner und entspricht etwa 25 Gramm täglich. Aufgrund seines hohen Fruchtzuckergehaltes sollte Trockenobst nur selten gegessen werden.

Lesen Sie auch: Perfekte Kekse dank optimaler Temperatur

Obst und Leberverfettung: Ein Zusammenhang?

Professor Nicolai Worm von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken warnt vor einer Überlastung der Leber durch zu viel Fruchtzucker. Die Körperzellen können Fruktose nämlich nicht als Energiequelle nutzen, zuerst muss die Leber aus dem Fruchtzucker verwertbare Glukose herstellen. „Wird die Leber mit mehr als 50, 60 oder 70 Gramm Fruktose an einem Tag belastet - die Höchstgrenze für Fruchtzucker ist individuell etwas unterschiedlich - kommt es zu einer Fettleber“, erklärt Nicolai Worm.

Die Fettleber bewirkt wiederum, dass der Blutzuckerspiegel morgens zu hoch ist und damit Diabetes entsteht.

Fazit: Obst in Maßen ist gesund

Obst ist reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen und kann ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung sein. Allerdings sollte man es nicht übertreiben, da ein übermäßiger Konsum von Fruchtzucker negative Auswirkungen auf den Körper haben kann. Die DGE empfiehlt zwei Portionen Obst pro Tag. Achten Sie auf eine abwechslungsreiche Ernährung und bevorzugen Sie frisches, saisonales Obst. Seien Sie vorsichtig bei Smoothies, Säften und Fertigprodukten, die oft große Mengen an zugesetztem Fruchtzucker enthalten.

Die "5 am Tag"-Empfehlung: Eine sinnvolle Richtlinie?

Die weltweite Kampagne "5 am Tag" empfiehlt, täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen. Uwe Knop, Ernährungswissenschaftler und Kritiker dieser Vorgabe, bemängelt, dass es sich um eine frei erfundene Menge handelt, die den Menschen suggeriert, dass diese Menge gesund sei, ohne dass es dafür Beweise gibt.

Es gibt zwar Studien, die zeigen, dass Obst und Gemüse das Risiko von Herzkrankheiten, Schlaganfällen oder verschiedenen Krebserkrankungen reduzieren können, aber diese Studien belegen keine kausalen Zusammenhänge. Es ist also möglich, dass andere Faktoren wie ein gesünderer Lebensstil insgesamt für die positiven Effekte verantwortlich sind.

Abwechslung und Maßhalten: Der Schlüssel zu einer gesunden Ernährung

Sich krampfhaft an die "5 am Tag"-Vorgabe zu halten, ist nicht sinnvoll. Nur das Salatblättchen auf dem Burger zu essen, ist allerdings auch zu wenig. Eine einfache Regel, die weniger dogmatisch ist, aber alles aussagt über gesunde Ernährung, lautet: Abwechslungsreich und von allem nicht zu viel. Dann kann man im Grunde alles essen, was der eigene Körper begehrt.

Zucker ist nicht gleich Zucker

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen dem Fruchtzucker, der natürlich in Obst vorkommt, und dem zugesetzten Zucker in Fertigprodukten. Der natürliche Fruchtzucker wird durch die Ballaststoffe im Obst verlangsamt aufgenommen und hat daher nicht die gleichen negativen Auswirkungen wie der zugesetzte Zucker.

Die Rolle von Schokolade und Alkohol

Interessanterweise gibt es Studien, die zeigen, dass ein maßvoller Konsum von dunkler Schokolade und Rotwein gesundheitliche Vorteile haben kann. Dunkle Schokolade enthält Polyphenole, die die Blutgefäße schützen und den Blutdruck senken können. Rotwein enthält ebenfalls Polyphenole, die das Thromboserisiko senken, Entzündungen hemmen und schädliche Blutfette senken können.

Am Abend ein Glas Rotwein und dazu etwas dunkle Schokolade ist also eine ideale Kombination, schmeckt hervorragend und ist dazu noch gesund. Und wie viel Obst ist ideal? „An apple a day keeps the doctor away” - den Spruch hat fast jeder schon mal gehört.

tags: #zu #viel #Obst #ungesund #Fakten

Populäre Artikel: