Alarmsignale für zu viel Zucker bei Kindern: Ein umfassender Leitfaden
Diabetes mellitus, eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, nimmt stetig zu. Nicht nur die Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes, früher als "Jugenddiabetes" bekannt, steigen, sondern auch der Typ-2-Diabetes, der früher eher als "Alterszucker" galt, kommt bei jungen Patienten immer häufiger vor. Dieser Artikel beleuchtet die Alarmsignale für zu viel Zucker bei Kindern, die verschiedenen Diabetes-Typen, ihre Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Ziel ist es, Eltern und Betreuern ein umfassendes Verständnis zu vermitteln, um frühzeitig handeln und die Gesundheit der Kinder schützen zu können.
Diabetes bei Kindern: Eine wachsende Herausforderung
Die Diagnose Diabetes ist für die Eltern betroffener Kinder oft ein Schock. Doch in den letzten 20 Jahren hat sich in der Behandlung viel getan, und die Forschung arbeitet weiterhin mit Hochdruck an neuen Möglichkeiten. Die Therapie der Erkrankung wird bei beiden Diabetesformen stets individuell angepasst und flexibel gestaltet, da junge Patienten durch Wachstumsschübe, hormonelle Veränderungen oder unregelmäßige Tagesabläufe beeinflusst werden. Es ist wichtig, dass die ganze Familie und sämtliche Aufsichtspersonen über die Erkrankung des Kindes informiert sind, damit alle im Notfall schnell reagieren können.
Typ-1-Diabetes: Immer mehr Kinder erkranken
Typ-1-Diabetes ist die häufigste Diabetesform bei Kindern, und die Zahl der Betroffenen steigt stetig. Derzeit erkranken jährlich etwa 3.100 - 3.700 Kinder in Deutschland neu an Diabetes Typ 1, und Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg. Die Ursachen für Typ-1-Diabetes sind bis heute noch nicht vollständig geklärt. Die Forschung geht derzeit von verschiedenen Faktoren aus, die die Erkrankung begünstigen könnten.
Viele Kinder mit Typ-1-Diabetes sind erblich vorbelastet: Etwa 15 Prozent der betroffenen Kinder unter 15 Jahren haben Verwandte ersten Grades mit Typ-1-Diabetes. Außerdem wurde festgestellt, dass das Risiko dreimal so hoch ist, wenn der Vater an Diabetes erkrankt ist. Auch Veränderungen von Umweltbedingungen und Lebensstil könnten verantwortlich sein. Forscher vermuten zudem einen Zusammenhang mit der Ernährung von Säuglingen: Erste Studien ergaben, dass das Diabetesrisiko steigt, wenn ein Kind gar nicht oder nur in den ersten drei Monaten gestillt wird und stattdessen Kuhmilch oder glutenhaltige Cerealien erhält.
Das europäische Forschungsprojekt INNODIA wurde 2016 ins Leben gerufen, um die Entstehung von Typ-1-Diabetes intensiv zu erforschen. 26 europäische Forschungseinrichtungen und Pharmakonzerne tragen ihre Forschungsergebnisse zusammen, um herauszufinden, wie der Diabetes Typ 1 bereits vor den ersten Anzeichen diagnostiziert werden kann und wie eine individuelle vorbeugende Behandlung aussehen könnte.
Lesen Sie auch: Auswirkungen von zu viel Zucker
Typ-2-Diabetes: Kinder häufig übergewichtig
Der Typ-2-Diabetes, früher auch "Alterszucker" genannt, kommt bisher bei Kindern deutlich seltener vor als der Typ-1-Diabetes. Alarmierend ist allerdings dennoch die rasante Zunahme von Typ-2-Diabetes bei jungen Patienten in den Industrienationen: Rund 90 Neuerkrankungen werden in Deutschland jährlich bei Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren diagnostiziert - und die Dunkelziffer wird etwa doppelt so hoch geschätzt. Damit hätte sich die Rate in den letzten zehn Jahren verfünffacht, und die Tendenz ist weiterhin steigend. Typ-2-Diabetes gilt als sogenannte Zivilisationskrankheit und ist in den meisten Fällen - auch bei Kindern - auf den Lebensstil zurückzuführen.
Die Zahl der übergewichtigen oder sogar stark übergewichtigen - medizinisch adipösen - Kindern hat sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland verdoppelt. Oftmals weisen diese jungen Patienten gleichzeitig erhöhte Blutdruckwerte und eine Fettstoffwechselstörung auf. Die Ursachen dafür sind häufig klar: zu kalorienreiche Nahrung und zu wenig Bewegung. Die meisten Kinder nehmen heutzutage zu viel Zucker zu sich und verbringen zu viel Zeit im Sitzen. Allerdings können auch bei Typ-2-Diabetes weitere Faktoren das Erkrankungsrisiko erhöhen. Hierzu zählen etwa eine familiäre Vorbelastung für Typ-2-Diabetes, Zeichen der Insulinresistenz oder die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen, zum Beispiel aus dem ostasiatischen, afrikanischen oder hispanischen Raum. Problematisch ist vor allem, dass der Typ-2-Diabetes auch bei Übergewicht oft zu spät festgestellt beziehungsweise nicht als solcher wahrgenommen wird. Fachleute empfehlen daher einen Früherkennungstest ab dem zehnten Lebensjahr, wenn mindestens zwei mögliche Krankheitszeichen vorliegen.
Insulinresistenz: Ein Teufelskreis
Überernährung und Übergewicht lassen den Insulinbedarf ständig ansteigen, weil die Zellen unempfindlicher gegen das Insulin werden. Es entsteht die sogenannte Insulinresistenz. Die Folge: Um den Nahrungszucker überhaupt noch aufnehmen zu können, muss die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin produzieren. Hohe Insulinspiegel führen aber dazu, dass die Zellen noch unempfindlicher gegen das Insulin werden. Der Körper, dem der Zucker fehlt, sendet also weiter an die Bauchspeicheldrüse das Signal: "Insulin produzieren!" Gleichzeitig vergrößert ein hoher Insulinspiegel aber auch das Hungergefühl, was wiederum das Übergewicht verstärkt. Ein Teufelskreis entsteht. Das Ganze geht so lange weiter, bis die Bauchspeicheldrüse schließlich aufgibt, weil sie selbst nicht mehr kann.
Alarmsignale: Warnzeichen für zu viel Zucker
Bei beiden Diabetes-mellitus-Typen sind ähnliche Symptome zu beobachten. Bei folgenden Alarmsignalen muss man mit dem Kind unbedingt sofort einen Arzt aufsuchen, da die Gefahr eines diabetischen Komas besteht:
- Erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten
- Großer, nicht nachlassender Durst, der zu einer Flüssigkeitszufuhr von mehreren Litern pro Tag führt
- Gewichtsverlust trotz Heißhungers und verstärkter Nahrungsaufnahme (tritt nur bei Typ-1-Diabetes auf)
- Verstärkter Harndrang mit großen Mengen Urin, die Kinder wachen nachts davon auf oder nässen ein.
- Tiefe, zwanghafte Atmung und ein Geruch von Azeton in der Atemluft und im Urin.
- Bewusstseinsstörungen bis hin zu einem diabetischen Koma (Coma diabeticum, Zuckerkoma).
Besonders bei Kleinkindern kann diese Entwicklung innerhalb weniger Stunden eintreten. In 0,3 bis 1,0% aller Fälle führt sie zu einem lebensgefährlichen Hirnödem, d.h. einer Schwellung des Gehirns.
Lesen Sie auch: Tägliche Zuckerempfehlung
Eine akute Komplikation der Insulintherapie ist die Unterzuckerung (Hypoglykämie). Sie entsteht durch zu hohe Insulindosen, verminderte Nahrungsaufnahme, Erbrechen oder hohe körperliche Belastung. Sie macht sich durch Blässe, zittrige Knie, Herzklopfen, Heißhunger sowie ein pelziges Gefühl im Mund bemerkbar. Unbehandelt kann es zu Krampfanfällen oder einer Bewusstlosigkeit kommen. Ob langanhaltende schwere Hypoglykämie-Anfälle das Gehirn schädigen, ist bislang wissenschaftlich umstritten.
Weitere Warnzeichen
Neben den oben genannten, akuten Symptomen gibt es auch subtilere Warnzeichen, die auf einen übermäßigen Zuckerkonsum hindeuten können:
- Beständige Müdigkeit: Mangelnde Energie trotz ausreichend Schlaf.
- Häufiges Wasserlassen: Insbesondere in der Nacht.
- Anhaltender Durst: Auch nach dem Trinken großer Mengen Flüssigkeit.
- Unerklärlicher Gewichtsverlust: Trotz normaler oder erhöhter Nahrungsaufnahme.
- Appetitlosigkeit oder unmäßig gesteigerter Appetit: Extreme Veränderungen im Essverhalten.
- Stimmungsschwankungen: Gereiztheit oder Konzentrationsschwierigkeiten.
- Hortung von Süßigkeiten: Verstecktes Naschen.
Die Diagnose: Was tun?
Wenn Sie bei Ihrem Kind Anzeichen bemerken, die auf einen Diabetes hindeuten, sprechen Sie unbedingt zeitnah mit dem behandelnden Haus- oder Kinderarzt. Bei Symptomen einer Ketoazidose muss sofort notärztliche Hilfe gerufen werden.
Die Standardmethoden bei der Diagnose von Diabetes bei Kindern und Erwachsenen sind:
- Blutzuckermessung: Sowohl nüchtern als auch zu einem beliebigen Zeitpunkt.
- Oraler Glukosetoleranztest (Glukosebelastungstest): Hierbei trinkt das Kind ein Glas Zuckerlösung. Der Test zeigt, wie gut das Kind eine größere Menge Zucker verarbeiten kann.
- Bluttest auf Autoantikörper: Zum Nachweis eines autoimmun bedingten Typ-1-Diabetes.
Behandlung und Management von Diabetes bei Kindern
Erkranken Kinder an Typ-1-Diabetes, ändert sich für die jungen Patienten und ihre Eltern einiges im Leben. In den meisten Fällen gilt es, täglich mehrmals den Blutzucker zu messen und Insulin zu spritzen sowie auf die Ernährung zu achten. Die Erkrankung und ihre Therapie begleitet die betroffenen Kinder und Jugendlichen den ganzen Tag: im Kindergarten, in der Schule und zu Hause. Trotzdem sollte sie so wenig wie möglich Entwicklung, Lebensführung und Sozialleben beeinträchtigen.
Lesen Sie auch: Perfekte Kekse dank optimaler Temperatur
Wichtig für die Kinder wie auch für ihre Eltern ist eine kontinuierliche und umfangreiche Betreuung: Ein kindererfahrenes Team - bestehend aus einem Diabetologen, einem Diabetesberater, einem Psychologen sowie einem Sozialarbeiter - begleitet die Behandlung Ihres Kindes und unterstützt Ihre Familie. Außerdem gibt es verschiedene Angebote für Diabetesschulungen je nach Alter des Kindes, von denen sowohl die Kinder als auch ihre Eltern profitieren. Der Haus- oder Kinderarzt kann Sie diesbezüglich beraten und Ihnen entsprechende Angebote vermitteln. In den Schulungen lernen Kinder und Eltern, wie sie mit der Erkrankung umgehen und die Therapie in ihren gemeinsamen Alltag integrieren können. Ziel ist es, dass Ihr Kind Selbstständigkeit und Eigenverantwortung lernt, ohne damit überlastet zu werden. Projekte wie die Virtuelle Diabetesambulanz für Kinder & Jugendliche - kurz ViDiKi - bieten ihnen und Ihrem Kind eine umfassende Betreuung. Zögern Sie nicht, derartige Angebote in Anspruch zu nehmen.
Medizinische Hilfsmittel
Moderne Medizintechnik erleichtert das Diabetes-Management und ermöglicht Kindern mit der richtigen Behandlung ein langes und normales Leben:
- Insulinpens: Vorgefüllte, leicht zu handhabende Spritzen, die die Insulinabgabe dokumentieren und die richtige Menge dosieren können.
- Insulinpumpen: Kleine, tragbare Geräte, die kontinuierlich Insulin abgeben.
- Kontinuierliche Glukosemessung (CGM): Systeme, die den Blutzuckerspiegel kontinuierlich überwachen und signalisieren, wann es Zeit für eine Insulingabe ist.
- Automated Insulin Delivery (AID)-Systeme: Vernetzte Insulinpumpen und CGM-Systeme, die die Insulingabe automatisch anpassen.
Prävention: Den Lebensstil anpassen
Ist ein Kind beispielsweise von Fettleibigkeit, hohem Blutdruck oder Fettstoffwechselstörungen betroffen oder ist gar schon ein Typ-2-Diabetes festgestellt worden, so ist eine Umstellung der Lebensweise unumgänglich - sie steht stets am Anfang der Therapie dieser Diabetesform. Wird die Krankheit frühzeitig diagnostiziert und behandelt, stehen die Chancen gut, dass das Kind irgendwann wieder ohne Medikamente auskommt oder sogar vollständig geheilt wird.
In einer auf Diabetes spezialisierten Praxis lernen Sie und Ihr Kind unter anderem, wie Sie die Blutzuckerwerte in den Griff bekommen. In speziellen Diabetesschulungen erfahren Sie, was gesunde Ernährung bei Diabetes ausmacht, und erhalten viele hilfreiche Tipps - zum Beispiel für einen Alltag mit mehr Bewegung.
Ernährungstipps für Kinder
- Zucker reduzieren: Süßigkeiten, zuckerhaltige Getränke und stark verarbeitete Lebensmittel einschränken. Mehr als 25 Gramm Zucker pro Tag sollten es demnach für Kinder nicht sein.
- Viel Obst und Gemüse: Eine bunte Vielfalt an Vitaminen und Ballaststoffen.
- Vollkornprodukte bevorzugen: Brot, Nudeln und Reis in der Vollkornvariante wählen.
- Gesunde Fette: Ungesättigte Fettsäuren aus Nüssen, Samen und pflanzlichen Ölen.
- Regelmäßige Mahlzeiten: Drei Hauptmahlzeiten und gesunde Snacks.
- Ausreichend trinken: Wasser oder ungesüßten Tee.
Bewegung für Kinder
- Tägliche Aktivität: Mindestens 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung.
- Sportarten: Fußball, Schwimmen, Radfahren oder Tanzen.
- Spiele im Freien: Hüpfen, Klettern oder Fangen spielen.
- Familienaktivitäten: Gemeinsame Spaziergänge oder Wanderungen.
Versteckter Zucker: Worauf Eltern achten sollten
Viele Lebensmittel enthalten versteckten Zucker, der oft nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Eltern sollten beim Einkaufen die Inhaltsstoffe gründlich studieren und auf folgende Bezeichnungen achten:
- Dextrose
- Fruktose (Fruchtzucker)
- Glukose (Traubenzucker)
- Laktose (Milchzucker)
- Maltodextrin
- Maltose (Malzzucker)
- Sirup (Glukosesirup, Invertzuckersirup, Ahornsirup)
- Malzextrakt
- Süßmolkenpulver
- Vollmilchpulver
- Magermilchpulver
- Dicksäfte wie Agavendicksaft
Hersteller können durch die Verwendung verschiedener Zuckerarten und Süßmachern verschleiern, wie hoch der tatsächliche Zuckergehalt ist. Auch Produkte, die als besonders gesund beworben werden, können überzuckert sein.
Zuckersucht bei Kindern: Ursachen und Lösungen
Zuckersucht bei Kindern ist ein komplexes Thema, bei dem nicht nur die Menge des konsumierten Zuckers eine Rolle spielt. Anzeichen wie ständiges Verlangen nach Süßem, Heißhunger, Stimmungsschwankungen oder Naschen als Trost oder bei Stress können auf eine Problematik hindeuten. Ursachen liegen in der Verfügbarkeit von Zucker, einer unausgewogenen Ernährung, den körperlichen Reaktionen auf Zucker und darin, dass Süßigkeiten oft als Trostspender verwendet werden.
Eltern spielen eine wichtige Rolle, indem sie ihre Kinder im Umgang mit Zucker begleiten und Regeln aufstellen, damit die Kinder im Zuckerdschungel nicht verloren gehen. Noch wichtiger ist aber, dass die Eltern für die Kinder emotional zur Verfügung stehen, damit die Süßigkeiten nicht diese Rolle einnehmen. Ein übermäßiger Zuckerkonsum kann gesundheitliche Folgen haben. Ziel ist es, dass Kinder ein entspanntes Verhältnis zu Zucker aufbauen und sich nicht emotional an ihn binden müssen.
tags: #signale #für #zu #viel #zucker #bei