Nachweis reduzierender Zucker: Methoden und Prinzipien
Reduzierende Zucker spielen in der Biochemie eine wichtige Rolle. Es gibt verschiedene Methoden, um diese Zucker nachzuweisen. Zu den bekanntesten gehört die Fehling-Probe. In diesem Artikel werden die Grundlagen, die Durchführung und die Bedeutung der verschiedenen Nachweismethoden erläutert.
Grundlagen reduzierender Zucker
Als reduzierende Zucker bezeichnet man Mono- oder Disaccharide, deren Moleküle in Lösung eine freie Aldehydgruppe besitzen. Diese Aldehydgruppe kann bei bestimmten Nachweisreaktionen zur Carboxylgruppe oxidiert werden, was zu einem positiven Nachweis führt. Bekannte reduzierende Zucker sind Glucose und Galactose. Im Gegensatz dazu ist Saccharose, der im Haushalt verwendete Rohr- oder Rübenzucker, kein reduzierender Zucker, da seine Moleküle in Lösung keine freie Aldehydfunktion besitzen.
Aldosen und Ketosen
Kohlenhydrate lassen sich in Aldosen und Ketosen unterteilen. Aldosen sind Monosaccharide, die eine Aldehydgruppe (-CHO) tragen, während Ketosen Monosaccharide mit einer Keto-Gruppe (-CO) sind. Die Anwesenheit einer Aldehydgruppe ist entscheidend für die reduzierenden Eigenschaften eines Zuckers.
Glycosidische Bindungen
Bei Disacchariden spielt die glycosidische Bindung zwischen den beiden Monosacchariden eine wichtige Rolle. Ist eines der beiden anomeren (frei drehbaren) Kohlenstoffe nicht an der glycosidischen Bindung beteiligt, so ist die Ringöffnung und Mutarotation möglich. Dies führt dazu, dass die Fehling-Probe bei diesen Zuckern positiv verläuft, da die Zucker zu einem gewissen Anteil in der offenkettigen Form vorliegen und die Aldehydgruppe oxidiert werden kann.
Ein einfaches Schema zur Einordnung, ob ein Zucker eine reduzierende Wirkung hat, basiert auf der Suche nach einem Halb- bzw. Vollacetal. Liegt ein anomeres Kohlenstoffatom vor, so entsteht immer ein Halbacetal (R-C-O-C-OH), was die Ringöffnung ermöglicht. Sind allerdings beide anomeren "C"-Atome miteinander verknüpft, so entsteht ein Vollacetal (R1-C-O-C-O-C-O-C-R2). In diesem Fall ist keine Ringöffnung möglich, und der Zucker hat keine reduktiven Eigenschaften.
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Die Fehling-Probe
Die Fehling-Probe ist eine klassische Methode zum Nachweis von reduzierenden Zuckern. Sie wurde im späten 19. Jahrhundert von dem deutschen Chemiker Hermann von Fehling entwickelt. Die Probe basiert auf der Reduktion von Kupfer(II)-Ionen zu Kupfer(I)-Oxid in einer alkalischen Lösung.
Reagenzien und Herstellung
Für die Fehling-Probe werden zwei Lösungen benötigt:
- Fehling I: Eine verdünnte Kupfersulfatlösung (CuSO4). Diese Lösung ist blau.
- Fehling II: Eine alkalische Lösung von Natriumkaliumtartrat (C4H4KNaO6), auch bekannt als Rochelle-Salz, und Natronlauge (NaOH).
Zur Herstellung des Fehling-Reagenz werden gleiche Mengen von Fehling I und Fehling II zusammengegeben. Dabei bilden zwei Tartratmoleküle über ihre Sauerstoffatome einen Kupfertartratkomplex mit einem Kupferion. Diese Komplexbildung verhindert, dass die Kupferionen mit den Hydroxidionen schwerlösliches Kupferhydroxid (Cu(OH)2) bilden, wodurch ein ausreichend großer Teil der Kupferionen in Lösung bleibt.
Durchführung der Fehling-Probe
- Mischen gleicher Mengen von Fehling A und Fehling B in einem Reagenzglas, um die Fehling'sche Lösung zu erzeugen.
- Die Mischung wird vorsichtig erhitzt.
- Die zu überprüfende Probe wird hinzugefügt und das Gemisch erneut erhitzt.
Reaktion und Interpretation
Die Fehling-Probe reagiert mit Zuckern, die eine Aldehydgruppe im Molekül enthalten, also reduzierende Zucker. Bei der Reaktion wird der Kohlenstoff der Aldehydgruppe oxidiert, während die Kupferionen reduziert werden. Die Teilreaktionen lassen sich wie folgt darstellen:
- Oxidation: R-CHO + 2 OH- → R-COOH + 2 e- + H2O
- Reduktion: 2 Cu2+ + 2 e- → Cu2O
Das entstandene gelbe Kupferhydroxid dehydratisiert anschließend zu rotbraunem Kupfer(I)-Oxid (Cu2O):
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- 2 Cu(OH)2 → Cu2O + H2O
Die entstehende Carbonsäure wird deprotoniert, da die Lösung alkalisch ist.
Ein positiver Nachweis wird durch eine Farbänderung von blau nach rotbraun angezeigt, was auf die Bildung von Kupfer(I)-Oxid hinweist. Das Kupfer(I)-Oxid fällt als rotbrauner Niederschlag aus.
Beispiele
- Glucose: Ein einfacher Zucker, der mit dem Fehling-Reagenz nachgewiesen werden kann. In wässriger Lösung befindet sich Glucose in einem Gleichgewicht zwischen offenkettiger Form und Ringform, wobei die offenkettige Form seltener auftritt. Die Redoxreaktion entzieht dem Gleichgewicht jedoch den Anteil an offener Kettenform irreversibel, weshalb diese nachgebildet werden muss.
- Fructose: Obwohl Fructose keine Aldehydgruppe aufweist, kann sie durch Keto-Enol-Tautomerie in eine Form mit Aldehydgruppe umgewandelt werden, wodurch auch Fructose mit der Fehling-Probe nachweisbar ist.
- Lactose: Ein Disaccharid, das eine reduzierende Wirkung hat, da eines der anomeren Kohlenstoffatome nicht an der glycosidischen Bindung beteiligt ist, was die Ringöffnung ermöglicht.
- Saccharose: Ein Disaccharid ohne reduzierende Wirkung, da beide anomeren Kohlenstoffatome miteinander verknüpft sind und keine Ringöffnung möglich ist.
Anwendung
Die Fehling-Probe findet breite Anwendung in verschiedenen Bereichen:
- Medizinische Diagnostik: In der Diabetologie wird die Fehling-Probe verwendet, um den Glucosespiegel im Harn von Patienten zu bestimmen. Ein positiver Befund kann auf Diabetes mellitus hinweisen.
- Lebensmittelüberwachung: In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie wird die Fehling-Probe genutzt, um die Frische und Qualität von Produkten zu prüfen. So kann beispielsweise ein positiver Fehling-Test bei Honig auf eine künstliche Veränderung durch Zugabe von Glucosesirup hindeuten.
Vorsichtsmaßnahmen
Bei der Durchführung der Fehling-Probe sind einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:
- Es sollte immer mit Tropfpipetten gearbeitet werden.
- Die Reaktion sollte unter dem Abzug und mit Handschuhen durchgeführt werden.
- Es ist Vorsicht geboten, um Verbrennungen und Unfälle zu vermeiden.
Weitere Methoden zum Nachweis reduzierender Zucker
Neben der Fehling-Probe gibt es noch weitere Methoden zum Nachweis reduzierender Zucker, die hier kurz vorgestellt werden.
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Tollens-Probe
Die Tollens-Probe, auch bekannt als Silberammoniak-Reaktion, ist eine weitere Methode zum Nachweis von Aldehyden und somit auch reduzierenden Zuckern. Hierbei wird ein Silbernitrat-Ammoniak-Komplex verwendet, der durch reduzierende Zucker zu elementarem Silber reduziert wird. Das Silber scheidet sich als Spiegel an der Reagenzglaswand ab, was als positiver Nachweis gilt.
Benedict-Probe
Die Benedict-Probe ist ähnlich der Fehling-Probe, verwendet aber ein anderes Reagenz, das stabiler ist und weniger anfällig für Störungen durch andere Substanzen. Das Benedict-Reagenz enthält Kupfer(II)-sulfat, Natriumcarbonat und Natriumcitrat. Bei Anwesenheit von reduzierenden Zuckern bildet sich ein Niederschlag von Kupfer(I)-Oxid, der die Lösung grün, gelb oder rot färben kann, abhängig von der Zuckerkonzentration.
Luff-Schoorl-Methode
Die quantitative Bestimmung reduzierender Zucker gelingt mittels der Methode nach Luff-Schoorl. Diese Methode ist aufwändiger als die qualitativen Nachweise, ermöglicht aber eine genaue Messung der Zuckerkonzentration.
Strukturformel und Reduktionsvermögen
Um anhand der Strukturformel eines Zuckers einordnen zu können, ob er eine reduzierende Wirkung hat, kann folgendes Schema angewendet werden:
- Monosaccharide: Alle Monosaccharide haben eine reduzierende Wirkung, da die Ringöffnung möglich ist.
- Disaccharide: Bei Disacchariden ist entscheidend, ob die glycosidische Bindung die Ringöffnung zulässt. Alle 1,4-glycosidisch gebundenen Disaccharide haben eine reduzierende Wirkung, da das erste (anomere) Kohlenstoffatom des zweiten Monosaccharids nicht an der glycosidischen Bindung beteiligt ist.
- Halbacetale und Vollacetale: Liegt ein anomeres Kohlenstoffatom vor, so entsteht immer ein Halbacetal (R-C-O-C-OH), und die Ringöffnung ist möglich. Sind allerdings beide anomeren "C"-Atome miteinander verknüpft, so entsteht ein Vollacetal (R1-C-O-C-O-C-O-C-R2). Dann ist keine Ringöffnung möglich, und der Zucker hat keine reduktiven Eigenschaften.
Bedeutung in der Analytischen Chemie
In der analytischen Chemie spielen Nachweisreaktionen für reduzierende Zucker eine wichtige Rolle. Die Fehling-Probe ist ein gefragtes Thema, insbesondere wenn es um den Nachweis von reduzierenden Zuckern geht. Die Kenntnis der Struktur des Zuckers ist wichtig, um die Reaktion richtig zu interpretieren. Einige Zucker, wie Fructose, reagieren schneller mit der Fehling'schen Lösung als andere, wie Glucose. Dies liegt daran, dass Fructose eine Ketogruppe besitzt, die leichter als eine Aldehydgruppe mit Kupfer(II)-Ionen reagiert.
Anwendungsbeispiele
Die Anwendung der Fehling-Probe und anderer Nachweismethoden lässt sich anhand von Beispielen verdeutlichen:
- Honiguntersuchung: In einem Lebensmittelüberwachungslabor kann die Fehling-Probe verwendet werden, um die Menge an reduzierenden Zuckern im Honig nachzuweisen. Ein positiver Fehling-Test kann auf eine künstliche Veränderung, wie eine Zugabe von Glucosesirups, hinweisen.
- Urinprobe auf Diabetes: In einem medizinischen Labor kann mit der Fehling-Probe eine Urinprobe auf Glucose getestet werden. Ein deutlicher Farbwechsel von blau zu rot-braun deutet auf eine erhöhte Glucosekonzentration hin, was ein Hinweis auf Diabetes sein kann.
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