Mitschurin Marmelade Fett festgestellt: Eine kritische Betrachtung einer wissenschaftlichen Doktrin

Die Geschichte der Wissenschaft ist eng mit politischen Ideologien verwoben, insbesondere wenn staatliche Förderung im Spiel ist. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Geschichte um den russischen Botaniker Iwan Wladimirowitsch Mitschurin und die nach ihm benannte "Mitschurin-Bewegung" in der Sowjetunion und im Ostblock. Diese Bewegung, die in den 1930er Jahren ihren Ursprung hatte, entwickelte sich zu einer Doktrin, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignorierte und stattdessen ideologisch motivierte Theorien propagierte.

Die Mitschurin-Bewegung: Eine ideologische Verirrung

Iwan Wladimirowitsch Mitschurin (1855-1935) war zweifellos ein bedeutender Obstbaumzüchter, der über 300 frostharte Sorten entwickelte, die besonders für Russland von Bedeutung waren. Seine Arbeit basierte auf der Idee, dass Obstsämlinge durch Erziehung und geeignete Pfropfpartner beeinflusst werden können, und nicht durch die mendelschen Regeln der Vererbung. Mitschurin glaubte fälschlicherweise, dass die so erzielten Veränderungen erblich seien.

Diese Ansichten wurden von der Sowjetregierung unter Stalin aufgegriffen und zur Grundlage einer offiziellen Parteilehre erhoben. Mitschurin wurde zum Vorbild für die sozialistische Wissenschaft, und seine Methoden wurden im gesamten Ostblock gelehrt und angewendet. Die Genetik, die die Grundlage der modernen Vererbungslehre bildet, wurde als "reaktionäre Pseudowissenschaft" diffamiert und abgelehnt.

Lyssenko und die Verfolgung der Genetik

Ein Schlüsselfigur in der Verbreitung der Mitschurin-Lehre war Trofim Denissowitsch Lyssenko (1898-1976). Lyssenko war ein Biologe, der sich vor allem mit der Steigerung von Getreideerträgen beschäftigte. Im Jahr 1938 wurde er Präsident der Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften und damit zum wichtigsten Förderer des Mitschurin-Kultes.

Lyssenko systematisierte und verbreitete Mitschurins irrige Auffassung von der Vererbung erworbener Eigenschaften. Er setzte die Genetiker mit stalinistischer Rhetorik unter Druck, sodass sie fast ausnahmslos ihren Überzeugungen abschworen. Dies führte zu einer Verfolgung und Inhaftierung zahlreicher sowjetischer Genetiker.

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Die Auswirkungen der Mitschurin-Bewegung

Die Mitschurin-Bewegung hatte verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die biologische Forschung in der Sowjetunion und im Ostblock. Wissenschaftliche Erkenntnisse wurden ignoriert, und ideologisch motivierte Methoden wurden eingesetzt, die oft zu Missernten und wirtschaftlichen Problemen führten. Die Botanik wurde, wie es im bereitgestellten Text heißt, "zur Klapsmühle".

Mitschurin im Alltag der DDR: Marmelade statt Butter

Die Mitschurin-Bewegung fand auch in der DDR ihren Niederschlag. Es gab den Zentralen Mitschurinausschuss, die Zeitschrift "Mitschurin-Bewegung" und Mitschuringärten. Der Alltag der Menschen wurde von der Ideologie durchdrungen, was sich in Witzen und Sprüchen widerspiegelte.

Ein bekannter Spruch aus dieser Zeit lautete: "Mitschurin hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält. Drum gibt's in der dritten Dekade statt Butter auf Marken nur Marmelade." Dieser Spruch verdeutlicht die Knappheit von Gütern wie Butter und die ideologische Rechtfertigung dafür.

Die Rolle der Butter in der DDR-Wirtschaft

Butter war in der DDR ein knappes Gut, das nur über Lebensmittelmarken erhältlich war. Der Preis für ein Pfund Butter war staatlich festgelegt und betrug 2,50 Ostmark. Dies war für viele Menschen, insbesondere Rentner mit einer Rente von 50 Ostmark, eine erhebliche finanzielle Belastung.

Im Gegensatz dazu war Butter in der BRD bereits fertig verpackt und frei verkäuflich. Dies trug zur Sehnsucht vieler DDR-Bürger nach dem Westen bei.

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Witze als Ausdruck des Unmuts

In der DDR waren Witze ein beliebtes Mittel, um den Unmut über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse auszudrücken. Viele Witze spielten auf die Knappheit von Gütern, die Inkompetenz der Regierung und die allgegenwärtige Überwachung durch die Staatssicherheit an.

Einige Beispiele für solche Witze sind:

  • Erich Honecker soll die Patenschaft über zwei namenlose Findelkinder übernehmen. Er nennt sie "Ökonomie" und "Staatssicherheit", weil "Ökonomie mich gerade beschissen hat und Staatssicherheit schon wieder pennt".
  • Ein hoher SED-Führer, der betrunken zwei DDR-Bürger angefahren hat, wird nicht bestraft, weil der Mann, der durch die Scheibe seines Autos flog, wegen Einbruchs verurteilt wird.

Die Mitschurin-Bewegung heute: Eine kritische Neubewertung

Nach dem Tod Stalins sank der Stern Lyssenkos, und die Mitschurin-Bewegung verlor an Bedeutung. Die Zeitschrift "Mitschurin-Bewegung" wurde in "Wissenschaftlich-technischer Fortschritt in der Landwirtschaft" umbenannt.

Heute wird die Mitschurin-Bewegung kritisch betrachtet. Sie gilt als Beispiel für die Gefahren, die entstehen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse ideologischen Zielen untergeordnet werden.

Was bleibt von Mitschurin?

Trotz der ideologischen Verirrungen, die mit seinem Namen verbunden sind, war Iwan Wladimirowitsch Mitschurin ein bedeutender Botaniker, der wertvolle Beiträge zur Obstbaumzucht geleistet hat. Seine frostharten Sorten sind auch heute noch von Bedeutung.

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Es ist wichtig, Mitschurins Arbeit kritisch zu würdigen und die Lehren aus der Geschichte der Mitschurin-Bewegung zu ziehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollten nicht ideologisch verzerrt werden, sondern auf Fakten und Evidenz basieren.

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