Kakaoanbau in Mexiko: Eine Reise zwischen Tradition, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Das Knacken und Knistern der Blätter und kleinen Zweige reiht sich ein in die Symphonie des Urwalds. Marilena läuft voraus, mit festen Schritten, die Machete in der Hand und der holzfarbene Hut auf dem Kopf. Sie hebt eine in der Mitte durchgeschnittene Plastikflasche vom Boden auf, tunkt sie ein und füllt das Gefäß mit einer braunen Brühe. »Das hier ist unser organischer Dünger«, grinst Marilena, wie María Elena Jimenez Crispín meist genannt wird. Seit Generationen bewirtschaftet die Familie Crispín ihre vier Hektar Kakao. Das mineralreiche Gemisch nährt die Kakaofrüchte, belastet die Umwelt nicht - und kann zudem fast umsonst selbst hergestellt werden. Die Kleinbäuer*innen sind stolz darauf, mit und nicht gegen die Natur zu leben.

Kakao: Mehr als nur Schokolade

Die Kakaobohne ist heute eine der wohl wichtigsten Nutzpflanzen der Welt. Allein in Deutschland liegt der Konsum der Schokolade, die aus der Pflanze gewonnen wird, bei jährlich mehr als neun Kilo pro Kopf. Populär gemacht wurde die Pflanze, deren wissenschaftlicher Name Theobroma cacao so viel wie „Das Essen der Götter“ bedeutet, im präkolumbischen Südamerika. Forschende haben nun die Verbreitung der Pflanze rekonstruiert - und gezeigt, wie beliebt der Kakao schon vor 5.000 Jahren bei den Menschen Südamerikas war.

Domestiziert wurde der Kakaobaum vor über 5.300 Jahren im Amazonasbecken nahe Ecuador und Kolumbien. Dass sich die Pflanze daraufhin in Süd- und Mittelamerika weitaus schneller verbreitet hat als bisher gedacht, hat das Forschungsteam um Molekulargenetikerin Claire Lanaud von der Universität Montpellier in Frankreich anhand von 352 Keramikgegenständen nachgewiesen. Von den untersuchten Gefäßen wiesen ganze 30 Prozent Spuren von Kakao auf. Das zeigt nach Angaben der Forschenden, wie schnell und weit sich Kakao einst entlang der südamerikanischen Pazifikküste in verschiedenen Kulturen verbreitet hatte. Außerdem sei die genetische Varietät der Proben hoch gewesen.

Die Ursprünge des Kakaoanbaus und seine globale Verbreitung

Der Kakaobaum nennt sich lateinisch Theobroma Cacao L. und gehört zur Familie der Malvengewächse. Diese Familie gibt es seit Millionen von Jahren. Der Kakaobaum, wie wir ihn heute kennen, kann ausschließlich unter besonderen klimatischen Bedingungen wachsen und Kakaofrüchte tragen. Die Pflanze ist sehr anspruchsvoll: Sie benötigt eine hohe Luftfeuchtigkeit und viel Regen bei möglichst konstant hohen Temperaturen zwischen 25 und 30 °Celsius. Zudem ist der Kakaobaum ein Schattenbaum und benötigt schattenspendende größere Bäume um sich herum. Zusammengefasst heißt das, dass Kakao am besten in tropischen Regenwäldern, nördlich und südlich des Äquators wächst. Denn nur dort herrschen die beschriebenen Bedingungen. Genauer gesagt liegt der sogenannte Kakaogürtel zwischen dem 23sten Grad nördlicher Breite und dem 23sten Grad südlicher Breite. Der Kakaogürtel ist also ein rund 2.200 Kilometer breites Band, das sich rund um den Globus zieht. Der Kakaogürtel durchzieht vier Kontinente.

Schon vor tausenden Jahren nutzten und konsumierten die Ureinwohner Kakao und Trinkschokolade: Der älteste Fundort von Tonscherben, auf denen Kakaoreste identifiziert werden konnten, ist in Santa Ana La Florida in Ecuador. Die gefundenen Reste werden von Experten auf rund 5.000 Jahre geschätzt. Afrika, und hier insbesondere Westafrika, erschien erst Ende des 19. Jahrhunderts auf der Kakaolandkarte. Folgt man dem Kakaogürtel von Afrika weiter in Richtung Osten, so landet man in Asien, der jüngsten Anbauregion. Länder wie Indonesien oder Vietnam, die bislang für andere landwirtschaftliche Produkte bekannt waren, setzen seit einigen Jahren verstärkt auf Kakao, insbesondere um die Schokoladenwünsche in Asien zu erfüllen.

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Die Ursprungsregion von Kakao ist heute insbesondere für Edelkakao bekannt. Er wird auch „fine flavor cocoa“ genannt. Man pflanzt ihn auch in der Karibik an, zum Beispiel in Jamaica oder Trinidad und Tobago. Mittel- und Südamerika bieten eine große Vielfalt an Varianten. Neben den etablierten Kakaosorten finden sich seltene wie zum Beispiel die Nacional, Porcelana und Chuao, die sich durch einen besonderen Geschmack auszeichnen. Trinitario ist ein Hybridgewächs und erstrahlt in den unterschiedlichsten Farben. Die mittel- und südamerikanischen Kakaobauern wenden für die Fermentierung und Verarbeitung und der geernteten Kakaofrüchte eine besondere Technik an. Die frische Pulpe, also die Samen aus der Frucht, werden auf der Farm und in hölzernen Boxen fermentiert. Über Thermometer kontrollieren die Farmer die optimale Temperatur. Die Trocknung der fermentierten Bohnen erfolgt auf langen Tischen. Dächer schützen vor Regen.

Durch die Verbreitung der Schokolade stieg die globale Nachfrage nach Kakao gewaltig. Man suchte nach neuen Anbaugebieten und wandte den Blick gen Afrika. Im Jahr 1824 brachten Portugiesen die ersten Kakaopflanzen von Brasilien nach Sao Tomé und Gabun. Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete sich der Kakaoanbau zunächst nach Ghana und Nigeria, ehe im Jahr 1905 in der Côte d‘Ivoire die ersten Pflanzungen angelegt wurden. Heute werden in der Côte d’Ivoire und Ghana rund 63 Prozent aller weltweit angebauten Kakaobohnen produziert, insgesamt mehr als 3 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Côte d’Ivoire allein erzeugt rund 43 Prozent. Daneben haben sich auch Kamerun und Nigeria als bedeutende Anbauländer etabliert. In kleinerem Maße produzieren Sierra Leone, Benin, Kongo, Sierra Leone, Uganda und Tansania die begehrte Kakaobohne. Westafrika bietet der Kakaopflanze nahezu perfekte Anbaubedingungen. Primär wird die Sorte „Forastero“ angebaut. Dieser zeichnet sich aus durch ein harmonisches Geschmacksprofil. Der Kakaoanbau in Westafrika ist geprägt von kleinbäuerlichen Strukturen, mit kleinen Anbauflächen von durchschnittlich zwei bis sieben Hektar. Neben Kakao bauen die Familienbetriebe unter anderem noch Maniok, Bananen oder Ananas an, die auf lokalen Märkten verkauft werden. Auch in Afrika ist Kakaoanbau vor allem Handarbeit. Anders als in Lateinamerika werden die Bohnen mit der Haufen-Methode fermentiert. Dafür wird eine Mulde ausgehoben und mit Bananenblättern ausgelegt. Darauf wird die frische Pulpe gegeben und mit Bananenblättern bedeckt. So fermentieren die Bohnen für vier bis fünf Tage, bis das gesamte Fruchtfleisch vergoren ist.

Der Kakaoanbau in Asien ist deutlich jünger als in Amerika und Afrika, erst seit den 1980er-Jahren steigt die Erntemenge signifikant an. Heute wird in Indonesien die drittgrößte Kakao Tonnage weltweit produziert und andere asiatische Länder ziehen nach. In Asien wächst der Hunger nach Schokolade kontinuierlich Jahr für Jahr. Zwar sind die Zuwachsraten im Verhältnis kleiner, angesichts der Bevölkerungsdichte von fast 4,4 Milliarden Menschen ist das Potenzial riesengroß. Diesem Ruf folgen auch die Kakaoproduzenten. Nicht nur für den Export, sondern auch für den eigenen Markt wird hier Kakao angebaut. In Indonesien wird vor allem Criollo gepflanzt. Die roten Samen bergen ein mildes, verwöhnendes Aroma. Zwischen turmhohen Kokospalmen stehen die kleineren Kakaobäume.

Östlich von Australien, mitten im pazifischen Ozean liegen die Inselgruppen Ozeaniens. Auch in diesen Regionen wird Kakao angebaut, vor allem in Papua Neuguinea, der größten Insel des Verbundes. Seit Jahren produzieren die Kakaobauern dort konstante Erträge in Höhe von rund 40.000 Tonnen pro Jahr. Die Kakaobohnen aus Papua Neuguinea gelten als besonders aromatisch und kräftig im Geschmack.

Kakaoanbau in Mexiko: Tradition und Moderne im Wandel

In Mexiko hat der Kakaoanbau eine lange Tradition, die bis in die präkolumbische Zeit zurückreicht. Schon die Maya und Azteken schätzten Kakao als wertvolles Getränk und Zahlungsmittel. Bis heute haben sich viele der alten Traditionen erhalten. So ist Schokolade bis heute in Mexiko hauptsächlich als Trinkschokolade und als Zutat für würzige Soßen beliebt. Die europäische Form von Pralinen und Tafelschokolade konnte sich hier nie durchsetzen, was auch an dem teilweise ungeeigneten Klima liegt. Auf vielen Märkten wird die Schokolade heute noch so verkauft wie vor hunderten von Jahren: eine grobe, körnige Masse bestehend aus Kakao und Zucker, mit gemahlenen Mandeln und Zimt als Zutaten. Diese oft runden von Hand geformten Tafeln werden dann in heißer Milch oder heißem Wasser aufgelöst und zu Schaum geschlagen. Wie in Spanien werden auch hier gerne churros, in Fett ausgebackenes Spritzstreifengebäck, zur Schokolade gereicht. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass dies in weiten Teilen Mexikos ein Luxus sein dürfte, der Wenigen vorbehalten bleibt. Wie in ganz Mittelamerika ist Schokolade in Mexiko für die Einheimischen bis heute ein sehr kostbares Gut. Eine der mexikanischen Marken, die auch über Mexiko hinaus verkauft wird, ist Chocolate Ibarra, hergestellt von der Firma Chocolatera de Jalisco in Guadalajara. Die Abbildung zeigt die typische rot-gelbe Verpackung und die runden Tafeln von Ibarra.

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Die Kleinbäuer*innen in Mexiko sind stolz darauf, mit und nicht gegen die Natur zu leben. Daniel Dominguez Hidalgo schaut zufrieden in die Runde, pH-Wert sieben wäre optimal, die Böden in der Region Soconusco seien in der Regel etwas säuerlicher. Er rückt seine rote Regierungsmütze zurecht, um den Sonnenschutz zu justieren. Dominguez ist Ingenieur und beim Landwirtschaftsministerium tätig. Nur das Astwerk bietet Schutz vor der schwülen Hitze hier in Huixtla, nahe der Grenzstadt Tapachula, unweit der Grenze zu Guatemala. Auch der Kakao braucht Schatten - nicht zu viel, nicht zu wenig.

Herausforderungen und Bedrohungen für den Kakaoanbau

Der Kakaoanbau in Mexiko steht vor vielfältigen Herausforderungen. Eine der größten Bedrohungen ist die Monilia-Plage, ein Pilz, der die Kakaofrucht von innen heraus verfaulen lässt. Daniel Dominguez mustert eine Kakaofrucht, prüft und zögert. Dann reißt er sie ab. Das gehört gewissermaßen zu seinem Job. Die Frucht nimmt er zur Inspektion an den großen Tisch. Was er beim Anblick schon vermutet hat, bestätigt sich: Monilia. Hinter diesem Begriff mit dem schönen Klang steckt ein für die Kakaofamilie fieser Pilz. Die Sporen dringen in die Kakaofrucht ein, nähren und laben sich an ihr und lassen sie von innen heraus verfaulen. Daniel Dominguez sitzt am Tisch, erinnert sich und lacht. Theorien, wie der Pilz ins Land kam, gibt es viele. Was sicher ist: Monilia hat es sich bequem gemacht und wird nicht gehen. Die Bekämpfung ist zur Daueraufgabe geworden. Die Pflanzen müssen ständig beschnitten, kranke Früchte so früh wie möglich entfernt werden. Der Pollenflug des Pilzes kann zudem andere Früchte anstecken. Daher muss für eine gute Luftzirkulation gesorgt werden. Viele Kleinfamilien in der Gegend haben mehr als die Hälfte ihrer Ernte verloren.

Auch menschengemachte Probleme wiegen schwer: Klimawandel und Abholzung bereiten Zukunftssorgen. Unternehmer*innen, kriminelle Banden und politische Interessen konkurrieren um die Wälder Mexikos. Es ist wieder jene Marktlogik: Der Mensch erklärt die Natur zur Ware. Fehlen die Bäume, fehlt der Schatten.

Das Schlagwort Drogenkrieg fällt in Mexiko meist in Verbindung mit nördlichen Bundesstaaten wie Sinaloa, Jalisco oder Tamaulipas. Doch seit einiger Zeit sind kriminelle Gruppen auch im äußersten Süden Mexikos aktiv. Wer mit den vollgestopften Kollektivbussen durch die Provinz fährt, erwartet in dieser Gegend eigentlich hölzerne Marimba-Klänge oder Cumbia-Rhythmen. Stattdessen dröhnen Gesänge aus dem äußersten Norden des Landes aus den Boxen. Die Band Tucanes de Tijuana besingt in einem für die Narco-Kultur berühmten Corrido das Leben als Menschenhändler. Narco-Kultur bedeutet, dem Lebensstil der Drogenkriminellen nahe sein oder imitieren zu wollen. Proportional zu den Höhenmetern wächst das Misstrauen. Hoch oben in der Sierra wird man kritisch beäugt. Statt herzlichem Palaver quittieren die Bergbewohnerinnen die Anwesenheit mit einem barschen: »Was wollt ihr hier?« Untypisch für Mexiko, aber es hat seinen Grund: In der Gemeinde Motozintla köpften Kartellmitglieder kürzlich fünf verfeindete Kartellmitglieder. Auch die jährliche Messe für Handel, Kultur und Sport wurde abgesagt - ohne offizielle Begründung. Doch hier weiß jeder, weshalb sie nicht stattfindet. Die Menschen gehen kaum mehr aus dem Haus, kurz vor Sonnenuntergang sind die Straßen wie leergefegt. Die Sierra bietet einen guten Rückzugsort für Kriminelle: Das Gebiet ist schwer zu erreichen, leicht zu kontrollieren, Handyortung unmöglich. »Es ist wie ein Krebs, der sich ausbreitet«, bilanziert Isaín Mandujano in der Zeitschrift »Proceso« die Situation in Chiapas. Erpressung, Schutzgeldzahlungen und Entführungen sind auch hier zur alltäglichen Realität geworden. Chiapas ist ein logistisch wichtiger Knotenpunkt für Drogen, die aus Zentralamerika kommen. Die Kakaobäuerinnen seien nicht direkt betroffen, so der Agronom Daniel Dominguez. Jedenfalls noch nicht. Aber: »Der Drogenkrieg ist angekommen. Man sieht, wie hier verkauft wird, wie konsumiert wird, wie überfallen wird. Auf dem Weg in die Gemeinde Tuzantán werden wir rausgefischt. Landespolizisten mit Sturmgewehren halten das Motorrad auf der Autobahn an. »Kennen Sie diesen Mann?«, raunt der Uniformierte schroff. Er denkt, Ingenieur Dominguez sei Menschenhändler und will uns jetzt verkaufen - oder andersherum. Die Staatsmacht will alles sehen: Migrationsnachweis - obwohl sie keine Migrationsbeamt*innen sind - Presseausweis, Rucksack. Dann vergeht ihnen die Lust. Immerhin pressen sie uns zumindest kein Geld raus.

Huixtla ist, so unscheinbar wie die Kleinstadt daherkommt, umsäumt von Bergen und kleinen Gemeinden, ein Dreh- und Angelpunkt der lateinamerikanischen Migration. Unzählige solcher Checkpoints säumen die Strecken. 2500 Pesos, rund 125 Euro, kassierten die durch und durch korrupten Behörden pro Checkpoint, glaubt man den Taxifahrern in Tapachula. Dann lassen sie Geflüchtete passieren. Migration ist ein Geschäft, Menschen werden zur Ware - die mehr Geld abwerfen als der Kakao, dessen Kilopreis zurzeit bei 60 Pesos (drei Euro) liegt. Vorbei an riesigen Kapokbäumen, Bananenstauden und sonnengelben Sternfrüchten, die an den Bäumen hängen, lindert der Fahrtwind die tropische Hitze etwas. Hier verlief ein Streckenabschnitt des berüchtigten Güterzugs »La Bestia«. Viele Migrant*innen reisten früher mit dem Zug nach Norden - bis sich die tödlichen Unfälle häuften. Die Schienen sind noch zu sehen. »Todeszug« nannte ihn die Bevölkerung.

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Initiativen und Perspektiven für eine nachhaltige Kakaowirtschaft

Die Hilfe für die Monilia-Plage kam vielerorts nicht von der Regierung, sondern von einem transnationalen Unternehmen: Hersheys. Das hat, zusammen mit Nestlé, den mexikanischen Schokoladenmarkt ohnehin im Würgegriff. Denn Mexiko exportiert kaum Kakao. Der Großteil wird im Land verkauft und weiterverarbeitet. Über Mittlerfirmen wie Agroindustrias Unidas de Cacao und Zwischenhändlerinnen, sogenannte Coyotes, bringen die Kleinbäuerinnen ihr Produkt in Umlauf. Viel Ware aus Chiapas kommt nach Oaxaca. Großen Verhandlungsspielraum bei den Preisen gibt es nicht. Verkaufen oder verhungern ist das Motto. Unweit von Marilenas Farm hat Pedro seine Parzelle. Festgenagelt auf Holzbalken unter dem Dach seines Hauses prangt das Schild, das das »Projekt Hersheys« ausweist. Der Schokoladenriese hat investiert: Mehr als 500 000 Pflanzen, resistent gegen die Monilia-Plage, hat er an 1200 Produzent*innen in ganz Chiapas verteilt - auch an ihn. Beschwerden gegen den Konzern und seine Marktmacht hört man nicht. Er hat, wie Marilena auch, schon schwierigere Zeiten erlebt. Früher hatte er vier Hektar Kakao, nur zwei sind ihm nach der Monilia-Plage geblieben. Zudem sank sein Ertrag drastisch. Das zwingt den jungen Familienvater, auf Alternativen zurückzugreifen. Hier in Huixtla bedeutet das: Zuckerrohr anbauen. Weniger Arbeit, weniger Schädlingsbefall, finanzielle Absicherung. Aber auch: endlose, hässliche Monokultur, Feld um Feld. Doch monieren ist nicht die Art der Menschen hier.

Don Herman, eigentlich Herman López y López, ist ein älterer Herr mit kompakter Statur und wachem Blick. Er freut sich immer über Besuch. Von überall seien sie schon hergekommen, erklärt er: aus Kolumbien, den USA, allen Teilen Mexikos. Seine Ranch ist sein Leben. 14 Stunden täglich sei er auf dem Feld. Don Herman hat alles: Mais, 1800 Kakaopflanzen, Zimt, Bohnen, Skorpione, Schlangen. Für ihn ist es nicht bloß ein Stück Land, sondern ein Ökosystem. Vor rund zwei Jahren habe er begonnen, Vanille zu pflanzen und wartet jetzt auf die erste Ernte. Geduld ist eine Tugend, die ihn die Feldarbeit lehrt. Don Herman sieht sich selbst als Teil eines Kreislaufs. »Natur ist Leben. Sie ist meine zweite Mutter. Sie gibt mir zu essen«, so der 70-Jährige. Ob er denn gut davon leben könne? Don Herman zögert nur kurz. Es reiche fürs Leben, mehr brauche er nicht. Don Herman ist jemand, der nicht nur gerne nachdenkt, sondern auch zum Nachdenken anregt. Was bedeutet gut leben? Die westliche Perspektive wäre: Welch Armut, welch Elend, das kann kein gutes Leben sein! Über 45 Jahre Feldarbeit und keine Aspirationen! Doch diese Wahrnehmung setzt das Materielle, das Monetäre an erste Stelle; sie ist geprägt vom westlichen Wachstumsfetischismus, der Neurose des Aufstiegs und der Expansion. Insgesamt beherberge seine Ranch 42 Pflanzenarten, erzählt Ingenieur Daniel Dominguez, der Don Herman seit langem kennt. Don Herman ist ein Mensch, der Gelassenheit, Glück und Zufriedenheit ausstrahlt. Er wischt sich den Mittagsschweiß von der Stirn, rollt einen Gartenschlauch zusammen und verlautbart: »Mir gefällt meine Arbeit. Wir sind hier ohnehin nur auf der Durchreise.

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