Jean-Marie Dumaine: Trüffel Pionier im Ahrtal

Einführung

Jean-Marie Dumaine, ein Koch und Restaurantbesitzer, hat sich einen Namen als Trüffelexperte und Wildpflanzenkenner gemacht. Seine Geschichte ist eng mit der Wiederentdeckung und Kultivierung von Trüffeln in Deutschland verbunden, insbesondere im Ahrtal bei Sinzig. Dieser Artikel beleuchtet sein Engagement, seine Funde und seine Bemühungen, den Trüffelanbau in Deutschland wiederzubeleben.

Der sensationelle Fund

Im Jahr 2002 erlebte Jean-Marie Dumaine in den Wäldern um Sinzig einen erstaunlichen Fund. Zusammen mit seinem Hund Max entdeckte er Burgundertrüffeln in den Hängen des Ahrtals. Dieser Fund war der Auslöser für eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Geschmack dieser heimischen Exoten.

Trüffelsuche mit Hund Alba

Jean-Marie Dumaine ist oft mit seinem Hund Alba auf Trüffelsuche unterwegs. Der Labrador ist schon aufgeregt, wenn sich der Kofferraum öffnet und seine Pfoten den regennassen Waldboden berühren. Für Alba ist es kein normales Gassigehen. Heute darf er die Fährte aufnehmen, aber nicht nach Kaninchen oder Fuchs, sondern nach einem der teuersten und kulinarisch wertvollsten Pilze der Welt: dem Trüffel. "Cherche, Alba, cherche! "Such, Alba, such", befiehlt sein Herrchen und hält ihm dabei eine schwarzen und raue Knolle eines Burgundertrüffel unter die Nase. Der Hund hat verstanden und verschwindet im Gebüsch.

Trüffelvorkommen in Deutschland

Entgegen der landläufigen Meinung, dass Trüffel nur im Mittelmeerraum Europas, in China oder Australien zu finden sind, sucht Jean-Marie Dumaine mitten in Deutschland, in einem Waldstück im Ahrtal bei Sinzig im Rheinland. "Von Einheimischen habe ich es zuerst gehört, aber das waren meistens Zufallsgeschichten beim Wurzelausgraben oder so. Dann bin ich dem mit französischen Trüffelsuchern weiter nachgegangen. Die sind mit ihren Hunden nach Sinzig gekommen und wir sind fündig geworden. Das war eine Sensation. Es war gigantisch. Es war einer der schönsten Tage meines Lebens muss ich sagen."

Die Geologin Susanne Brünning-Schmitz erklärt, dass das Vorkommen der aromatischen Knolle vor allem mit dem Boden zusammenhängt. "Wir haben hier ehemalige Meeresböden, die sind verfestigt zu Schiefer. Und auf und dem Schiefer haben sich dann später die Lössablagerungen gebildet. Insgesamt neun verschiedene Arten hat man in der Gegend bereits gefunden. Das spricht für das die guten Verhältnisse auf die der Pilz hier trifft. Die häufigsten Sorten sind der Sommer- und der Burgundertrüffel."

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Naturschutz und der Ahrtrüffel e.V.

Wilde Trüffel stehen in Deutschland unter Naturschutz. Für Dumaine war dies bei seinem ersten Fund vor 15 Jahren ein Schock. Doch statt sich den Trüffel vom Brot nehmen zu lassen, gründete er den Verein Ahrtrüffel e.V. Mit ihm nutzt er den guten Boden in Sinzig nun auf eine andere Art. Der Verein baute eine Anlage direkt am Waldrand und pflanzte dort rund 200 Bäume speziell für den Trüffelanbau. Damit erweckten sie eine längst vergessene Landwirtschaft wieder zum Leben: Trüffelanbau auf Trüffelplantagen, im französischen Fachjargon auch Truffière genannt. Auf Plantagen dürfen Trüffel auch in Deutschland angebaut und geerntet werden.

Die erste Trüffelplantage im neuen Jahrtausend

"Das ist die erste in diesem Jahrtausend, früher gab es bereits Truffièren, um die 20er-Jahre. Aber wir haben die erste Truffière angelegt, seitdem die ganze Sache mit Trüffelanbau in Vergessenheit geraten ist", sagt der Pilzsachverständige Frank Kajewski, einer der 40 trüffelbegeisterten Mitglieder des Vereins. In Frankreich erwirtschaftet man heute rund 80 Prozent der Trüffelerträge durch die Kultivierung der Pilze. Einfach ist es deshalb noch nicht und Geduld muss man mitbringen. "Es ist so, dass die Bäume geimpft sind mit Trüffelsporen. Das heißt, ich ziehe mir dort eine Eiche oder eine Haselnuss und infiziere sie mit einem Sporenpüree und dann setzt die die Mykifizierung ein, also die Entstehung der Pilzwurzel. Aber es ist wie immer so. Die Bäume auf der Plantage wurden allesamt mit einheimischen, also im Ahrtal gefundenen Trüffeln und deren Sporen geimpft. Geht es um den Anbau und die Vermehrung der Pilze, macht das Naturschutzgesetz eine Ausnahme.

Nach neun Jahren des Wartens und der Pflege der Sinziger Trüffelplantage, gab es dann im letzten Jahr Grund zum Feiern. Vier kleine Pilzknollen konnten geerntet werden. Nicht viel möchte man meinen, doch für Kajewski und Dumaine ein weiterer Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Wichtig ist für sie, dabei nicht die Menge oder die Grüße der Pilze, sondern, dass es überhaupt geklappt hat.

Jean-Marie Dumaines Werdegang

Jean-Marie Dumaine zog es aus der Normandie an den Rhein. 2002 machte Jean-Marie Dumaine in den Wäldern um Sinzig einen erstaunlichen Fund. Zufällig entdeckte Jean-Marie Dumaine - Patron des Spitzenrestaurants „Vieux Sinzig“- an der Ahr Trüffeln . Jean-Marie Dumaine, 1954 in der Normandie geboren, zog es nach absolvierter Kochausbildung an den Rhein. Hier arbeitete er zunächst in Andernach, bevor er sich seinen Traum erfüllte. 1979 eröffnete er sein eigenes Restaurant, das „Vieux Sinzig“ in Sinzig. Ein Glücksfall für alle, die sich in den nun kommenden Jahren von seiner Küche begeistern lassen. Denn in seinem Restaurant etablierte er zunächst klassische Gerichte der französischen Küche. Dann entdeckte er die Vielfalt der hier vorzufindenden Wildkräuter und Wildpflanzen. Und wie kein anderer Koch verstand er es, die Essenz dieser Landschaft an Rhein, Ahr und Eifel kulinarisch zum Ausdruck zu bringen.

„Die Idee kam mir, während meiner Ausbildung zum Koch. Ich bekam damals das Buch „Der Rhein“ von Victor Hugo in die Hände. „Ja und damals hätte ich mir nicht gedacht, dass ich in Deutschland bleiben würde. Aber für mich war Sinzig ein Glücksfall. „Du bist Franzose, aber - wie du immer wieder betonst - in erster Linie Normanne. „Gemeinsam mit meiner Frau Colette fahre ich so oft ich kann in die Normandie. Aber meine Kinder und Enkelkinder sind hier geboren.

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„1979 bekamen wir die Chance ein Restaurant zu übernehmen. Es liegt hier direkt auf der anderen Straßenseite. Es hieß „Alt-Sinzig“. Wir haben damals einfach die Speisekarte übernommen, denn wir wollten die Stammgäste auf keinen Fall verprellen. Dann haben wir allmählich ein paar französische Gerichte aufgenommen und aus dem Toast Hawaii wurde ein Toast Normande. Dann fragten die Gäste gezielt nach Gerichten, die sie in Frankreich probiert und in bester Erinnerung hatten. Also kamen Gerichte wie Bouillabaisse, Poularde à la Normande und Bœuef Bourguignon auf die Karte und der Name des Restaurants änderten wir.

Wildkräuterpionier

„Du hast dir als Wildkräuterpionier einen Namen gemacht. „Ende der 80er Jahre lernte ich Frau Dr. Klemm kennen. Sie wurde meine „Kräutermutter“. Sie organisierte Kräuterwanderungen unter dem Motto: „Essbare Wildpflanzen - Delikatessen am Wegesrand“. Ich hatte mich schon vorher für das Thema Wildpflanzen interessiert, denn mein französischer Kollege Michel Bras hatte sich mit seiner Wildkräuterküche in der Auvergne einen Namen gemacht. „Damals galten Kräuter, auch alle Wildkräuter als Kaninchenfutter. Man maß ihnen keinen kulinarischen Wert bei. So wurden diese Kräuter zu Exoten, obwohl sie alle hier vor der Haustür wachsen. Ich wollte ihre geschmackliche Vielfalt entdecken und durch meine Küche zur Entfaltung bringen. Terroir ist ja nicht nur auf Wein begrenzt. „Ja, das ist auch gar nicht so weit hergeholt. Ich bekomme hier von den Jägern das Wild aus den umliegenden Wäldern, von Bauern aus der Gegend beziehe ich mein Gemüse, warum sollte ich also nicht auch die Kräuter dieser wunderbaren Region in meine Küche integrieren?

„Aber die Welt der Wildkräuter eröffnet sich einem ja nicht über Nacht. „Auf keinen Fall wollte ich Fehler machen. Denn wenn du in einem Restaurant Wildkräuter anbietest, soll es nicht nur gut schmecken, es muss vor allen Dingen unbedenklich sein. Am Anfang habe ich mich stets bei Frau Dr. Klemm rückversichert. Daneben habe ich mich in der Küche von Michel Bras weiter geschult. Auf seine Empfehlung hin lernte ich François Couplan, einen Wildkräuterexperten kennen. Ich lud ihn ein, nach Sinzig zu kommen, um hier Wildkräuterwanderungen durchzuführen. Daraus entstand die Idee zu einem gemeinsamen Buchprojekt. In unserem Buch konnte ich meine ersten Wildkräuterrezepte präsentieren. „Denke an Mispeln. Kein Mensch verwendete sie damals in der Küche. Aber Mispelmus ist eine wunderbare Beilage zu Wild- oder Fleischgerichten. Als die Currywurst ihren 50. Geburtstag feierte, habe ich unseren Mispelketchup entwickelt. Der wurde dann in Berlin mit dicken französischen Fritten präsentiert. Die Currywurst bereiteten wir aus einer Putenfüllung mit Steinpilzen zu. So trifft die Klassik der französischen Küche auf den Geschmack der Wildkräuter.

„Und dennoch sind ja Wildpflanzen wie auch Wildkräuter für deine Gäste zunächst Exoten. „Es sind einfache Überlegungen, die sich an der Natur orientieren. Lass es mich an zwei Beispielen beschreiben. Wildschweine essen gerne Schlehen, sie sind verrückt nach ihnen, obwohl die Büsche dornig sind. Also verarbeite ich die Schlehen zu Eifeloliven und serviere sie zu Wildschwein. Oder nehmen wir Mädesüß. Das Wildkraut wächst im Wasser und hat einen leichten Mandelgeschmack. Es passt hervorragend zu Forellen, die man dann nicht mit in Butter gerösteten Mandeln, sondern mit Mädesüß zubereitet. Voilà, so trifft die Klassik der französischen Küche auf den Geschmack der Wildkräuter.

Trüffel in Deutschland: Geschichte, Gegenwart und Zukunft

In dem Buch „Trüffeln, die heimischen Exoten“ (AT-Verlag) von Jean-Marie Dumaine und Dr. Nikolai Wojtko, schreibt Dr. Nikolai Wojtko, Präsident des Ahrtrüffel e.V., über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Trüffel in Deutschland:

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Es gibt ihn, den Trüffeläquator. Er teilt den europäischen Kontinent in zwei Hälften. Oberhalb dieser Grenze liegt Deutschland, das sich seit Hildegard von Bingen bis heute durch seinen sonderbaren Umgang mit Trüffeln auszeichnet. Bis in die Neuzeit verdächtigte man hierzulande Trüffeln, Missgeburten und anderes Unheil zu verursachen. Die Reise in die Trüffelgeschichte dreht sich allerdings nicht nur um Tod und Verbot. Während Trüffeln in Südeuropa schon seit dem Mittelalter verschenkt und verspeist wurden, gab es jenseits der Alpen ein massives Misstrauen gegenüber der aromatischen Knolle.

Historische Vorbehalte

Hildegard von Bingen schreibt in ihrer aus dem 12. Jahrhundert stammenden „Physika, oder Heilkraft der Natur“: „Die Hirschtrüffel ist kalt und hart, und sie ist schädlich zu essen für Mensch und Vieh (…). Auch der schwangeren Frau verursacht sie mit körperlicher Gefahr eine Fehlgeburt, wenn sie Hirschtrüffel isst.“ Zahlreiche Autoren nannten die Hirschtrüffel damals „Hirschschwamm“, „Hirschtrüffel“ oder „Hirschbrunst“. Diese kuriose Bezeichnung rührte von der Vorstellung her, dass Hirschtrüffeln dort wachsen, wo sich Hirsche paaren. Aufgrund dieser fälschlichen Verbindung mit der Hirschtrüffel geriet auch der Trüffelverzehr in den Ruf, gesundheitsschädigend zu sein. Einige Gelehrte billigten Trüffeln zwar eine heilsame Wirkung gegen bestimmte Krankheiten zu, wie zum Beispiel Beulenpest und Gicht, aber von Trüffelkonsum zum normalen Verzehr wurde abgeraten. So blieb die Wahrnehmung von Trüffeln im deutschen Kulturraum bis weit in die Neuzeit negativ geprägt, während andere Gebiete in Europa die Trüffel schon längst als Genussmittel entdeckt hatten.

Die Kartoffel als Wegbereiter

Es ist zu vermuten, dass die Einführung der Kartoffel die Akzeptanz der echten, also essbaren Trüffel in den deutschen Ländern förderte. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert gibt es Berichte über Bestellungen von italienischen tartuffali. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend, da aus derselben Epoche eine historisch überlieferte Aussage bekannt ist, wonach die tartuffali so schön rot geblüht hätten, was bei Trüffeln allemal ausgeschlossen ist. Tatsächlich stand der Begriff tartuffel im 16. Jahrhundert sowohl für Trüffel als auch für Kartoffel, und - was die Sache noch komplizierter macht - beide galten damals als eine rare, begehrte Kuriosität. Es ging in der Fugger-Korrespondenz höchstwahrscheinlich um echte Trüffeln und nicht um Kartoffeln. Verblüffenderweise führte also die Einfuhr einer exotischen Pflanze - der Kartoffel - dazu, dass man sich nördlich der Alpen mit der heimischen, aber eher unbekannten Knolle - der Trüffel - beschäftigte.

Trüffelfieber am Hof

Am Anfang des 18. Jahrhunderts erregte die Trüffel auf einmal das Interesse zahlreicher Adliger in verschiedenen Territorien Deutschlands. 1719 kaufte der Markgraf von Bayreuth ein paar italienischer Trüffelhunde. Er war allerdings nicht der erste in Bayern, der Interesse an der edlen Knolle zeigte. Der Hof in Bayern war also alles andere als eine Ausnahme, denn in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts trafen aus Hannover, Bayreuth und auf Rügen auch Trüffeljäger- oder Trüffelhundegesandtschaften ein. Allem Anschein nach spielten die bayerischen Fürsten eine Vorreiterrolle bei der Förderung der Trüffel in Deutschland: Die Heirat eines Wittelsbachers mit einer Tochter des Herzogs von Savoyen sorgte dafür, dass sich die Beziehungen von Turin und München intensivierten. Vor allem das Hofleben des Sprosses dieser Ehe, des Kurfürsten Max II. Emanuel trug dazu bei, dass die Trüffelsuche am bayerischen Hof zu einer wichtigen Angelegenheit wurde. Dafür gibt es verschiedene Hinweise, wie zum Beispiel Rechtskonflikte über die Eigentumsansprüche, die ersten Ansätze einer Gesetzgebung sowie die eigenständige Ausbildung der Trüffelhunde und -jäger.

Trüffelanbau im 19. Jahrhundert

Durch mündliche und schriftliche Werbung verbreitete sich das „Trüffelfieber“ rasch von Hof zu Hof. Dies führte im 19. Jahrhundert dazu, dass ganze Landstriche Deutschlands zu Versuchsfeldern für den künstlichen Anbau der aromatischen Knolle wurden. Vom Halberstädter bis zum Hannoveraner Raum und von der Wilhelmshöhe bei Kassel bis zu den Rheinauen in der Pfalz, überall schossen die Trüffelbeete buchstäblich wie Pilze aus dem Boden. Auch hier hatte der Adel bereits die nötige Vorarbeit geleistet: Die Markgräfin Karoline Luise von Baden, eine leidenschaftliche Naturforscherin und Naturaliensammlerin, experimentierte bereits im 18. Jahrhundert (!) mit Trüffelanbau. Während ihre Versuche allerdings noch erfolglos blieben, erschien kaum hundert Jahre später bereits die erste systematische Abhandlung über Trüffelzüchtung in deutscher Sprache. Das Buch, verfasst von Alexander von Bornholz, trug den anspruchsvollen Titel „Der Trüffelbau, oder Anweisung die schwarzen und weißen Trüffeln in Waldungen, Lustgebüschen und Gärten durch Kunst zu ziehen und große Anlagen dazu zu machen“. Es erschien 1825 und wurde innerhalb von drei Jahren ins Französische (1826), Italienische (1827) und Polnische (1828) übertragen. Damit avancierte Deutschland zum Exportland in Sachen Trüffel-Know-how.

Trüffel im Bürgertum

Im Jahr 1812 war auch schon eine „Anleitung zur Trüffeljagd oder Trüffelsuche“ erschienen. Sogar der deutsche Kaiser mischte sich ein: Im Auftrag des preußischen Staatsministeriums stellte Dr. Rudolf Hesse aus Marburg 1890 Versuche zur Aufzucht von Trüffeln in der Nähe von Wilhelmshöhe bei Kassel an. Zwar konnte er nach etwa zwei Jahren die ersten Fruchtkörper von Speisetrüffeln ernten, da diese aber kaum größer als Erbsen ausfielen, waren sie eher ungeeignet für den Konsum. Bis weit in das 19. Jahrhundert war der Anbau von Pilzen im Allgemeinen und von Trüffeln im Besonderen eine echte wissenschaftliche Herausforderung.

Einerseits haben die preußischen Herrscher schon seit dem frühen 18. Jahrhundert ein Interesse an Trüffeln bekundet. Andererseits entsprangen die Bemühungen, in den eigenen Territorien essbare Trüffeln finden oder anbauen zu können, der Hoffnung, preiswerte und vor allem endlich unverdorbene Ware zur Verfügung zu haben. Bevor die Sterilisierung in Konservendosen ab etwa 1850 Anwendung fand, war die Konservierung der Trüffel eine sehr heikle Angelegenheit. Zahlreiche Beschwerden in den historischen Unterlagen über verrottete Exemplare weisen darauf hin. Trüffeln aus eigenem Boden waren aber nicht nur frisch, sondern auch erheblich günstiger, wenn man bedenkt, dass die Beliebtheit der Trüffel auch beim Bürgertum im Laufe des 19. Jahrhunderts zunahm. In der „Elektronischen Handbibliothek zur historischen Kulinarik“, einer Auswahl von 26 deutschsprachigen Kochbüchern aus den Jahren 1881 - 1926, fällt zunächst einmal die Menge der Rezepte auf, deren Hauptzutat die Trüffel ist. Zudem lassen die großen Portionen vermuten, dass hierzulande in den bürgerlichen Schichten nicht gerade ein Trüffelmangel geherrscht hat.

Betrug und Verfälschung

Mit der zunehmenden Verbreitung der Trüffel vor allem in bürgerlichen Schichten, wuchs die Versuchung, falsche oder sogar giftige Exemplare beizumischen. Von dieser Betrugspraxis wurde auch in Deutschland berichtet. Ob es nun um giftige Trüffelleberwurst, um „plombierte“ (mit Blei angereicherte) Trüffeln oder um veredelte Kartoffeln (mit Eisensalzlösung dunkel gefärbt und mit Steinkohlenteerrückständen aromatisiert) ging, der Kunde bezahlte seine Ware teuer, manchmal sogar mit seinem Leben.

Abneigung und Vergessen

Alles in allem kann man festhalten, dass Deutschland - anders als heute - im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Trüffelhochburg war. Ob es nun die Suchpraxis, die Ausbildung der Hunde, die wissenschaftliche Erforschung, die Züchtung oder die kulinarische Zubereitung betraf, bis weit in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts war man hierzulande mit dem unterirdischen Edelpilz aufs Beste vertraut. In den dreißiger Jahren scheint sich dann ein ziemlich abrupter Abschwung vollzogen zu haben. Die Zeugnisse werden viel spärlicher, und die wenigen Unterlagen, die es aus dieser Periode gibt, deuten auf eine eher trüffelfeindliche Ernährungspolitik der Nazis hin. Von dieser Haltung, die während des dritten Reichs vorherrschte, ist der Umgang mit Trüffeln hierzulande auch heute noch geprägt. Obwohl die Trüffel sich wirtschaftlich zu einer lukrativen Ressource hätte entwickeln können, wurde das Land in der Nachkriegszeit nie mehr zu der Trüffelnation, die es in der Vor- und Zwischenkriegszeit unbestreitbar war.

Die Wiederentdeckung

Seit einigen Jahren zeichnet sich eine Wende zu einer positiven Haltung und einem gesteigerten Interesse gegenüber Trüffeln ab. Davon legen nicht nur die Existenz des Ahrtrüffelvereins, sondern auch die in der Oberpfalz, in Dötlingen (Niedersachsen) und Gießen entstandenen und geplanten Trüffelbeete sowie eine große mediale Aufmerksamkeit für Trüffeln Zeugnis ab. Für die Zukunft gilt es nun, die verschiedenen Initiativen und Interessenverbände in den nördlichen Regionen Europas miteinander zu vernetzen, um sich in einem zweiten Schritt mit den schon bestehenden europäischen Trüffelvertretungen zusammenzuschließen. Eine durchdachte Politik, die ökonomischen und ökologischen Faktoren gleichermaßen Rechnung trägt, wäre eine Grundlage für die Verbreitung von angebauten, aber auch von natürlich wachsenden Trüffeln in Deutschland. Die Praxis in Frankreich und Italien ist ein geeignetes Beispiel dafür. Eine solche Politik, die ökologische Pflege mit wirksamer Aufklärung und wirtschaftlicher Förderung zu kombinieren wüsste, würde den Erhalt der Trüffeln und ihre Verbreitung wirksam unterstützen.

Trüffeljagd im Ostsolling

Eine Besonderheit am Rande des Ostsollings war die Suche nach Trüffeln. Da sie ein jagdbares Vegetabil sind, wird deswegen auch von „Trüffeljagd“ und „Trüffeljägern“ gesprochen. Die Geschichte dieser Jagd reicht weit in die Vergangenheit zurück. Schon im Altertum haben sich die Griechen und Römer dieser Schlauchpilze angenommen, da sie als Aphrodisiakum galten. Im Mittelalter wurden die Trüffeln vorwiegend in Italien und Südfrankreich geerntet. Nach Deutschland kam die Trüffeljagd durch König August II. von Polen, der 1720 zehn dafür abgerichtete Hunde in Italien gekauft hatte. 1727 suchte der Italiener Fenoglio in den Osnabrücker Kalkbergen nach Trüffeln. Von dieser Zeit an sollte dieses Gewerbe eine Merkwürdigkeit des Osnabrücker Landes bleiben. Es ist zu vermuten, dass von hier aus die Trüffeljagd auch Eingang in die südhannoverschen Berge fand. Von einem hervorragenden Trüffeljahr wird nämlich für dieses Gebiet aus dem Jahre 1866 berichtet. Schwerpunkt der Jagd dürfte die Gegend um Alfeld gewesen sein, denn 1893 erzielte die dortige Oberförsterei allein durch die Trüffeljagd 1.100 Mark Pacht. Diese hohen Einnahmen führen wohl auch dazu, dass 1910 zwischen Alfeld und Everode versuchsweise Trüffeln angebaut wurden, was allgemein als nicht möglich angesehen wurde.

Die Trüffeljäger von Dassel

Aus der Alfelder Region wurde auch die Kenntnis um die Jagd der unter der Erde wachsenden Pilze nach Dassel gebracht. Der 1862 in Wispenstein geborene Konrad Lehmensiek erwarb von vorbeiziehenden Zigeunern einen Trüffelhund, den er sich zur Jagd abrichtete. Während in Russland Bären und in Frankreich Schweine die Trüffeln aufspüren sollten, waren es in Italien und Deutschland Hunde. Vor allem den ungarischen Hirtenhunden wurde nachgesagt, daß sie sich besonders eigneten. Um solch einen Hund handelte es sich auch bei Lehmensiek. Die Lehmensieks zogen in der Trüffelsuchzeit von Ende September bis November in die Kalkberge um Dassel. Sobald der Wald erreicht war, wurde der Hund mit anfeuernden Rufen losgeleint. Er hatte nun die Aufgabe, die stark aromatischen Pilze durch stöberndes Suchen zu finden. War er erfolgreich, fing er an zu scharren und zeigte damit die Fundstelle an. Nun war es die Aufgabe des Begleiters, schnell zu ihm zu gelangen, ihn zu belobigen und von der Stelle zu entfernen. Gelang dies nicht schnell genug, beschädigte der Hund die 2 - 10 cm unter der Erde wachsenden Trüffeln. Vorsichtig wurde nun weiter gegraben und die freigelegten Pilze aufgenommen. Sie wuchsen an den Wurzeln der Laubbäume, meist Buchen oder Eichen.

Sorten und Verarbeitung

Die Lehmensieks unterschieden zwischen der minderwertigen weißen oder wilden Trüffel, die von ihnen selbst verbraucht wurde, und der schwarzen Trüffel. Die weiße Trüffel war faustgroß und hatte eine glatte Oberfläche, während die schwarze Trüffel einzeln wuchs, faustgroß war und eine schwarze und rauhe Oberfläche besaß. Nach erfolgreicher Jagd brachten die Lehmensieks zwischen 1 und 3 Pfund nach haus. Die Trüffeln mußten nun sofort kurz gewässert werden. Mit einer weichen Bürste wurde die Erde entfernt. Danach begann die Sortierung nach Größe und Beschädigung und der Versand per Eilpäckchen zu den festen Abnehmern. Teilweise wurden sie auch eingekocht, um sie für den Transport haltbarer zu machen.

Tradition und Ende der Trüffeljagd

Der Trüffeljäger Konrad Lehmensiek hat sein Wissen und Können an seine Nachkommen weitergegeben. Über vier Generationen wurde die Pilzsuche um Dassel ausgeübt. Wichtig war dabei, daß die alten erfahrenen Hunde die jungen Hunde anlernten. Z.T. wurden die Tiere aber auch durch versteckte Trüffeln abgerichtet. Zuerst wurden die Pilze im Haus, dann im Garten und anschließend im Wald versteckt und bei deren Auffinden die Hunde gelobt und durch Wurst belohnt. 1940 fanden die Lehmensieks zum letzten Mal Trüffeln. Ein neuer Start 1950 blieb erfolglos, da trotz intensiver Suche keine Trüffeln mehr gefunden wurden. Damit endete eine 65 Jahre andauernde Attraktion, der 1938 sogar eine Hörfunksendung gewidmet wurde.

Jean-Marie Dumaine: Koch und Trüffelexperte

Jean-Marie Dumaine hat sich intensiv mit Geschichte und Geschmack dieser heimischen Exoten befasst und zusammen mit Küchenchef Yoann Hue dazu 60 neue Rezepte kreiert. Dabei zeigen die beiden Virtuosen am Herd, dass man Trüffeln zu weit mehr verwenden kann, als sie über Paste zu hobeln. Begleitende Texte erzählen Wissenswertes aus der Geschichte der Trüffeln Mitteleuropas, vom Anlegen einer Trüffelplantage und von der Trüffelsuche.

Dass Deutschland noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein Trüffelexportland war, ist heute weitgehend unbekannt, ebenso wie das Wissen über die heimischen Arten, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Nach dem großen Erfolg seiner beiden Bücher über Wildkräuter versammelt der Spitzenkoch hier seine liebsten Trüffelrezepte, die er zusammen mit seinem Küchenchef Yoann Hue entwickelt hat. Dabei zeigen die beiden Virtuosen am Herd, dass man Trüffeln zu weit mehr verwenden kann, als sie über Pasta zu hobeln. Besonders gut akzentuieren Wildkräuter ihren wunderbaren Geschmack. Zusätzlich liefert das Buch wertvolles Wissen über die Geschichte der Trüffeln Mitteleuropas und zeigt, wie man eine Trüffelplantage anlegen kann.

Jean-Marie Dumaine, geboren 1954 auf einem Bauernhof in der Normandie, betreibt seit 1979 das Restaurant »Vieux Sinzig« in Sinzig am Mittelrhein. Seit über zwanzig Jahren hat er sich der Wildkräuterküche verschrieben. Küche und Restaurant stehen ganz unter dem Motto »Natur erleben und geniessen«. Jean-Marie Dumaine ist bekannt durch die regionale und überregionale Presse, durch TV- und Rundfunkauftritte (SWR, WDR, Arte). Er ist Mitglied bei »Eurotoques« und bei der renommierten französischen Gilde Prosper Montagné. Er ist Vorsitzender des Vereins »Ahrtrüffel e.V.«, der die erste Trüffelplantage in Deutschland angelegt hat.

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