Die "heute-show" und die Zuckerkritik: Eine differenzierte Betrachtung
Die "heute-show", bekannt für ihre satirische Aufbereitung aktueller Themen, widmete sich in einer Spezialausgabe dem Thema Zucker. Diese Sendung und die damit verbundene öffentliche Diskussion über Zuckerkonsum und seine Folgen werfen wichtige Fragen auf, die einer differenzierten Betrachtung bedürfen, um Fehlinterpretationen und gefährliche Verallgemeinerungen zu vermeiden.
Insulin: Mehr als nur Blutzuckersenkung
In der Sendung wurde die Rolle von Zucker bei der Entstehung von Adipositas thematisiert. Es ist unbestritten, dass ein übermäßiger Zuckerkonsum zu Übergewicht führen kann. Allerdings greift es zu kurz, Zucker als alleinigen Übeltäter zu verteufeln.
Ein wichtiger Aspekt, der in diesem Zusammenhang oft vernachlässigt wird, ist die Wirkung von Insulin. Insulin wird gemeinhin als Hormon wahrgenommen, das den Blutzucker senkt. Es hat jedoch auch eine weitere wichtige Funktion: Es blockiert die Fettverbrennung und fördert die Fettspeicherung. Diese Wirkung lässt sich gut bei Kindern mit Typ-1-Diabetes beobachten, bei denen ein Insulinmangel zu ungewolltem Gewichtsverlust führt, da die Fettverbrennung ungebremst abläuft.
Bei Menschen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes (T2D) liegt oft das Gegenteil vor: Sie produzieren übermäßig viel Insulin, was die Gewichtsabnahme erschwert. Zucker löst eine Insulinproduktion aus und trägt somit indirekt zur Gewichtszunahme bei.
Glukose: Nicht nur im Haushaltszucker
Das Problem geht jedoch über den reinen Haushaltszucker hinaus. Glukose, die Hauptkomponente von Zucker, ist auch in anderen Lebensmitteln enthalten, beispielsweise im Milchzucker. Noch problematischer ist, dass stärkehaltige Lebensmittel wie Nudeln, Brot, Reis und Kartoffeln aus vielen Glukosemolekülen bestehen und sogar schneller eine Insulinreaktion auslösen können als Zucker. Der glykämische Index von Kartoffelpüree (85) ist beispielsweise höher als der von Haushaltszucker (65). Sogar die derzeit beliebte Hafermilch enthält in 160 ml so viel Glukose wie 200 ml Cola.
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Die alleinige Fokussierung auf Zucker als Dickmacher ist daher nicht nur unzutreffend, sondern angesichts der Adipositas-Epidemie sogar gefährlich.
Fett: Mehr als nur Kalorien
Auch die pauschale Verteufelung von Fett, die in der "heute-show spezial" ebenfalls zur Sprache kam, ist kritisch zu hinterfragen. Es stimmt zwar, dass Fett einen hohen Kaloriengehalt hat und somit zur Adipositas-Entwicklung beitragen kann. Allerdings zeigen Beispiele wie die Atkins-Diät, die sehr fettreich ist und dennoch zu Gewichtsverlust führen kann, dass es nicht allein auf die Kalorienmenge ankommt.
Die Empfehlung, Fette, insbesondere gesättigte Fette, zu meiden, stammt aus dem Jahr 1977 und basierte auf der Annahme, dass diese das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Diese Empfehlung ist jedoch mittlerweile umstritten. Das American College of Cardiology warnte in einem Review von 2020 vor der Verteufelung gesättigter Fette. Studien wie CORDIOPREV und PREDIMED konnten sogar einen schützenden Effekt von Olivenöl auf Herz-Kreislauf-Ereignisse nachweisen.
Der Low-Insulin-Ansatz
Ein vielversprechender Ansatz zur Gewichtsabnahme besteht darin, die körpereigenen Insulinspiegel zu senken. Dieser Ansatz wurde am Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) in Düsseldorf in verschiedenen Studien erfolgreich untersucht. In der "Düsseldorfer Brotstudie" konnte gezeigt werden, dass der Austausch von Roggenmischbrot, das eine erhebliche Insulinproduktion auslöst, durch ein "Low-Insulin-Brot" zu einer Gewichtsabnahme von mehr als 2 kg führt.
Probleme bei der Umsetzung
Trotz der wissenschaftlichen Evidenz für den Low-Insulin-Ansatz ist es schwierig, diesen in der breiten Bevölkerung zu etablieren. Ein Versuch, das Programm durch eine Zertifizierung der Krankenkassen zugänglich zu machen, scheiterte, da es keinen Low-Fat-Ansatz verfolgte und in den ersten Wochen eine Formuladiät vorsah. Dies zeigt, dass Forschung und Wissenschaft bei den Krankenkassen offenbar nicht immer einePriorität haben.
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Erfolge bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes
Das Low-Insulin-Programm ist nicht nur bei der Gewichtsabnahme erfolgreich, sondern auch bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes. Am WDGZ konnten im letzten Jahr bei vielen Patienten mit T2D häufiger Insulin abgesetzt als angesetzt werden. Dies ist jedoch möglicherweise nicht im Interesse der Krankenkassen, da dadurch die Ausgleichszahlungen aus dem Morbi-RSA für die Insulintherapie entfallen.
Einladung zur Fortbildung
Um zu einem besseren Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen Ernährung, Insulin und Adipositas beizutragen, wurde Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zu einer Fortbildung in das Westdeutsche Diabetes- und Gesundheitszentrum eingeladen. Ziel ist es, eine fundierte Basis für zukünftige politische Entscheidungen zu schaffen.
Die "heute-show spezial": Ein erster Schritt
Die "heute-show spezial: Süßes oder Süßes?" hat zweifellos einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung für das Thema Zucker geleistet. Fabian Köster und Lutz van der Horst haben auf humorvolle Weise auf die Gefahren des versteckten Zuckers in vielen Lebensmitteln aufmerksam gemacht und die Diskussion über eine gesunde Ernährung neu entfacht.
Zucker als "Mikroplastik der Ernährung"
Die Metapher des Zuckers als "Mikroplastik der Ernährung" verdeutlicht die Allgegenwärtigkeit von Zucker in unserer Nahrung und die damit verbundenen potenziellen Gesundheitsrisiken. Ähnlich wie Mikroplastik in die Umwelt gelangt, ist Zucker in einer alarmierenden Anzahl von Lebensmitteln vorhanden, oft in Formen, die wir nicht unmittelbar erkennen.
Die Gefahren des übermäßigen Zuckerkonsums
Der übermäßige Verzehr von Zucker birgt erhebliche Gesundheitsrisiken, die von Karies und Übergewicht bis hin zu chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen reichen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass nur fünf Prozent unserer täglichen Kalorienzufuhr aus Zucker bestehen sollten - das entspricht etwa 25 Gramm oder sechs Teelöffeln. Aufgrund des versteckten Zuckers in vielen Lebensmitteln überschreiten viele Menschen diese Menge jedoch deutlich.
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Die Rolle der Politik
Grünen-Politiker fordern ein Verbot von Werbung, die gezielt Zuckerprodukte für Kinder bewirbt. Ob sich die Koalition in dieser Frage einig wird oder ob die Zucker-Lobby am Ende die Macht behält, bleibt abzuwarten.
Die "heute-show" als Sprachrohr für Verbote?
Kritiker werfen der "heute-show" vor, regelmäßig staatliche Regulierung zu fordern und Verbote zu befürworten, beispielsweise in Bezug auf Zucker, Alkohol, Tabak, Glyphosat, Waffen und motorisierte Individualmobilität. Es wird bemängelt, dass die Sendung oft einseitig argumentiert und Informationen und Argumente, die nicht in die eigene Sichtweise passen, ignoriert.
Die "heute-show" und die Verbraucher
Einige werfen der "heute-show" vor, Verbraucher als unmündige Opfer von Industrien und Lobbys darzustellen, die vom Staat vorgeschrieben bekommen müssen, welche Werbung sie sehen dürfen und welche Nahrungsmittel sie zu sich zu nehmen haben. Diese Sichtweise ignoriert die Eigenverantwortung der Konsumenten und den Mechanismus von Angebot und Nachfrage.
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