Hamam Kreuzberg: Geschichte und Bedeutung des Türkischen Frauenbads in der Schokofabrik

Das Hamam in Kreuzberg, eingebettet in die lebendige Atmosphäre der „Schokofabrik“, ist mehr als nur ein Ort der Reinigung. Es ist ein Raum der Begegnung, der Entspannung und der kulturellen Verwurzelung, speziell für Frauen. Das Hamam, ein traditionelles türkisches Bad, bietet eine einzigartige Erfahrung, die Körper und Seele gleichermaßen verwöhnt.

Die Geschichte der Schokofabrik und des Hamams

Die Geschichte des Hamams in Kreuzberg ist eng mit der Geschichte der „Schokofabrik“ verbunden, einem bemerkenswerten Frauenstadtteilzentrum. Das Gebäude, in dem sich heute das Hamam befindet, hat eine bewegte Vergangenheit. Bis 1968 wurden in den Räumlichkeiten zwischen der Mariannenstraße 6 und der Naunynstraße 72 Schokoladenprodukte hergestellt. Nach acht Jahren Leerstand wurde das Gebäude 1981 von einer Gruppe von Frauen besetzt, darunter Studentinnen und Teilnehmerinnen der Internationalen Bauausstellung.

Diese Frauen hatten eine Vision: ein Stadtteilzentrum zu schaffen, das ausschließlich Frauen vorbehalten ist. In einem Jahrzehnt harter Arbeit entstand eines der größten Frauenprojekte Europas. Ein wichtiger Bestandteil dieses Projekts war die Realisierung des Hamams, das seitdem ein fester Bestandteil des Zentrums ist. Die Idee, ein Hamam für Frauen zu errichten, bestand bereits seit der Gründung der Schokofabrik in den 1980er Jahren. Die Realisierung dieses Plans ermöglichte es, Frauen unterschiedlicher Herkunft in einer entspannenden, orientalischen Umgebung zusammenzubringen und einen Raum der Begegnung zu schaffen.

Die Besetzung des Geländes vor vier Jahrzehnten markierte den Beginn einer neuen Ära. Als „Besetzung Nummer 170“ registriert, war es Teil einer breiteren Bewegung in Kreuzberg, die sich gegen eine Stadtplanung wehrte, die das alte Gründerzeitviertel zugunsten einer Autobahnplanung aufgeben wollte. Die Frauen sanierten das Gebäude in Eigenregie, erneuerten Holzbalken, deckten das Dach neu und installierten elektrische Leitungen und Abwasserrohre.

Das Hamam als Ort der Begegnung und Entspannung

Im Hamam herrscht eine lebhafte Atmosphäre. Fröhliches Kinderkreischen, angeregte Gespräche auf Türkisch und Deutsch sowie das Plätschern des Wassers erfüllen den etwa 35 Grad warmen Hauptraum. Türkische und deutsche Frauen sitzen oft zu zweit in den warmen Nischen unter der Kuppel, schöpfen Wasser aus den Überlaufbecken und übergießen sich gegenseitig, um die Haut aufzuweichen und sie anschließend mit einem Seidenschwamm zu massieren.

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Das Hamam ist nicht nur ein Ort der körperlichen Reinigung, sondern auch ein Ort der sozialen Interaktion und des Austauschs. Frauen waschen sich gegenseitig die Haare, sprechen über ihre Kinder, ihre Arbeit oder andere persönliche Themen. Es ist ein idealer Ort für intime Gespräche unter Frauen.

Angebote und Besonderheiten des Hamams

Das Hamam in der Schokofabrik bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen und Besonderheiten:

  • Seifenmassage: An bestimmten Tagen können sich die Besucherinnen von einer erfahrenen türkischen „Abschrubbfrau“ mit einer Seifenmassage verwöhnen lassen.
  • Sauna und Infrarotkabine: Als Ergänzung zum Hamambesuch können die Besucherinnen in der Sauna oder der Infrarotkabine entspannen.
  • Innenhof und gemütliche Räume: Der Innenhof und die gemütlichen Räume laden zum Verweilen bei Getränken und kleinen Speisen ein.
  • Führungen: Regelmäßig werden Führungen angeboten, die die kulturellen Zusammenhänge des Hamams und die Geschichte der Schokofabrik erläutern.
  • Veranstaltungen: Der Internationale Frauentag am 8. März wird jährlich mit Musik und Tanz gefeiert. Am 1. Mai findet ein „Tag der offenen Tür“ statt.

Multikulturelle Arbeit und Integration

Das Hamam spielt eine wichtige Rolle bei der multikulturellen Arbeit der Schokofabrik. Es ist ein Ort, an dem sich türkische Frauen fast wie zu Hause fühlen können. Mütter mit ihren Kindern und Großmütter mit ihren Enkelkindern legen hier ihre traditionellen Kopftücher ab. Aber auch nicht-türkische Frauen fühlen sich hier wohl und werden von den türkischen Mitarbeiterinnen einfühlsam in die Bräuche und Anwendungen des Hamams eingeführt.

Anke Peterssen, die als Sozialpädagogin in der Schoko arbeitet, betont die Bedeutung der Einbeziehung türkischer Frauen. Sie erklärt, dass ein Frauenstadtteilzentrum für viele türkische Frauen etwas Fremdes ist und es gilt, Berührungsängste zu überwinden. Im Hamam gelingt dies jedoch auf natürliche Weise.

Herausforderungen und Zukunftspläne

Obwohl das Hamam in Kreuzberg bereits ein Erfolg ist, gibt es dennoch Wünsche und Zukunftspläne. Die Mitarbeiterinnen würden das Bad gerne noch mehr dem türkischen Original angleichen und vergrößern. Sie träumen von zusätzlichen Räumen für weitere Angebote wie Haarefärben und Enthaarungen. Da das Projekt jedoch weitgehend durch öffentliche Gelder finanziert wird, fehlen die Mittel, um diese Wünsche zu verwirklichen.

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Trotz der kleinen Unterschiede zu einem Original-Hamam sind die Kreuzberger Mitarbeiterinnen stolz auf ihr Frauenbad, auf jenen Ort, an dem sich die multikulturellen Ansprüche der Schoko-Frauen auf natürliche Weise verwirklichen.

Kreuzberg: Kunst, Kultur und Wandel

Die Geschichte des Hamams und der Schokofabrik ist eng mit der Geschichte von Kreuzberg verbunden. Kreuzberg hat den Ruf eines „Multi-Kulti“-Viertels von Westberlin und galt besonders in den 1980er Jahren als subkulturelle und alternative Hochburg der Stadt, vor allem aufgrund seiner Geschichte mit Hausbesetzungen, Häuserkämpfen und regelmäßigen Krawallen.

Schon in den 1950er Jahren wurde Kreuzbergs Ruf als „Kunstwiege“ gegründet. Ingeborg Bachmann beschrieb den Bezirk 1964 als „im Kommen“ und hob die Bedeutung von Kellerwohnungen, Hinterhöfen und einer rebellischen, unkonventionellen Lebensweise hervor.

In den 1970er Jahren erlebte Kreuzberg eine weitere Wandlung. Einerseits zogen immer mehr türkische Gastarbeiter in den Bezirk, andererseits verlagerte sich die alternative Szene von Wilmersdorf und Charlottenburg nach Kreuzberg. Gleichzeitig gab die Bezirksverwaltung immer mehr alte Bausubstanz auf und plante großflächige Neubauten.

Die Besetzung des Bethanien-Krankenhauses im Jahr 1972 war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte Kreuzbergs. Verschiedene Gruppen, darunter Künstler, Elterninitiativen und politische Organisationen, besetzten das leerstehende Gebäude und schufen einen Raum für alternative Lebensformen und kulturelle Projekte.

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In den 1980er Jahren kam es zu Spannungen zwischen Künstlern und „Streetfightern“ (Autonomen), die gegen die Gentrifizierung des Viertels kämpften. Während die türkische Community mit ihren Kulturvereinen in Ladenlokale zog, richteten immer mehr Künstler ihre Galerien und Clubs in Kellern ein.

Heute ist Kreuzberg ein lebendiger und vielfältiger Stadtteil, der von seiner multikulturellen Geschichte, seiner alternativen Szene und seinem pulsierenden Nachtleben geprägt ist. Allerdings ist der Bezirk auch mit Herausforderungen wie steigenden Mieten und Gentrifizierung konfrontiert.

Die Schokofabrik heute

Die Schokofabrik hat sich im Laufe der Jahre immer wieder gewandelt und neuen Herausforderungen angepasst. Heute engagieren sich rund 100 Frauen in den verschiedenen Projekten und Initiativen des Zentrums.

Das Angebot der Schokofabrik umfasst unter anderem:

  • Schokowerkstatt: Eine Werkstatt, in der Frauen Möbel und andere Holzprodukte herstellen können.
  • Frauensportzentrum: Kurse für Yoga, Tanz, Kickboxen und andere Sportarten.
  • Sozial- und Rechtsberatung: Kostenlose Beratung für Frauen in schwierigen Lebenslagen.
  • Queeres Gesundheitszentrum: Ein Zentrum für die Gesundheitsversorgung von queeren Frauen.
  • Deutschkurse: Sprachkurse für geflüchtete Frauen.
  • Frauenkrisentelefon: Ein Notruftelefon für Frauen in Krisensituationen.
  • Cafébar „Oya“: Ein Treffpunkt für Frauen im Vorderhaus der Mariannenstraße 6.
  • Infotresen: Eine Anlaufstelle für alle Frauen mit Interesse an den Angeboten der Schokofabrik.

Die Schokofabrik ist ein wichtiger Ort für die Frauenbewegung und ein Raum für politische Bildung und Austausch. Sie bietet Frauen und Mädchen Unterstützung, Förderung und die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen.

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