Die Kontroverse um Merci Schokolade: Herkunft, Boykottaufrufe und Markenrecht

Die Marke Merci Schokolade, hergestellt von der AUGUST STORCK KG und STORCK Deutschland KG, ist seit 1965 auf dem Markt und erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit. Mit Produktionsstandorten in Halle in Westfalen, Ohrdruf und Berlin, wo sich auch die Geschäftsführung befindet, hat sich Storck als bedeutender Akteur in der Süßwarenindustrie etabliert. Doch in jüngster Zeit ist die Herkunft von Merci Schokolade in den Fokus geraten, insbesondere im Zusammenhang mit Boykottaufrufen und markenrechtlichen Auseinandersetzungen.

Produktionsstandorte von Storck in Deutschland

Storck betreibt drei Produktionsstandorte in Deutschland:

  • Berlin: Hier befindet sich die Geschäftsführung, und das Werk wurde 1967 für die Schokoladenherstellung in Betrieb genommen.
  • Halle in Westfalen: Dieser Standort ist seit über 70 Jahren ein wichtiger Produktions- und Verwaltungsstandort von Storck.
  • Ohrdruf: Die hochmoderne Produktionsstätte ist auf die Herstellung und Auslieferung von Schokoladenspezialitäten ausgerichtet. Hier werden unter anderem die Marken Knoppers, Merci und Werther’s Original produziert.

Boykottaufrufe gegen Unternehmen mit angeblicher Unterstützung Israels

Im Zuge des eskalierten Konflikts zwischen Israel und Gaza nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, bei dem 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln genommen wurden, positionieren sich viele Menschen weltweit entweder proisraelisch oder propalästinensisch. In diesem Kontext sind Boykottaufrufe gegen Unternehmen laut einer App Namens "No Thanks", die Israel angeblich unterstützen, laut Social Media-Kommentaren vor allem von propalästinensischen Unterstützern heruntergeladen worden.

Die "No Thanks" App

Die App "No Thanks" ermöglichte es Nutzern, den Strichcode eines Produkts zu scannen oder seinen Namen einzugeben, um Informationen darüber zu erhalten, inwiefern der Hersteller Israel unterstützt. Bei einem positiven Ergebnis wurde "No Thanks" angezeigt, was als Aufforderung zum Boykott des Produkts verstanden wurde.

Die App wurde am 13. November veröffentlicht und war zunächst im Playstore verfügbar, wurde aber später entfernt. Für iOS-Geräte gab es laut Recherchen der Deutschen Welle (Stand 01.12.2023) noch keine Version.

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Hintergründe und Kontroversen

Laut Angaben in der App wurde "No Thanks" von Ahmed Bashbash entwickelt, einem Palästinenser aus Gaza, der nach eigenen Angaben seinen Bruder "in diesem Massaker" verloren hat. Die Liste der Unternehmen, die Israel angeblich unterstützen, stamme von den Webseiten "Boycotzionism" und "Ulastempat".

Die Webseite Boycotzionism wirbt mit dem Ausspruch "From the river to the sea, Palestine will be free", der zum Teil als antisemitisch interpretiert wird. Auf den Listen mit zahlreichen Brands, die man laut den Betreibern der Webseiten boykottieren sollte, befinden sich unter anderem weltweit bekannte Unternehmen wie Adidas, McDonald's, Chanel, Netflix und Apple. Einige Unternehmen stehen auf der Liste, da sie gemeinsam nach dem 7. Oktober eine Kampagne starteten, in der sie die Terrorattacke der Hamas auf Israel verurteilten und sich darin gegen jede Form von Hass und Antisemitismus aussprachen.

Die Entfernung der App aus dem Google Playstore erfolgte aufgrund des Satzes "Hier kannst du sehen, ob das Produkt in deinen Händen das Töten von Kindern in Palästina unterstützt", der auf dem Startbildschirm der App zu lesen war. Dieser Satz wurde mittlerweile durch "Hier kannst du sehen, ob das Produkt in der Boykottliste ist oder nicht" ersetzt.

Interpretationen und Kritik

Experten interpretieren den ursprünglichen Satz unterschiedlich. Einerseits könne er israelkritisch sein, andererseits aber auch antisemitisch, da er an die antisemitische Redewendung aus dem Mittelalter erinnere, dass Juden Kinder ermordeten.

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, weist darauf hin, dass die andere Interpretation des Satzes die Tatsache sei, dass in Gaza während des aktuellen Krieges Kinder durch israelische Luftangriffe getötet würden. Da diese nicht absichtlich ermordet würden, sondern im Zuge des Krieges ums Leben kämen, könne man den Satz darüber, dass ein Produkt das Töten von Kindern in Palästina unterstütze, auch als polemische Zuspitzung sehen, "als Mittel zum Emotionalisieren".

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Uffa Jensen, stellvertretender Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung, ergänzt, dass zunächst die Hamas am 7. Oktober israelische Kinder umgebracht habe. "So ein Satz entzieht sich diesem Kontext und ist dann schwer polemisch", erklärt er weiter.

Ziele des Boykotts

Die Frage nach dem genauen Ziel des Boykotts bestimmter Produkte ist laut Mendel entscheidend. Seit dem 7. Oktober sei klar, dass nicht alle die gleichen Ziele verfolgten: "Es gibt diejenigen, die einen palästinensischen Staat neben dem israelischen Staat fordern, und es gibt diejenigen, die die Vernichtung des Staats Israel wünschen."

Das Mittel des wirtschaftlichen Boykotts, der individuellen Entscheidung, Produkte nicht zu kaufen, ist Mendel zufolge erst mal legitim. Zudem sei der arabische Boykott gegen Israel nicht neu, er habe schon Anfang der 1970er Jahre begonnen.

Vergleich mit dem NS-Boykott

Nicht wenige Social-Media-Nutzer in Deutschland denken bei solchen Boykottaufrufen an den nationalsozialistischen Aufruf von 1933 "Kauft nicht bei Juden". Ein Vergleich damit sei allerdings problematisch, da dieser die Gefahr berge, den Nationalsozialismus zu verharmlosen.

Jensen hält die Verbindung zum Nationalsozialismus ebenfalls für schwierig und verweist auf andere Beispiele von Boykottmaßnahmen, wie den Boykott Südafrikas angesichts der Apartheid.

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Auswirkungen des Boykotts

Das Problem, das für Israel durch einen solchen Boykott entstehe, sei laut Mendel nicht primär ein wirtschaftlicher Schaden, sondern der kulturelle und wissenschaftliche Boykott, der damit einhergehe. "Progressive Kräfte in Israel, in der Wissenschaft, in der Kunst, in der Friedensbewegung, auch in Europa und in Nordamerika, werden ausgegrenzt und ausgeschlossen."

Ziele des App-Entwicklers

Derweil ist das Ziel von Ahmed Bashbash erst einmal, die App wieder in den gängigen App Stores verfügbar zu machen. Die App ist kostenlos und alle Profite, die er damit mache, schicke er an palästinensische Organisationen, die den Menschen in Gaza helfen, schreibt Bashbash in seiner App.

Markenrechtliche Auseinandersetzung um den Namen "Merci"

Neben den Boykottaufrufen sah sich Storck auch mit einer markenrechtlichen Auseinandersetzung um den Namen "Merci" konfrontiert. Das Unternehmen klagte gegen das "Café Merci" aus Bad Soden wegen Rufausbeutung und Verwechslungsgefahr der Marken.

Der Fall "Café Merci"

Seit 1965 ist Storck mit der Marke „merci“ auf dem Markt. Laut einer vom Unternehmen beauftragten repräsentativen Befragung bringen 93 Prozent der Deutschen diese Marke mit Schokolade in Verbindung. Und weil das so ist, hat Storck seit 2012 zwei Klagen gegen das „Café Merci“ aus Bad Soden mit gleichnamigen Ablegern in Eschborn, Kronberg und Bad Homburg angestrengt - zuerst wegen Rufausbeutung, dann wegen Verwechslungsgefahr der Marken.

Nach zwei Niederlagen vor Land- und Oberlandesgericht Frankfurt hat Storck im dritten Urteil im November 2013 recht erhalten. Die von der Bad Sodener Café-Betreiberin Anja Klügling eingelegte Berufung endete Anfang 2015 mit einem Vergleich, nachdem die Richter durchblicken ließen, dass Storck wohl auch im Berufungsverfahren recht bekomme.

Klügling hat nun bis Januar 2016 Zeit, um das Wort „Merci“ aus ihrem Firmennamen, von Speisekarten, Verpackungen, Schirmen und Fußmatten zu tilgen. Inklusive der Anwaltsrechnungen wird sie wohl über 200.000 Euro Kosten stemmen müssen, ein Bankkredit ist unausweichlich.

Begründung des Gerichts

Letztlich, so das Gericht, lasse allein das Wort „Merci“ beim Verbraucher eine gedankliche Verbindung zwischen der Storck-Marke „merci“ und der Marke „Café Merci“ entstehen - trotz unterschiedlicher grafischer Gestaltung und den Zusätzen Café sowie Pâtisserie, Boulangerie und Traiteur: „Die Umstände reichen bereits aus, um festzustellen, dass ein Verbraucher sich an die Klagemarke erinnert, wenn er das Zeichen der Beklagten, „Café Merci“, sieht und liest. Das genügt für eine gedankliche Verknüpfung. Eine Verwechslungsgefahr ist nicht erforderlich.“

Expertenmeinungen

Der Wiesbadener Professor, Rechtsanwalt und Notar Christian Russ ist auf Wettbewerbs- und Markenrecht spezialisiert und Lehrbeauftragter an der Universität Mainz und der Fachhochschule Wiesbaden. Russ hält angesichts der Bekanntheit der seit rund 50 Jahren für die Warengruppe Kakao, Schokolade und Zuckerwaren geschützten Marke „merci“ die gewerbliche Verwendung dieses Wortes im Bereich Schokolade für risikoreich. Er sagt aber auch: „Das kann von Richter zu Richter unterschiedlich gesehen werden.“ Der Begriff „Verwechslungsgefahr“ sei nicht eindeutig: „Da hat jeder Richter seine eigene Anschauung, wer was mit was verwechseln kann.“

Dabei sei es unerheblich, ob merci-Schokolade und die Handwerksprodukte aus Bad Soden äußerlich, geschmacklich von den Inhaltsstoffen oder der Herstellung her verwechselt werden könnten, so Russ. Hier gehe es ausschließlich darum, ob die Marken verwechselt werden könnten. Bei sehr bekannten Namen könnten Verbraucher etwa lizenzrechtliche Beziehungen zwischen Produkten annehmen, die nichts miteinander zu tun hätten.

Kritik an Storck

Kritiker des Vorgehens des Süßwarenherstellers haben binnen zweier Tage zahlreiche negative Kommentare abgegeben und dafür einige Hundert „Likes“ erhalten. Storck hat das zu einer - recht versteckten - Stellungnahme gedrängt. Darin heißt es zunächst in korrektem Juristensprech: „Es geht bei allem nicht um eine Auseinandersetzung zwischen David und Goliath, sondern um einen Kennzeichenkonflikt“. Um dann einige Sätze weiter versteckt zu drohen: „Es wäre möglich gewesen, die erheblichen Kosten sowie einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen“. Soll heißen: Storck hat sich eigentlich sehr großzügig verhalten, denn man hätte dem „Café Merci“ auch viel mehr schaden können.

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