Lindt Fairtrade-Zertifizierung: Eine kritische Betrachtung

Lindt & Sprüngli, ein Schweizer Unternehmen, das für seine feine Schokolade bekannt ist, bezieht einen Großteil seiner Kakaobohnen aus Ghana, einem westafrikanischen Land, das fast 20 Prozent der weltweiten Kakaoernte produziert. Der Kakaoanbau, der einst Wohlstand versprach, wird heute hauptsächlich von Kleinbauern betrieben, von denen viele unterhalb der Armutsgrenze leben. Dies wirft die Frage auf, ob der hohe Preis für Lindt-Schokolade gerechtfertigt ist, insbesondere angesichts der anhaltenden Kritik an Kinderarbeit auf Kakaoplantagen.

Die bittere Realität des Kakaoanbaus in Ghana

In den 1970er-Jahren versprach der Kakaoanbau den Bauern in Ghana Wohlstand, doch diese Hoffnung hat sich weitgehend zerschlagen. Der Kakaopreis wird an der Börse gebildet und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten inflationsbereinigt halbiert. Heute lebt die Mehrheit der Kakaobauernfamilien in Westafrika deutlich unter der Armutsgrenze. Das Einkommen der Familien reicht kaum zum Überleben, so dass häufig jedes Familienmitglied bei der Arbeit mithelfen muss - auch Kinder.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bemängeln, dass Kinderarbeit auf Kakaoplantagen nach wie vor bittere Realität sei - obwohl sie offiziell verboten ist. Die Kinder müssten häufig schwere Lasten tragen und mit gefährlichen Werkzeugen wie Macheten umgehen. Viele werden durch den Umgang mit giftigen Pestiziden krank. In den vergangenen zehn Jahren sei die Verbreitungsrate von Kinderarbeit sogar gestiegen - und das, obwohl die Schokoladeindustrie seit dem Jahr 2001 angeblich versucht, Kinderarbeit in der Kakaoproduktion abzuschaffen. Das sogenannte Harkin-Engel-Protokoll, eine freiwillige Verpflichtung, wurde unter anderem von Nestlé, Mars und Ferrero unterzeichnet.

Fairtrade, UTZ und Rainforest Alliance: Was bringen Zertifizierungen?

Um faire Schokolade anbieten zu können, setzen einige Anbieter auf Siegel wie FairTrade, UTZ oder Rainforest Alliance. Diese Zertifizierungen sollen sicherstellen, dass bestimmte soziale und ökologische Standards eingehalten werden. Fairtrade verbietet Kinderarbeit und Abholzung, überprüft, dass Rechte von Arbeiter:innen eingehalten werden und zahlt den Bauern eine Prämie sowie einen Mindestpreis für eine Tonne Kakao. Die Rainforest Alliance schult Bäuer:innen vor allem darin, ihre Erträge durch nachhaltige Anbautechniken zu steigern.

Allerdings lösen diese Siegel die Probleme nicht vollständig. Sie sind keine Garantie dafür, dass die Bäuer:innen von ihrer Arbeit leben und sich aus der Armut befreien können. Laut INKOTA müssten sich dazu die Einkünfte in Ghana verdoppeln, in Elfenbeinküste verdreifachen. Ein weiteres Problem ist, dass Prüfer:innen oftmals nur einen kleinen Ausschnitt von Kakaoplantagen sehen, Prüfungen häufig angekündigt, Verbesserungen vornehmlich auf dem Papier stattfinden und die Zertifizierungen Geld kosten.

Lesen Sie auch: Genuss pur: Lindt Hauchdünne Täfelchen Orange unter der Lupe

Lindt & Sprüngli: Eigene Wege in Sachen Nachhaltigkeit

Die Firma Lindt & Sprüngli trägt keines der gängigen Siegel - auch sind die Inhaltsstoffe nicht Bio-zertifiziert, werden also konventionell angebaut. Stattdessen geht das Schweizer Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit eigene Wege: Nach eigener Aussage will Lindt & Sprüngli die Lebensgrundlage der Kleinbauern verbessern. Dafür hat die Firma 2008 das sogenannte Farming Program ins Leben gerufen. Damit sollen die Kakaobohnen über die gesamte Lieferkette hinweg rückverfolgbar sein. Als weiteren Eckpunkt des Programms baut Lindt & Sprüngli Schulen und Brunnen. Zwischen 2008 und 2021 hat Lindt nach eigenen Aussagen weltweit rund 82 Millionen Euro für Nachhaltigkeits-Initiativen ausgegeben. In Ghana wurden unter anderem 30 neue Schulgebäude gebaut.

Lindt & Sprüngli zu Kinderarbeit: „Wir arbeiten mit vollem Einsatz daran, die Effektivität unserer Systeme kontinuierlich zu verbessern, um dieses Risiko in unserer Kakao-Lieferkette und darüber hinaus anzugehen.“

Kritik am Lindt & Sprüngli Farming Program

Wie sind Initiativen wie Lindt & Sprünglis Farming Program zu bewerten? Friedl Hütz-Adams von der Organisation Südwind e.V. bemängelt, dass die Bauern das Wissen, das sie in Schulungen erhielten, häufig schon hätten, aber einfach nicht über die finanziellen Mittel verfügten, nötige Investitionen anzugehen. Auch das Ziel der Schulungen, den Ertrag zu erhöhen, sieht Südwind kritisch: Durch eine Überproduktion könne der Kakaopreis weiter fallen. An erster Stelle müsse stehen, den Bauern einen existenzsichernden Preis für ihre Kakaobohnen zu zahlen, so Friedl Hütz-Adams.

„Also ich finde es erst einmal gut für ein Dorf, dass da eine neue Schule und ein neuer Brunnen sind. Aber man stellt sich die Frage, wenn sie seit Jahrzehnten so ein Luxusprodukt wie Kakao anbauen, warum dann nicht genügend Geld da ist, damit sie das selber machen können?"

Positiv in Sachen Fairness ist, dass Lindt Transparenz in die Lieferkette bringen will und die Kakaobauern mit verschiedenen Projekten unterstützt. Nach Angaben ghanesischer Experten arbeiten auf mehr als der Hälfte der Plantagen Kinder, oftmals in Schuldknechtschaft. Manche wurden im Alter von 10 Jahren von ihren Eltern verkauft und müssen bis zum Erwachsenenalter ohne Lohn schuften. Ein Schulbesuch ist ihnen unmöglich.

Lesen Sie auch: Vegane Süßigkeiten: Ein Testbericht

Das „Lindt & Sprüngli Farming Programm“ stellt sicherlich einen wichtigen und erheblichen Schritt in die richtige Richtung dar. Allerdings konnte dadurch nicht durchgreifend Kinderarbeit für Lindt in der Lieferkette abgeschafft werden, was die aktuellen Untersuchungen belegen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei Zahlung fairer Preise die Produzente*innen selbst in die Lage versetzt würden, Brunnen und Schulen zu bauen sowie Fortbildungen durchzuführen.

Die Rolle der Politik und der Verbraucher

Die freiwillige Selbstkontrolle der Industrie hat in vielen Feldern der Transformation keinen Erfolg gebracht. Nach einer Studie von UNICEF erwarten 62 % der Unternehmen, dass Kinderarbeit erst durch politische und gesetzliche Maßnahmen wirksam bekämpft werden kann.

Immer mehr Menschen wollen sich den Genuss von Schokoladenprodukten nicht von dem bitteren Geschmack der Ausbeutung und Kinderarbeit verderben lassen. Die wenigen Cent, die eine Schokolade mehr kosten würden, wenn die Produzentinnen existenzsichernde Löhne bekämen und Kinderarbeit ausgeschlossen wäre, wären die meisten Verbraucherinnen gerne bereit zu bezahlen.

Öko-Test: Keine Schokolade kann Kinderarbeit ausschließen

Öko-Test hat 21 Tafeln Bitterschokolade hinsichtlich Zutaten und Nachhaltigkeit bewertet. Das traurige Ergebnis: Bei keiner einzigen der 21 überprüften Bitterschokoladen konnte Kinderarbeit ausgeschlossen werden. Der Hersteller von Lindt-Produkten sei, so Öko-Test, nicht einmal bereit gewesen, die Ursprungsländer der für das Produkt verwendeten Kakaobohnen zu nennen.

Alternativen und Empfehlungen für bewusste Konsumenten

Wer Wert auf faire und nachhaltige Schokolade legt, kann auf verschiedene Siegel achten:

Lesen Sie auch: Ein genauerer Blick auf Lindt Lindor

  • Fairtrade: Garantiert einen Mindestpreis und eine Prämie für die Bauern, verbietet Kinderarbeit und Abholzung.
  • Fairtrade Cocoa: Zeigt, dass zumindest der Kakao fair gehandelt wurde.
  • Gepa: Legt die Messlatte höher und wirtschaftet nach den Richtlinien der World Fair Trade Organisation (WFTO).
  • Naturland Fair: Kennzeichnet Schokolade, die sowohl ökologische Kriterien erfüllt als auch fair gehandelt wurde.
  • Rainforest Alliance: Schult Bäuer:innen in nachhaltigen Anbautechniken, zahlt aber keine Mindestpreise.
  • Fairchain: Belässt den gesamten Produktionsprozess im Herkunftsland der Rohstoffe und stärkt so die Wirtschaft vor Ort.

Ein Tipp der Expertin: Sowohl auf das Fairtrade-Siegel als auch auf das EU-Bio-Siegel achten. Mit dieser Kombination habe „man eine gute Sicherheit, dass das Produkt fair und umweltfreundlich hergestellt wurde“.

tags: #Lindt #Fairtrade #Zertifizierung

Populäre Artikel: