Auto aus Zucker: Die Herstellung und die Zukunft des Biokraftstoffs

Nicht erst durch die jüngsten weltweiten Automessen ist der Ethanolantrieb in aller Munde. Es stellt sich die Frage, wie der Weizen vom Feld in den Tank gelangt. Betrachtet man die weiten Weizenfelder oder Baumbestände, so ist vom flüssigen Aggregatzustand des Ethanolantriebs noch nichts zu sehen. Bio-Ethanol kann aus Getreide gewonnen werden, aber auch aus Holzabfällen oder Zuckerrüben.

Die Umwandlung von Weizen zu Bio-Ethanol

Besonders verbreitet ist die Umwandlung von Weizen. Hierbei wird das Getreide nach der Ernte direkt zu Weizenschrot vermahlen und mit Wasser versetzt. Dieses Gemisch würde im Tank jedoch noch gar nichts bewirken. Daher werden der balasthaltigen Flüssigkeit in der Raffinerie Enzyme zugesetzt, sodass Glukose entsteht. In gewaltigen Fermentationsbehältern kommt in einem zweiten Schritt Hefe hinzu. In einem chemischen Prozess entsteht aus der Glukose so Ethanol. Als vermeintliche Abfallprodukte entstehen durch diesen mehrstufigen Prozess Futtermittel und Kohlendioxid. Da die Motoren ausschließlich reinen Kraftstoff verarbeiten können, geht es dem Ethanol ähnlich wie seinem Bruder Alkohol. Er kommt in eine Destille und muss von der Maische getrennt werden. Damit Ethanol auch das nötige Energiepotenzial besitzt, steht dann noch eine Konzentration an.

Bio-Ethanol in Europa und Deutschland

In Europa werden bereits einige Anlagen zur Gewinnung von Bio-Ethanol betrieben. Die derzeit größte befindet sich in Sachsen-Anhalt. In der Umgebung befinden sich große Weizenfelder. Pro Jahr werden in der Raffinerie mehr als 750.000 Tonnen Weizen zu biologischen Kraftstoffen verarbeitet. In Europa liegt der Anteil an Bio-Kraftstoffen derzeit bei gerade einmal zwei Prozent. Deutschland plant auch dank einer Steuerbefreiung - zunächst bis zum Jahre 2009 - mittelfristig einen Anteil von bis zu acht Prozent. Der Weg ist lang und steinig, denn die Verbreitung des Öko-Kraftstoffes steckt hierzulande seit einigen Monaten fest. Derzeit existieren nur wenige Tankstellen, an denen man E85 auch konsumieren kann. Bis sich ein nahezu flächendeckendes Tankstellennetz formiert hat, halten einige Hersteller zumindest in Deutschland still. Volkswagen und BMW, Mercedes und Opel arbeiten ebenfalls an E85-Modellen. Besonders weit ist in diesem Bereich der Ford-Konzern. Einige Hersteller wollen ihre Modelle mit einem flexiblen System ausstatten. Saab und Ford haben dies mit Flexfuel-Modellen getan. Hierbei können die Fahrzeuge mit einem variablen Verhältnis Ethanol zu Benzin betankt werden. Im Gespräch sind jedoch auch einige technische Lösungen, wo den fossilen Brennstoffen ein fester Anteil (bis zu 15 Prozent) von organischem Material zugeben wird.

Brasiliens Vorreiterrolle bei Ethanol

Brasiliens Fortschritt riecht nach Schnaps, bald soll der Rausch die halbe Welt erfassen. Das scharfe Aroma von Alkohol steigt an den Tankstellen des südamerikanischen Landes in die Nase - jede davon ist per Gesetz dazu verpflichtet, an mindestens einer Zapfsäule Ethanol auszuschenken. Ein Liter kostet um die 50 Cents, fast jedes zweite Auto fährt damit. Zu einem Viertel wird auch das fast doppelt so teure Benzin damit versetzt, außerdem ist gewöhnlich Erdgas im Angebot. Moderne Fahrzeuge vertragen sogar die Mischung aus mehreren Kraftstoffen.

Drei von vier Neuwagen sind mit selbst regulierenden "Flexible-Fuel"-Motoren ausgestattet, bei VW do Brasil sämtliche Modelle. So produziert selbst der irrwitzige Stau auf den Straßen eines Betondschungels wie São Paulo weniger Kohlendioxid und Blei als anderswo. Oft werden die Abgase überlagert durch den Geruch von vergorenem Zuckerrohr.

Lesen Sie auch: Warum das Schoko-Auto-Video so erfolgreich ist

Das Süßgras von den Plantagen des Bundesstaates São Paulo und anderen Anbaugebieten des größten Landes Lateinamerikas dient traditionell zur Herstellung von Zucker und der Spirituose Cachaça, die in dem Mixgetränk Caipirinha globale Verwendung findet. Vor allem aber entsteht daraus dieser Stoff, der das Verkehrswesen revolutionieren und die Natur retten soll. In den USA wird Ethanol aus Mais destilliert, in Brasilien aus Zuckerrohr, Fachname Saccharum.

Die umblätterten Stengel gedeihen auf derzeit ungefähr sechs Millionen Hektar, täglich werden es mehr. Aus der Rekordernte von 475 Millionen Tonnen 2006/2007 wurden 30 Millionen Tonnen Zucker und 17,8 Milliarden Liter Ethanol gewonnen, 3,5 Milliarden Liter flossen ins Ausland. Bald soll es ein Vielfaches sein, denn dieser grüne Boom beginnt gerade erst so richtig. Dabei liegen seine Anfänge bereits drei Jahrzehnte zurück.

Die Geschichte des Ethanol-Programms in Brasilien

In den siebziger Jahren fing die brasilianische Militärdiktatur damit an, Benzin durch Derivate von Zuckerrohr zu ersetzen, das bereits seit portugiesischen Kolonialzeiten gepflanzt wird. Mit dem Programm "Proalcool" reagierten die Generäle auf die Ölkrise, zuvor galt die Branche als Symbol einer überkommenen Vergangenheit mit Strohhüten und Macheten.

Durch die hohen Preise und die absehbare Knappheit fossiler Brennstoffe herrscht unterdessen Goldgräberstimmung. Brasilien, dank seines Konzerns Petrobras bereits weitgehend autark, will in zehn Jahren mindestens 30 Milliarden Liter Ethanol produzieren. Die weltweite Nachfrage wird nach Berechnungen der Internationalen Energie-Agentur bis 2020 von 40 auf 120 Milliarden Liter pro Jahr steigen, Unterzeichner des Kyoto-Protokolls wollen ebenfalls Alkohol dem Sprit beimischen.

Es entsteht ein gigantischer Markt, Großanleger wie Bill Gates und George Soros investieren. Auch andere Nationen der Region wittern das große Geschäft, darunter Argentinien, Kolumbien, Ecuador. Schon bilden sich strategische Allianzen.

Lesen Sie auch: Individuelle Autotorten online gestalten

Der amerikanische Präsident George W. Bush vereinbarte bei seiner Lateinamerika-Reise kürzlich mit seinem brasilianischen Kollegen Luiz Inácio Lula da Silva eine Zusammenarbeit auf dem Sektor, am liebsten würde er eine Art Ethanol-Opec gründen, gemeinsam produzieren beide Staaten bereits 70 Prozent des weltweiten Angebots. "Wenn wir vom Erdöl aus dem Ausland abhängig sind, dann haben wir ein Problem der nationalen Sicherheit", berichtete Bush, gemeint waren der explosive Mittlere Osten und das widerspenstige Venezuela.

Für den hochprozentigen Erdöl-Ersatz scheint Brasilien alle Vorteile auf sich zu vereinigen. Die Republik ist 24 mal so groß wie Deutschland, von 100 Millionen Hektar Anbaufläche wird laut Experten bisher nur ein kleiner Teil genützt. Dank des sonnigen Klimas wächst Zuckerrohr ausgezeichnet. Ein Liter Ethanol lässt sich für umgerechnet 0,20 Dollar herstellen, in den USA und Europa ist es deutlich teurer. Der andere Exportschlager heißt Soja, die Bohnen finden auch für Biodiesel Verwendung.

"Nie hatten wir eine so große Gelegenheit, das Öl zu ersetzen", sagt Luiz Carlos Correa Carvalho, Direktor der Beraterfirma Canaplan. "Die Umwelt zu verbessern und erneuerbare Energie anzubieten, das kann viele Arbeitsplätze schaffen", verkündet Industrieminister Luis Fernando Forlan. Entsprechend soll investiert werden. Mindestens 70 weitere Destillier-Anlagen sind allein in den kommenden zehn Jahren nötig, außerdem Pipelines für den Transport in Städte und Häfen.

Kritik und Schattenseiten der Ethanolproduktion

Zuckerbarone verdienen Geld wie Ölscheichs, ihre Besitzungen fressen sich ins Land, drängen Kakao zurück, teilweise sogar Soja und Weiden. Und Bäume, auch an der ohnehin geschundenen Lunge des Planeten. "Wir haben 80 Millionen Hektar in der Amazonasregion, die sich in das Saudi-Arabien der Biotreibstoffe verwandeln werden", schwärmte der Unternehmer Expedito Parente in der Zeitung O Globo.

Solche Aussichten entsetzen jene, die von dem vermeintlich schonenden Vorstoß begeistert sein müssten. Zuckerrohr sei eine umweltschädliche Monokultur, warnen Naturschützer, von einer sauberen Tankfüllung Alkohol könne keine Rede sein. Exzessive Zuckerrohrwirtschaft sei unpassend für eine nachhaltige Entwicklung, erklärt Greenpeace-Mitarbeiter Marcelo Furtado. Brasilien blase jetzt schon Millionen Tonnen Giftstoffe in die Luft, und 75 Prozent davon stammten von brandgerodeten Feldern.

Lesen Sie auch: Fanta Lemon Zucker: Was Sie wissen sollten

Die Ethanolstrategen gelten als Verbündete der Holzmafia im Namen einer umstrittenen Ökologie. Seit 1970 wurde dem Verband Conservation International zufolge am Amazonas ein Gebiet der Größe Frankreichs abgeholzt. Unter dem früheren Gewerkschaftsführer Lula ließ der Raubbau zuletzt nur geringfügig nach, obwohl er als Zeichen der Zeitenwende eine Ureinwohnerin zur Umweltministerin ernannte, Marina Silva.

Laut ihrer Behörde sei die Zerstörung 2005 zwar um 31 Prozent zurückgegangen und 2006 um weitere elf Prozent, auch gründete Brasilien das größte Naturschutzareal der Erde. Doch 2006 verschwanden offiziell immer noch 16.700 Quadratkilometer Urwald, 6700 Fußballfelder. Greenpeace spricht sogar von einem durchschnittlichen Jahresverlust von 23.000 Quadratmetern.

Selbst die Katholische Bischofskonferenz forderte Präsident Lula auf, den Kahlschlag zu stoppen. Regenwald werde "für Zuckerrohr gefällt, und auch die grauenhafte Ausbeutung wird verschwiegen". Kleinbauern und Eingeborene würden vertrieben, Zuckerrohrarbeiter zugunsten des Profits unmenschlich behandelt.

Auch deshalb seien Brasiliens Ethanol und Biodiesel so billig, alte Zuckerrohrregionen wie Pernambuco und Alagoas sind arm. Für den Mindestlohn von 413 Reais, 160 Euro, müssen Helfer mindestens zehn Tonnen der störrischen Pflanze ernten. "Getarnte Sklavenarbeit", schimpft der Spezialist Pedro Ramos von der Universität Campinas.

Die Katholische Kirche spricht von 17 Toten durch Erschöpfung allein in der Umgebung von São Paulo, auch von Drohungen und Mord ist die Rede. "Zucker und Alkohol aus Brasilien sind in Blut, Schweiß und Tod gebadet", sagt die Forscherin Maria Cristina Gonzaga. Hunderte Gruppierungen forderten die EU in einem offenen Brief dazu auf, sich der Alternative Ethanol zu verweigern. Man dürfe nicht Menschen und Böden auslaugen, um Autos anzutreiben.

In Mexiko stiegen durch den amerikanischen Durst nach Ethanol die Tortillapreise, weil in den USA weniger Exportmais übrigbleibt. Drei Millionen Menschen werden durch Bushs Pläne verhungern und verdursten, prophezeit Kubas kranker Comandante Fidel Castro in der kommunistischen Parteizeitung Granma.

Ein brasilianischer Aktivist ließ im Kampf gegen den brasilianischen Missbrauch gar sein Leben. Francisco Anselmo Gomes de Barros, Chef der Umweltschutzorganisation Fuconam, hatte 1982 eine Verordnung erstritten, die empfindliche Landstriche vor der Alkoholproduktion bewahrt, doch der Schutz soll nun fallen. Im November 2005 verbrannte sich der 65 Jahre alte Gomes selbst, um gegen Plantagen und Fabriken am Rande des Feuchtbiotops Pantanal im Südwesten Brasiliens zu protestieren.

Zucker als Spekulationsobjekt

"Unglaublich", scherzte Christopher Wyke kürzlich, "daß dieses Zeug in Restaurants noch immer gratis hergegeben wird". Der Fondsmanager von Schroders meinte Zucker. Auf dem Weltmarkt legte dessen Preis 2005 um 60 Prozent zu. Den seit Mai registrierten Preisdruck halten viele Analysten lediglich für eine vorübergehende Schwächephase im Rahmen einer zyklischen Hausse. Der Rohstoff, davon sind sie überzeugt, werde zunehmend knapp.

Grund dafür ist nicht nur der steigende Zuckerverbrauch aufstrebender Länder wie China und Indien. Der hohe Rohölpreis führt auch dazu, daß die Nachfrage nach Zusatz- oder Ersatzkraftstoff aus Biomasse zunimmt. Südzucker etwa, der europäische Marktführer bei der Zuckerherstellung, erklärte die Sprit-Produktion neben seinem "normalen" Lebensmittelgeschäft für das laufende Geschäftsjahr zur Wachstumssäule.

Denn spätestens seit US-Präsident George Bush im Februar erklärte, die Vereinigten Staaten müßten unabhängiger vom Rohöl werden, ist Ethanol für Autos vielerorts Top-Thema. Vorbild ist dabei Brasilien. Der weltgrößte Zuckerproduzent nutzt bereits mehr als die Hälfte seiner Zuckerrohrernte für die Herstellung von Ethanol. Mehr als 70 Prozent der dort zugelassenen Autos sind "Flex-Fuel-Fahrzeuge", die entweder mit Benzin, Ethanol oder einer Mischung aus beiden betankt werden können. Was den damals regierenden Militärs während des Ölschocks der 70er Jahre als probates Mittel erschien, das größte südamerikanische Land von der Erdölabhängigkeit zu befreien, macht sich in Zeiten von Kyoto-Protokollen und Treibhausgas-Diskussionen gut als umweltfreundlicher Biosprit.

Zwischen Mai 2005 und März 2006 verbrauchte Brasilien knapp 17 Milliarden Liter Biobenzin. Der Volkswagen-Konzern kündigte vor wenigen Wochen an, in seinem Werk in São Paulo ab Ende 2006 nur noch Fahrzeuge mit dem Mischmotor zu bauen. Das ist zwar nicht so modern, wie es klingt, denn schon Auto-Pionier Henry Ford entwarf sein Ford Model T auch für den Betrieb mit Ethanol-Sprit. Aber VW liegt im Trend. 2,5 Milliarden Liter wurden im vergangenen Jahr exportiert, vor allem in die USA und nach Indien. Plinio Marío Nastari, Eigentümer der brasilianischen Beratungsagentur Datagro, geht davon aus, daß bis 2010 insgesamt 22 Milliarden für den Eigenbedarf und weitere sechs für die Ausfuhr bestimmt sein werden. Wenn die EU sich nicht mehr gegen Ethanol aus Brasilien sperre, wo es billiger als in Europa hergestellt werden kann, könnten die Exporte noch höher ausfallen.

Doch angesichts der gestiegenen Nachfrage ist der durch Vergärung von Glukose gewonnene Kraftstoff längst nicht mehr so günstig zu haben wie 1979, als das erste Hybridauto in Brasilien vom Band rollte. Wegen der Knappheit des Rohstoffs reduzierte die Regierung die gesetzlich vorgeschriebene Beimischung von Ethanol in Normalbenzin bereits von 25 auf 20 Prozent.

Und es gibt noch andere Probleme. Zwar hat das Land theoretisch mehr Flächen, auf denen weitere Zuckerrohrplantagen angelegt werden könnten. Aber dies ist sowohl aus ökologischer Sicht als auch aus sozialen Gründen immer heftiger umstritten.

Im vergangenen November etwa verbrannte sich der Umweltschützer Francisco Anselmo Gomes de Barros öffentlich aus Protest gegen die Zerstörung von Brasiliens Natur und den Bau weiterer Ethanolfabriken im Gebiet des Pantanal, dem größten Feuchtgebiet der Erde. In der Zuckerregion im Nordosten des Landes investieren Großgrundbesitzer wieder in Flächen, die sie in Zeiten schlechter Geschäfte veröden ließen, und die später im Zuge der Agrarreform an landlose Bauern gingen. "Die Landlosen, die diese unproduktiven Flächen vor mehreren Jahren besetzt und seither bewirtschaftet haben, werden wohl wieder vertrieben werden", sagt Wolfgang Hees von Caritas International.

Sogar die bisher als gesichert betrachtete positive Öko-Bilanz wird mittlerweile wieder angezweifelt. Wissenschaftler streiten darüber, ob die Produktion von Ethanol womöglich mehr Energie verbrauchen könnte, als der Biokraftstoff hinterher einsparen hilft. "Energiewirtschaftlich bringt es einfach nichts, flüssigen Treibstoff aus pflanzlicher Biomasse herzustellen", sagt David Pimentel, Professor für Ökologie und Landwirtschaft an der US-Universität Cornell.

Europa allerdings ist von solchen Problemen noch weit entfernt. Obwohl die betreffende Euronorm erlaubt, dem herkömmlichen Benzin bis zu fünf Volumenprozent Ethanol beizumischen, soll nach der Sommerpause erst einmal eine Beimischungspflicht von zwei Prozent ab Januar 2007 verabschiedet werden. "Was wir brauchen ist Wahlfreiheit für Autofahrer und Markteinführungsprogramme, die Bio-Ethanol ähnlich wie Windenergie und Solarstrom fördern", sagt Jürgen Zeddies vom Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Stuttgart Hohenheim. Mineralölkonzerne, Chemiefirmen und Autohersteller arbeiten derweil bereits an der zweiten Generation von Biokraftstoffen. BP kündigte nun an, nächstes Jahr gemeinsam mit dem US-Chemiekonzern Dupont eine Fabrik für Biobutanol in Betrieb zu nehmen. Der Kraftstoff wird hier aus gezüchteten Gräsern, Stroh und Ernteabfällen erzeugt. Auch Shell und VW forschen in diese Richtung.

Noah: Ein Auto aus Flachs und Zucker

Studenten an der TU/Ecomotive im niederländischen Eindhoven haben eine Idee, wie der Herstellungs- und Verwertungszyklus von Elektroautos bald sehr viel nachhaltiger werden kann: Sie haben ein Auto aus fast vollständig nachhaltigen Materialien entwickelt, das außerdem vollständig recycelbar ist.

Der auf „Noah“ getaufte Zweisitzer besteht aus sogenannten Polyactiden (PLA) sowie Flachs. Bei PLA handelt es um ein synthetisches Polymer, auch Polymilchsäure genannt, das aus Zucker gewonnen werden kann und bereits in anderen Branchen für die Herstellung von biologisch abbaubarem Bio-Plastik genutzt wird. Laut TU/Ecomotive sind PLA und Flachs nicht nur regenerativ und biologisch abbaubar. Die Herstellung der Materialien für den Bau des Autos verbrauche zudem bis zu sechs Mal weniger Energie im Vergleich zu herkömmlichen Leichtbaumaterialien wie Aluminium oder Carbon.

Und leicht ist Noah tatsächlich: Ohne Batterien bringt der kleine Flitzer lediglich 360 Kilo auf die Waage. Dank des geringen Eigengewichtes kommt das Auto mit einer 60-Kilo-Batterie aus (andere E-Autos verlangen teilweise Batterien über mehrere hundert Kilo), die es pro Ladung rund 240 Kilometer weit befördert.

Die Motivation der Macher? „Wir wollen zeigen, dass eine Kreislaufwirtschaft bereits auch in komplexen Produkten, wie Autos, möglich ist“, so Cas Verstappen aus dem Erfinderteam der TU/Ecomotive aus Eindhoven.

Sobald es für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen ist, könnte es beispielsweise innerstädtische Carsharing-Flotten erweitern und ein erlebbares Beispiel für die Kreislaufwirtschaft in der Automobilbranche werden.

Toyota und Lexus setzen auf Bio-PET

Aus Zuckerrohr statt Erdöl will Toyota nun Kunststoffe für die Innenräume seiner Pkw herstellen. Premiere feiert das sogenannte Bio-PET im Frühjahr 2011 bei der Gepäckraumverkleidung des Hybridautos Lexus CT 200h. Künftig soll das auf Basis des nachwachsenden Rohstoffs hergestellte Material auch bei Sitzen, Teppichen und anderen Innenraumkomponenten weiterer Pkw-Modelle zum Einsatz kommen. Gegenüber konventionellen Bio-Kunststoffen soll es hitzebeständiger und haltbarer sein.

Auch andere Hersteller entwickeln Materialien aus umweltfreundlichen Rohstoffen. Ford etwa experimentiert mit Flüssigholz, das aus Holzresten hergestellt wird und in Innenraumverkleidungen eingesetzt werden kann. Mazda hat ein Verfahren zum Recycling von Stoßfängern entwickelt, bei dem nicht nur Exemplare aus eigener Herstellung wiederverwertet werden, sondern auch Teile anderer Hersteller.

Flex-Fuel-Technologie in Brasilien

Fast alle Autos, die heute auf den Straßen Brasiliens fahren, sind sogenannte Flex-fuel-Fahrzeuge. Sie lassen sich sowohl mit Benzin als auch mit Bioethanol betanken, das in Brasilien klimaneutral aus Zuckerrohr gewonnen wird. Die Technologie hat sich in Brasilien im letzten Jahrzehnt in extrem kurzer Zeit durchgesetzt: 2002 war der Flex-fuel-Antrieb noch nicht auf dem Markt, zwei Jahre später verfügten bereits 60 Prozent der Neuwagen über den flexiblen Antrieb.

Vor dem Flex-fuel-Boom fuhren die Brasilianer Fahrzeuge, die entweder Benzin oder Bioethanol tanken konnten. Die brasilianische Regierung hatte die Herstellung von Bioethanol und die Produktion von Ethanol-Autos stark gefördert. Das Problem für die Autofahrer: Die Preise der Kraftstoffe schwankten auch aufgrund wechselnder Regierungspolitik so stark, dass mal Benzin, mal Bioethanol viel günstiger war. Viele Brasilianer tankten den jeweils günstigeren Kraftstoff. Das ging auf Dauer oft nicht gut, die Motoren versagten. Taxifahrer blieben regelmäßig im Straßenverkehr liegen.

Ingenieure in den Entwicklungsabteilungen fingen an, mit Software zu experimentieren, die den Motor so einstellt, dass er beide Kraftstoffarten oder Gemische verarbeiten kann. Ein Ingenieur erzählte mir, dass er die Software erstmals beim Wagen seiner Frau ausprobierte, da er kein Geld für seine Experimente erhielt. Die Brasilianer haben sich mit dem millionenfachen Kauf von Flex-fuel-Autos an eine schwankende Regierungspolitik angepasst, die mal die eine, mal die andere Kraftstoffindustrie fördert.

Volkswagen setzt auf Bio-Ethanol in Brasilien

In Europa will Volkswagen auf absehbare Zeit nur noch Elektrofahrzeuge verkaufen - in Brasilien sieht das anders aus. Dort sind Bio-Kraftstoffe angesagt. Aber wie bekommt man brandneue VW-Motoren dazu, neben Benzin oder Diesel auch Ethanol zu vertragen? Matthias Kreft entwickelt für Volkswagen in Brasilien Bio-Sprit-taugliche Flex-Fuel-Motoren.

Recyclingfähige Autos: Noah als Anstoß

Noah wiegt nur 350 Kilo, besteht aus Hightech-Materialien und ist das erste Auto weltweit, das sich vollständig recyceln lässt. Entworfen und konzipiert wurde der Stadtwagen von Studenten der TU/ecomotive im holländischen Eindhoven. Im Sommer soll er auf einer Art Europatournee in sieben großen Städten vorgestellt werden. "Und bis Ende des Jahres wollen wir das Projekt so weit vorantreiben, dass Noah eine Straßenzulassung erhält", sagt Cas Verstappen, der Sprecher von TU/ecomotive.

Ansätze zu recyclingfähigen Autos gab es schon mehrere. In größerem Stil verwirklicht wurden sie noch nie. Hier und da bauen Autohersteller Dämmmatten aus Kokosfasern oder Sitzpolsterungen aus Bananenschalen ein - das war's aber auch schon. Noah soll nach der Absicht seiner Erbauerinnen und Erbauer nun ein neuer Anstoß werden, das Thema Kreislaufwirtschaft ernsthafter umzusetzen. "Wir wollen zeigen, dass auch bei einem komplexen Produkt wie dem Auto der Materialkreislauf funktioniert", sagt Verstappen.

Das Chassis des Noah-Prototypen besteht aus einer Sandwichstruktur, die wiederum aus Flachsfasern und einem Kunststoff auf Zuckerbasis besteht. Ein Flachs-Verbundstoff bildet auch die Karosserie, die Scheiben sind aus dem Polycarbonat Lexan gefertigt, die Lederbezüge der Sitze aus den unteren Schichten von Tierhäuten, die normalerweise bei der Lederherstellung weggeworfen werden. Was an digitalen Instrumenten und an Vernetzungstechnologie im Auto verbaut ist, bezieht TU/ecomotive von "Herstellern, die das jeweils umweltverträglichste Produkt dieser Art produzieren", wie Verstappen sagt. Diese Systeme sollen Noah unter anderem fit machen für den Einsatz in Car-Sharing-Flotten.

Der Grund, warum das studentische Projekt ganz auf das Thema Materialkreislauf und Wiederverwertung fokussiert ist, erklärt Verstappen recht anschaulich. "Im vergangenen Jahr", sagt er, "lag der 'World Overshoot Day' so früh wie noch nie, er fiel auf den 2. August." Mit "World Overshoot Day" ist jener Tag gemeint, an dem die Menschheit jene Menge an Rohstoffen verbraucht hat, die binnen eines Jahres nachwachsen können; und 2017 war das bereits nach gut sieben Monaten der Fall. Die übrigen knapp fünf Monate wurde sozusagen auf Pump produziert und konsumiert. Dass dieser Raubbau nicht ewig so weitergehen kann, versteht sich von selbst.

tags: #auto #aus #zucker #herstellung

Populäre Artikel: